„Blick hinter die Schlossfassade“

15.12.2020  Der Tagesspiegel

Carola Wedel hat über viele Jahre hinweg Dokus über die Museumsinsel und das Humboldt-Forum gedreht. Zur Eröffnung gibt es sie gebündelt.

Von Birgit Rieger

Das Humboldt-Forum wird am morgigen Mittwoch digital eröffnet, mehr lässt die Pandemie im Moment nicht zu. Zu sehen gibt es einiges – auch ganz oldschool auf DVD. Pünktlich zum Start erscheint ein Rückblick auf die fast 20-jährige Planungs- und Entstehungsgeschichte des Hauses.
Die DVD-Box „Das Humboldt Forum – Ein Jahrhundertprojekt“ (herausgegeben von Studio Hamburg Enterprises, 19,90 Euro) versammelt sechs bereits im Fernsehen ausgestrahlte Dokumentarfilme samt „Bonusmaterial“, die die langjährige ZDF-Kulturredakteurin Carola Wedel gedreht hat.

Wedel schlug ihrem Sender 1999 vor, den damals auf zehn Jahre angesetzten Ausbau der Museumsinsel filmisch zu begleiten. Der Sender fand die Idee zunächst so lala, stimmte aber zu. Und so rückten ab 2001 auch die Planungen für den Schlossplatz und die erst später hinzukonzipierte Idee zum Humboldt-Forum ins Visier.

Wedel interessiert sich als Museumsenthusiastin neben den architektonischen Planungen für das Haus vor allem für die Bestände des Ethnologischen und Asiatischen Museums, die ins Humboldt-Forum einziehen sollen. Gemeinsam mit den Direktoren der Häuser und Stiftungspräsident Hermann Parzinger reiste sie um die halbe Welt, nach Chile, Kanada, Kolumbien oder China, zu den Menschen, deren Vorfahren die Sammlungsobjekte einst gehörten.

Die Regisseurin reiste in die Herkunftsländer

Die Dreharbeiten entstanden in Kooperation mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Ganz unbefangen war Wedel vielleicht nicht. Dennoch wird in ihren Beiträgen, die 2008 mit dem Abriss des Palastes der Republik beginnen und mit dem erst kürzlich erfolgten Aufsetzen des Kreuzes auf die Kuppel enden, sehr deutlich, dass die Dringlichkeit, sich mit der kolonialen Vergangenheit der Sammlungsbestände auseinanderzusetzen, ständig zunimmt.

Wedel trifft die Kogi im Norden Kolumbiens, die die Masken ihrer Vorfahren dann auch in Berlin besuchen. Parzinger spricht viel von Zusammenarbeit, von Rückgabe redet er kaum. Da haben sich die Sprachregeln im Laufe der Zeit nicht geändert. Einer der Filme zeigt eine Momentaufnahme von 2013, ein Jahr, in dem die Planungen für die einzelnen Ausstellungsräume schon recht konkret sind.

Man sieht die Grundsteinlegung, die ohne Vertreter der indigenen Gruppen stattfindet, die Segnung nehmen ein katholischer und ein evangelischer Priester vor. Im dritten Film geht es um die uralten Wandmalereien aus buddhistischen Höhlen in Turfan, die im Humboldt-Forum mit Teilen der Original-Friese rekonstruiert werden sollen. 2017 folgte Wedel den Spuren Alexander und Wilhelm von Humboldts in Paris und im Baskenland.

Prägende Figuren kommen und gehen. Bénédict Savoy und David Blankenstein, die ihre – bis April laufende – Humboldt- Ausstellung im Deutschen Historischen Museum vorbereiten. Manfred Rettig, ehemals Vorstand der Stiftung Berliner Schloss, Wilhelm von Boddien vom Förderverein, der mit den Millionenspenden, die er eingesammelt hat, die Fassadenrekonstruktion maßgeblich zu verantworten hat, und Neil McGregor, der ehemalige Gründungsintendant, der ähnlich wie Bénédict Savoy nicht mehr viel zum Humboldt-Forum sagt. Teile des interessant gebündelten Feiertags-Fernsehfutters gibt es übrigens in den Mediatheken von ZDF und 3sat auch als kostenlose Streams.

 

Quelle: Der Tagesspiegel, 15.12.2020

 

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