Das Haus, das bis 2019 Unter den Linden stehen soll, trägt den offiziellen Namen Humboldtforum. Es wird die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, die Zentral- und Landesbibliothek sowie ein wissenschaftliches Schaufenster der Humboldt-Universität beherbergen. Der Clou: Umhüllt wird das Humboldtforum von der Fassade des Berliner Stadtschlosses, das die SED 1950 sprengen ließ. Dass der größte Barockbau nördlich der Alpen wiederentsteht, ist vor allem von Boddien zu verdanken. Vor 20 Jahren gründete er den Förderverein Berliner Schloss. 1993 erregte sein Anliegen erstmals Aufmerksamkeit, als er das Schloss auf Kunststoffplanen am alten Standort in Originalgröße aufstellen ließ.
Von Boddien entstammt einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht. An seinem Finger blinkt ein großer goldener Siegelring. Viele Jahre hat der 70-Jährige Landmaschinen verkauft. Nach dem Fall der Mauer beschloss er, Deutschland ein Schloss „zu verkaufen“. Damals habe sich kein Mensch für das Gebäude interessiert, sagt er. Dass sich am Ende sogar der Bundestag mit dem Berliner Schloss beschäftigte, gehe auf eine einfache Rechnung zurück: „Am Anfang gab es in der Bevölkerung fünf Prozent Schlossfreunde und fünf Prozent harte Gegner. Wenn wir von den 90 Prozent, die keine Meinung haben, mehr als die Hälfte gewinnen, können wir es schaffen.“ Er sei ein Marketing-Mann, sagt er. „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ Schon früh habe er auf die Mächtigen gesetzt, die Multiplikatoren, wie er sie nennt. Die Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse und Norbert Lammert, sogar den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte er bald auf seiner Seite. „Ich war die Spinne im Netz“, sagt von Boddien. Die Sticheleien der Gegner, die ihm Preußenverherr-lichung und Disneylandarchitektur vorwarfen, habe man „versucht zu schonen“. Von Boddien, der in Hamburg lebt, sagt das mit einer Mischung aus adligem Stolz und hanseatischer Gelassenheit. Er habe Verständnis für diejenigen, die den Palast der Republik stehen lassen wollten: „Deren Meinung ist nicht weniger wert als unsere. Wir müssen die Leute respektieren, die den Palast geliebt haben.“ Er selbst vermisst den DDR-Vorzeigebau nicht: „Der Palast war im Weg, er stand schlicht und einfach auf der falschen Seite der Spree.“ Dass das Schloss teilweise auf den Fundamenten des „Palastes“ entsteht, nennt er „eine schöne Ironie der Geschichte“.
Von Boddien zitiert den Publizisten und Verleger Wolf Jobst Siedler, der Anfang der Neunziger mit dem Essay „Das Schloss lag nicht in Berlin – Berlin war das Schloss“ den intellektuellen Boden für seine Arbeit bereitete. Nicht nur architektonisch, auch psychologisch sei der Bau wichtig. „Die Menschen in Berlin sind sehr individuell“, sagt der 70-Jährige. Jeder sei auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Es fehle der Bürger, der Citoyen, der an das große Ganze denkt. Das Schloss gebe Berlin die Ruhe zurück, die es durch Kriegszerstörungen und die Abrisswellen der Nachkriegszeit verloren habe. Beim Einwand, dass ein modernes Gebäude eine ähnliche Funktion übernehmen könnte, winkt er ab: „Es gab keine ernstzunehmenden Entwürfe.“ Renommierte Architekten wie Axel Schultes, der das Bundeskanzleramt entwarf, Meinhard von Gerkan, der Erschaffer des Berliner Hauptbahnhofs, und Norman Foster, der dem Reichstag eine moderne Kuppel gab, hätten mit ihren Ideen für den Schlossplatz völlig versagt, sich nahezu lächerlich gemacht. Nur das Schloss werde dem „politischsten Boden Berlins“ gerecht. Ohne das Schloss sei die Prachtstraße Unter den Linden „wie ein Witz ohne Pointe“.
Es sei die Leidenschaft, die ihn antreibt, für eines der größten und teuersten Bauprojekte des Landes zu kämpfen. „In Leidenschaft steckt auch das Wort Leiden.“ Und das habe er mehr als ein Mal über sich ergehen lassen müssen. Immer versuchten seine Gegner, ihn zu diskreditieren: als Schlossgespenst oder in der Liste der peinlichsten Berliner des Stadtmagazins Tip.
Einmal versuchte man von Boddien sogar den unsachgemäßen Umgang mit Spenden vorzuwerfen. Vor knapp vier Jahren war das, und es hätte ihn beinahe zum Aufgeben gebracht. „Ich wollte mir und meiner Familie das nicht mehr antun“, sagt er. Ein Anruf von einem langjährigen Weggefährten stimmte ihn um. „Der sagte zu mir: Wenn Sie jetzt aufhören, ist das wie ein Schuldeingeständnis. Ich erwarte, dass Sie durchhalten.“ Und er hielt durch, auch die Staatsanwälte konnten keine Unregelmäßigkeiten feststellen.
19,5 Millionen Euro sind bereits im Spendentopf, weitere 14 Millionen sind zugesagt. Im April gab ein anonymer Spender eine Million Euro für das historische Eckrondell an der Ostfassade – für von Boddien ein „unglaublicher Glücksmoment“. Dass er die nötigen 80 Millionen zusammenbekommt, steht für ihn außer Frage. „Bei der Frauenkirche in Dresden kamen zwei Drittel der Spenden im letzten Drittel der Bauzeit zusammen.“ Dass es für das Berliner Schloss bisher keinen Mäzen wie Hasso Plattner gibt, der, wenn es eng wird, mal eben ein paar Millionen überweist, stört ihn nicht. „Im Gegenteil“, sagt von Boddien, „so machen wir uns nicht gegenseitig Konkurrenz.“ Plattner sei ein „wunderbarer Mann“, schwärmt von Boddien. Dass das Potsdamer Schloss mit jedem Tag wächst, erfülle ihn mit Freude. Dass ausgerechnet die Erben der SED daran beteiligt sind, ist ihm eine Genugtuung. Auch wenn außer der Humboldtbox und einer großen Wiese noch nicht viel zu sehen ist, rückt das Schloss in greifbare Nähe. Unterirdisch bereiten Arbeiter die ersten Fundamente für das Schloss und die neue U-Bahn-Linie vor. Überirdisch steht seit Kurzem eine Musterfassade. Im kommenden Jahr soll der Grundstein gelegt werden, 2019 soll der 600-Millionen-Euro-Bau fertig sein.
Wenige Kilometer entfernt, in Spandau, entstehen derzeit die Schmuckelemente für das Schloss. Dort hat Ende September die Schlossbauhütte ihre Arbeit aufgenommen. Stefan Görlich, hauptamtlicher Mitarbeiter des Fördervereins, führt eine Gruppe von Touristen durch die früher von britischen Truppen genutzten Hallen, in denen nun regaleweise Adler, Säulenkapitelle, Rosetten und Löwenköpfe lagern. Ein Dutzend Bildhauer und Steinmetze schaffen in Handarbeit aus Ton und später Sandstein die vielen Details, die dem Schloss seine barocke Pracht geben sollen. Frank Kösler, Bildhauer aus Berlin-Spandau, macht gerade eine Silikonmatritze von einem Tonmodell des Pilasterkapitells am Portal V. Seit November hat er daran modelliert, musste immer wieder etwas verändern, weil es später in der Seitenansicht nicht dem Original entsprochen hätte. „Man lernt unheimlich viel von den alten Meistern. Ich verneige mich tief“, sagt Kösler.
Märkische Allgemeine, 22. 06.2012
Wünschenswert wäre,so viel wie möglich vom alten Schloß wiedererstehen zu lassen
Wünschenswert wäre,so viel wie möglich vom alten Schloß wiedererstehen zu lassen
Ich freue mich, wenn das Schloss in Berlin wieder errichtet wird. Für mich ist das die Erfüllung einer lang gehegten Sehnsucht.
Ich freue mich, wenn das Schloss in Berlin wieder errichtet wird. Für mich ist das die Erfüllung einer lang gehegten Sehnsucht.