Das Schloss ist das Herz von Berlin gewesen

Warum Privatleute Geld für den Wiederaufbau der ehemaligen Hohenzollernresidenz spenden.

Sie ist gerne in den Palast der Republik gegangen. Zu Auftritten von Schlagerstar Karel Gott oder Entertainerin Helga Hahnemann. Und als der Palast abgerissen wurde, hat sie „mehr als eine Träne vergossen“, sagt Verena Stegmann aus Köpenick. Doch mittlerweile ist die Wehmut verflogen. Jetzt hofft die 66-Jährige, dass an der Stelle des Palastes so schnell wie möglich das 1950 gesprengte Berliner Schloss wieder aufgebaut wird. 50 Euro hat Verena Stegmann dafür gespendet, dass die Barockfassade rekonstruiert wird. „Ich bin ein Schlösserfan“, sagt sie.

Jetzt sitzt die ehemalige Bibliothekarin in einem neunsitzigen Kleintransporter des Fördervereins Berliner Schloss. Er bringt die Rentnerin mit drei anderen Spendern von der Humboldt-Box am Schlossplatz zur gerade eröffneten Schloss-Bauhütte nach Spandau. Dort können sich die Spender ein Bild von der Arbeit der Steinmetze und Restauratoren machen, die bereits jetzt Adler, Wappen und Widderköpfe für die Schlossfassade herstellen. Zwei Jahre vor der geplanten Grundsteinlegung für das Schloss.

Überzeugende Attrappe

Neben Verena Stegmann sitzt der 79-jährige Joachim Eckert aus Mitte, ein gebürtiger Chemnitzer. Der ehemalige Diplom-Ingenieur hat 20 Euro gespendet. Als er 1993/94 die aufgebaute Attrappe des Schlosses in Mitte gesehen habe, mit der der Förderverein Berliner Schloss für den Wiederaufbau warb, sei er zum Unterstützer der Rekonstruktion geworden, sagt er. „Die Attrappe war einfach überzeugend.“

Christa und Reiner Aebel, 74 und 73 Jahre alt, kommen aus Dahlem. Sie sind pensionierte Lehrer. „Wir sind schon ganz lange für das Schloss“, sagen sie. Vor fünf Jahren haben sie 250 Euro gespendet. „Wir sind verlacht worden, das wird nie was“, hätten Freunde und Bekannte gesagt. Doch sie haben immer daran geglaubt. „Das Schloss ist das Herz von Berlin gewesen“, sagt Reiner Aebel. Deswegen ist es für ihn so wichtig, dass es wieder aufgebaut wird. Nach 45 Minuten rollt der Bus des Fördervereins vor eine große Werkshalle am Askanierring in Spandau. Früher wurden hier Lastwagen der britischen Streitkräfte repariert, jetzt dient die Halle als Schloss-Bauhütte. Gunther Kämmerer vom Förderverein Berliner Schloss schildert, wie der Verein bei der Rekonstruktion der Fassade vorgegangen ist: „Der erste Schritt war die Recherche“, sagt er, die Suche nach Bildern vom Schloss. Dann seien nach den Bildern Zeichnungen angefertigt worden. Anschließend seien die Modelle für die Barockfassade erstellt worden. Vor der Halle arbeitet Restaurator Carlo Wloch unter einem Holzvorbau.

Bisher 16 Millionen Euro gespendet

Mit einem Messgerät überträgt er die Form eines Modells Punkt für Punkt auf einen Sandstein-Rohling. Anschließend bearbeitet er den Stein so mit einem Meißel, dass er die Form des Modells erhält. Die Schlossfans sind beeindruckt. „Wir werden den nächsten Stein spenden“, sagt Reiner Aebel auf der Heimfahrt. Diesmal für 50 Euro. Nach Angaben des Fördervereins sind bisher 16 Millionen Euro gespendet worden. Zusagen für sieben Millionen liegen vor. Der Verein hat versprochen, 80 Millionen Euro für die Schlossfassade aus Spenden aufzubringen. Um die Kuppel und die Portale II, III und IV vollständig zu rekonstruieren, sind allerdings weitere 25 Millionen Euro nötig.

Verena Stegmann kann es kaum mehr abwarten, bis die Bauarbeiten fürs Schloss beginnen. Achtmal war sie schon in der Humboldt-Box, die über das Projekt informiert. Wahrscheinlich werde sie dort einziehen, wenn der Bau beginne, sagt sie lachend. Eines hoffe sie jedoch: dass im neuen Schloss die Skulptur der Gläsernen Blume aufgestellt wird, die früher im Foyer des Palastes der Republik stand – „als Erinnerung “.

Wer mindestens 10 Euro spendet, darf per Bus-Shuttle zur Schloss-Bauhütte fahren. Anmeldung unter Telefon 030 / 20 67 30 93.

Berliner Zeitung v. 06.10.2011

Link zum Original-Artikel: http://www.berliner-zeitung.de/berlin/humboldt-forum–das-schloss-ist-das-herz-von-berlin-gewesen-,10809148,10974808.html

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