Streit um Barock-Kuppel
Das Berliner Stadtschloss wird immer teurer – gebaut wird es trotzdem
Es gilt als das größte deutsche Kulturprojekt dieses Jahrhunderts. Am Wiederaufbau des Berliner Schlosses scheiden sich die Geister. Die Haushaltspolitiker des Bundestags gaben jetzt endgültig den Startschuss.
Eine Fassade des Informationszentrums „Humboldt-Box“ zeigt das neue alte Berliner Stadtschloss, wie es aussehen könnte. Der erste Spatenstich für das Schloss ist für 2013 vorgesehen, die Fertigstellung für Ende 2017 oder Anfang2018. Foto: dpa
Ein Wechselbad, wie es das Berliner Schloss seit Jahren durchlebt, hat es wohl selten gegeben. Infolge der Sparbeschlüsse der Bundesregierung stand der Wiederaufbau der Preußen-Residenz im vergangenen Jahr sogar kurz vor dem Aus.
Am Mittwochabend aber machte der Haushaltsausschuss des Bundestags mit überwältigender Mehrheit den Weg endgültig frei – trotz der Mehrkosten von 38 Millionen Euro. Der Gesamtpreis beläuft sich damit jetzt auf stolze 590 Millionen Euro. Und Kritiker fürchten, es könne noch längst nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Dass in Zeiten klammer Kassen ein solches Mammutprojekt überhaupt Chancen hat, liegt an dem außergewöhnlichen Charakter des Vorhabens. Mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Mauer soll die „Wunde im Herzen der Stadt“, wie Politiker den leeren Schlossplatz gern nennen, endlich geschlossen werden. Zudem sprechen viele Experten dem dort geplanten Kulturzentrum („Humboldt-Forum“) in unmittelbarer Nachbarschaft zum Weltkulturerbe Museumsinsel internationale Strahlkraft zu.
Jahrelanger Streit
Ob dafür das Wiederauferstehen alter monarchischer Barockpracht nötig ist oder ob ein moderner Zweckbau besser wäre – darum wurde jahrelang, ja jahrzehntelang erbittert gestritten. 2002 stellte der Bundestag mit überraschend klarer Mehrheit die Weichen: Beinahe zwei Drittel der Abgeordneten sprachen sich für die Rekonstruktion des 1950 von der DDR gesprengten Schlosses aus. 2007 folgte die Festlegung, den Baupreis auf 552 Millionen zu begrenzen.
Dass vier Jahre später 38 Millionen Euro Mehrkosten durchgehen, wird mit einer komplizierten Rechnung begründet. Erst nach dem Entwurf des italienischen Architekt Franco Stella habe man das Projekt wirklich durchkalkulieren können, heißt es. Dabei sei man auf eine Gesamtsumme von 590 Millionen Euro gekommen.
In ungewohnter Eintracht hoben Union, FDP und Grüne das in ihrem Antrag nochmals hervor. Auch die SPD stimmte zu, nur die Linken votierten mit Nein. Das „Go“ ist da – gleichwohl brach sofort eine neue Diskussion los. Die glühendsten Anhänger der Schlossvariante wollen die Barockresidenz möglichst komplett wiedererstehen lassen – inklusive der historischen Kuppel und wertvoller Verzierungen an den Portalen. Dem schoben Union, FDP und Grüne nun einen Riegel vor. Die 28,5 Millionen Euro dafür müssten durch Spenden hereinkommen, sonst gebe es keine Extras – und eine kahle Kuppel. Es ist fraglich, ob das gelingt. Der Förderverein Berliner Schloss konnte nämlich bisher erst 15 Millionen Euro an Spendengeldern sammeln. 80 Millionen sind aber schon als Beitrag zum 590-Millionen-Paket versprochen. 478 Millionen übernimmt der Bund, 32 Millionen soll das Land beitragen.
Nach Ansicht von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) wäre der Schlossbau ohne Kuppel ein Schaden für Deutschland. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesrepublik die vollständige Realisierung des größten Kulturprojekts ihrer Geschichte an ein paar Millionen scheitern lässt“, so Thierse gestern. „Damit würde sich dieser Staat auf peinliche Weise lächerlich machen.“ Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) wiegelt ab: „Wir planen die Konstruktion der Kuppel so, dass sie auch erst später ihr barockes Kleid erhalten kann.“