12.04.2016 Berliner Zeitung
Die Entscheidung gibt Grund zur Freude. Die Koalitionsfraktionen im Bundestag haben sich gegen das Einheitsdenkmals auf dem Berliner Schlossplatz ausgesprochen.
Von Kerstin Krupp
Im Februar erst erteilte Berlin die Baugenehmigung, jetzt zieht der Bund die Notbremse. „Wir haben der Bundesregierung vorgeschlagen, Abstand von dem Projekt zu nehmen“, sagte Rüdiger Kruse (CDU), Berichterstatter für Kultur im Haushaltsausschuss des Bundestags. Den Ausschlag hierfür gaben die schon vor Baubeginn rasant gestiegenen Kosten.
Geplant war für die sogenannte Bürgerwippe nach einem Entwurf der Choreografin Sasha Waltz (die übrigens nach zahlreichen Änderungen an ihrer Idee längst ausgestiegen war) und der Stuttgarter Agentur Milla und Partner ein Etat von zehn Millionen Euro. Kürzlich hat das Bundesfinanzministerium den aktuellen Preis errechnet, der bei knapp 15 Millionen Euro, weitere Erhöhungen nicht ausgeschlossen. Das war zu viel für ein Projekt, das längst keiner mehr haben wollte.
Idee vom „Bürger in Bewegung“
Ein Rückblick: 1998 (!) entstand die Idee, einen Ort des Gedenkens an die deutsche Wiedervereinigung zu schaffen. Neun Jahre später folgte der Beschluss des Bundestags. Der damalige Kulturstaatsminister Bernd Neumann lobt 2008 schließlich den Wettbewerb aus, aus dem besagte Idee „Bürger in Bewegung“, eine monströse begehbare Wippe, als Siegerentwurf hervorging.
So recht überzeugen wollte das Projekt von Anfang an nicht. Fallen lassen aber wollte es keiner, zumindest nicht öffentlich. Im Hintergrund aber zeigten sich gleich drei Berliner Institutionen äußerst erfinderisch im Errichten immer neuer Hindernisse: der Behindertenbeauftragte (ungeeignet für Rollstuhlfahrer), der Denkmalschutz (Bodenmosaike aus Kaiser Wilhelms Zeit) und der Naturschutz (Fledermäuse im Sockel).
Zu viele teure Nachbesserungen
Die Nachbesserungen mit Zäunen und überdimensionierter Rampe raubten der Idee den letzten Charme und gaben sie endgültig dem Spott preis. Vorsichtige Vorschläge von Neumanns Nachfolgerin Monika Grütters, das Brandenburger Tor sei das Einheitsdenkmal par excellence, verhallten ungehört. Und jetzt das: Ein absehbares Desaster wird ganz unerwartet verhindert – und zwar von denen, die es auf den Weg gebracht haben. Mit so viel Vernunft wagte keiner mehr zu rechnen.
Quelle: Berliner Zeitung, 12.04.2016