„Das Schloss nimmt Gestalt an. Doch wer regiert da?“

Im Jahr 2019 soll das neu erbaute Berliner Stadtschloss als Humboldt-Forum eröffnet werden. Bereits im Juni 2015 wird Richtfest gefeiert. Bei der Entscheidung über den Intendanten wird die Zeit knapp.

Von Eckhard Fuhr, Korrespondent für Kultur und Gesellschaft

Am 12. Juni dieses Jahres soll Richtfest sein am Berliner Schlossplatz. Welche Gestalt Berlins Mitte mit dem Wiederaufbau des Schlosses annimmt, kann man jetzt schon ganz gut sehen. Der Bau schreitet zügig voran. Die Barockfassaden und die für ihre Finanzierung noch fehlenden Millionen muss man sich allerdings noch vorstellen. Dafür sind die Museumsleute, die diesen größten Kulturbau Deutschlands bespielen werden, schon sehr konkret und detailliert bei der Arbeit.

Als Humboldt-Forum wird das Berliner Stadtschloss die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst aufnehmen und völlig neu, vor allem im Dialog mit den Herkunftskulturen, präsentieren. 17.000 von insgesamt 24.000 Quadratmeter Nutzfläche stehen dafür zur Verfügung, das gesamte zweite und dritte Obergeschoss und Teile des ersten Obergeschosses.

Der Transfer der Objekte vom derzeitigen Museumsstandort in Dahlem ist nicht nur ein logistischer, sondern auch ein kuratorischer und konservatorischer Kraftakt. Es solle im Humboldt-Forum nichts ausgestellt werden, dessen Herkunft nicht geklärt sei, sagte Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), gestern auf seiner Jahrespressekonferenz.

Parzinger und dem Generaldirektor der Staatlichen Museen, Michael Eissenhauer, war deutlich daran gelegen, den Aufbau des Humboldt-Forums als Werk einer gut geölten Maschinerie darzustellen, zu der sich hoch professionelle und leidenschaftliche Museumsleute zusammengefunden haben. Spätestens 2016 soll mit dem Umzug in die Stadtmitte begonnen werden.

„Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn das Humboldt-Forum ohne Turbulenzen in die erstaunte und enthusiasmierte internationale Museumswelt träte“

Im Herbst 2017 könnten dann die ersten Großobjekte wie zum Beispiel die riesigen polynesischen Boote des Ethnologischen Museums einziehen, wofür noch Mauerlücken offen gehalten werden müssen. 2019 soll das Forum eröffnet werden. Es geht voran mit dem Humboldt-Forum, wir werden konkret, die Zeit theoretischer Debatten darüber, was dieser Ort denn eigentlich sein soll, liegen hinter uns – das ist die Botschaft, die von der Spitze der Stiftung und der Museen ausgesendet wird.

Doch über der Baustelle am Schloßplatz schwebt ein großes Fragezeichen. Es muss für das Humboldt-Forum noch die Stelle eines Intendanten geschaffen und besetzt werden, denn das Forum soll eben nicht nur ein Ausstellungshaus sein, sondern eine Bühne, auf der sich die Kulturen der Welt begegnen. Dazu braucht es eine Art Zirkusdirektor. Der Wunschkandidat vieler für diesen Job heißt Neil MacGregor und ist Direktor des Britischen Museums in London, ein Mann mit einer hohen Affinität zu Deutschland und seiner Geschichte, was er gerade mit der Londoner Deutschland-Ausstellung „Memories of a Nation“ unter Beweis gestellt hat. Und die Sprache kann er auch, fließend.

Er wird umworben und umgarnt, nicht nur von der Kulturstaatsministerin Monika Grütters, sondern auch von der Bundeskanzlerin. Ob MacGregor den Lockruf Angela Merkels erhört, weiß man nicht. Er hat sich noch nicht erklärt. Ebenso wenig weiß man, wen Frau Grütters aus dem Hut zaubern könnte, wenn ihr Favorit Nein sagt. Das kann man nicht ausschließen, denn man wird in London den Direktor des wichtigsten britischen Museums nicht gern ziehen lassen. Das eröffnet die Möglichkeit zu dem, was man im akademischen Betrieb Bleibeverhandlungen nennt. Drei Jahre Zeit, meint Parzinger, brauche der Intendant schon, um mit den Sammlungsleitern ein Konzept zu entwickeln. Soll 2019 eröffnet werden, müsste der Intendant also spätestens 2016 an Bord sein.

Was muss man einem leidenschaftlichen Museumsmann von internationalem Format wie MacGregor bieten, damit er seinen Londoner Traumposten gegen etwas eintauscht, was bis heute immer noch Gedankenexperiment ist? Warum sollte der Herr über riesige Sammlungen zu einer Art Veranstaltungsdirektor mutieren? Wie wird er ausgestattet mit Personal, Finanzmitteln und Kompetenzen? Mit welchen Zusagen also versucht Frau Grütters, ihn zu locken? Und wie wird sich der glänzende Star, der da gesucht wird, einfügen in die doch eher behördenartige Struktur der Stiftung und ihrer Museen?

Die Berliner Verantwortlichen für das Humboldt-Forum werden ausgesprochen wortkarg, wenn Fragen diese empfindliche Zone berühren. Einen Etat für die Intendanz gibt es noch nicht. Man wisse in der Bundesregierung allerdings, dass ein solcher nötig sei, heißt es. Mit anderen Worten: Aus laufenden Etats ist die Intendanz nicht zu finanzieren.

Die Haushaltspolitiker werden also die Bestände der Bundeskultur durchforsten, und es wird nicht lange dauern, bis sie darauf stoßen, dass da hinter dem Kanzleramt in der ehemaligen Kongresshalle ein Paradiesgärtlein des Multikulturalismus blüht, das Haus der Kulturen der Welt, dessen Programm und Auftrag sehr nach Humboldt-Forum klingen, wenn auch stark verkopft und theorieselig. Dort gibt es Stellen und Mittel. Es war eigentlich immer klar, dass mit dem Humboldt-Forum auch über das Schicksal dieses Instituts entschieden wird. Dabei wird es laut und heftig zugehen.

Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn das Humboldt-Forum ohne Turbulenzen in die erstaunte und enthusiasmierte internationale Museumswelt träte. Auf die Frage, welche Erwartungen er an den Intendanten habe, antwortet Parzinger, der müsse über eine hohe Integrationsfähigkeit verfügen und die Partner und Mitarbeiter „mitnehmen“. Der Intendant müsse sich für das Potenzial der Sammlungen interessieren.

So hört es sich an, wenn durch die Blume die Befürchtungen angesprochen werden, die sich in Stiftung und Museen mit der Intendantenidee verbinden, die natürlich von niemandem prinzipiell infrage gestellt wird. Und diese Befürchtungen laufen darauf hinaus, dass hinter dem Inszenatorischen und Performativen der Eigensinn des Musealen verschwinden könnte.

Die Personalie falle in die Zuständigkeit der Kulturstaatsministerin, heißt es. Sie arbeite mit Nachdruck an dieser Entscheidung. Das ist nicht nur schön und beruhigend, sondern das ruft auch mulmige Gefühle hervor, wenn man daran denkt, was da in höchst vertraulichen Gesprächen alles versprochen und verabredet werden kann.

Quelle: Die Welt, 29.01.15

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