Berliner Schlossplatz: Steine des Anstoßes

Berliner Schlossplatz: Steine des Anstoßes

Ein Projekt steht zur Debatte: Die Humboldt-Box auf dem Berliner Schlossplatz ist eröffnet.

Die Humboldt-Box auf dem Berliner Schlossplatz ist eröffnet, und man kann festhalten: Das von den Berliner Architekten Krüger, Schuberth und Vandreike entworfene Objekt ist nicht ganz so furchtbar geworden, wie angesichts des Rohbaus und der Werbeplakate vermutet werden musste. Zwar steht der Bau immer noch an der falschen Stelle, mitten in der Hauptachse Berlins hin zum Brandenburger Tor. Er ist auch viel zu groß geraten, überragt deutlich die Hauptgesimslinie des 1950 gesprengten Schlosses, statt dessen Proportionen aufzunehmen. Ihm fehlt die Leichtigkeit, die einst die Rote Box des Frankfurter Büros Schneider + Schumacher vorm Potsdamer Platz berühmt machte. Da Veranstaltungsräume untergebracht werden mussten, waren Fluchtreppenhäuser und massige Konstruktionen notwendig.

Und doch: Mit den vielen Fugen, der silbernen Haut, den schiefwinkligen Fensterluken und steifen Beinen hat dieser Bau tatsächlich etwas von einer geknickten und gefalteten Box: ein Verbrauchsprodukt, bis hin zum Abbruch. Statt den provisorischen Bau von vorneherein auf eine Nachnutzung hin zu planen, wird er entgegen allen Versprechen, einen auch ökologisch verantwortbaren Zukunftsbau zu errichten, irgendwann als schnöder Baumüll enden.

Bis dahin wird über die Humboldt-Box sicherlich wegen ihrer Gestalt, aber auch wegen der Ausstellungen darin heftig debattiert werden. Wenigstens hoffen das die künftigen Nutzer des Humboldt-Forums, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt-Universität und die Zentral- und Landesbibliothek. Der erste Stein des Anstoßes ist da schon die Präsentation des Schlossvereins von Wilhelm von Boddien im ersten Geschoss mit seinem großen, quietschbunten Stadtmodell, einigen Skulpturennachbauten, Tafeln zur Geschichte des Ortes sowie skandalös aufgemachten Informationen zum Neubauprojekt.

Die Präsentation der Fassadenfreunde setzt nur auf Oberflächenschönheit

Winzige, hoch an der Wand angebrachte Pläne und Animationszeichnungen werden überstrahlt von einem Videobildschirm, auch die Erläuterungen sind kaum zu lesen. Von Boddien verkündet nonchalant, irgendwann werde es auch einmal eine Mappe mit den Plänen des Neubaus geben, die könne man sich ja dann kaufen. Doch gut zu lesende und erklärte Zeichnungen und Modelle sind bei einem öffentlichen Bau keine freundliche Zutat, sondern die Grundlage für jede Debatte – und schon gar eine kritisch reflektierende.

Diese propagandistische, nur auf Oberflächenschönheit setzende Präsentation der Fassadenfreunde hingegen ist regelrechte Negativwerbung für das inzwischen – auch offiziell – auf wenigstens 600 Millionen Euro kalkulierte Museums- und Bibliotheksprojekt, das nicht nur außerhalb Berlins den Ruf genießt, preußensüchtige Geldverschwendung zu sein.

Nötig ist also eine Erklärung, warum das Humboldt-Forum aus kulturellen und nicht aus stadtbildpflegerischen Gründen entstehen soll. Dafür sind die Ausstellungen in den beiden anderen Geschossen vorgesehen. Die Staatlichen Museen bespielen das zweite Obergeschoss. Man erfährt in aktuell gerade modischem, weiß strahlendem Softedge-Design, wie moderne Ethnologische Museen inzwischen weltweit arbeiten, mit Schaudepots, in denen das sonst magazinierte Material gezeigt wird, mit Präsentationen, die aus der Zusammenarbeit mit den Völkern entstanden, von denen die Objekte kamen, mit kritischer Aufarbeitung der Kolonialzeit.

Manches ist modische Spielerei, etwa eine Medienstation, die erzählt, dass es einen internationalen Forschungsverbund zu den indianischen Kulturen der nordwestamerikanischen Küste gibt. Mehr allerdings erfährt man nicht, weder über die Institutionen, ihre Sammlungen, ihre Traditionen, ob die Völker Objekte zurückfordern. Da ist heute jedes Handy mit Internetzugang effizienter – und heiterer allemal die Präsentation der Musikabteilung, die ein regelrechter Töne-Spielplatz ist.

Dass hier auch noch Videos der Sonnenblumenkern-Installation Ai Weiweis zu sehen sind, bringt ein wenig selbstkritische Distanz in die Ausstellung: Der chinesische Künstler wurde verhaftet, unmittelbar nachdem die Staatlichen Museen mit ihren Partnern aus München und Dresden eine große Ausstellung zur Kunst der Aufklärung in Peking eröffnet hatten.

Im dritten Obergeschoss entdeckt man die indochinesischen Fresken aus Turfan und die Folgen der Jagd auf Frösche, die Modernität der chinesischen Volksmedizin, die kulturell bedingte Verbreitung der Zitrusfrüchte als Teil einer Forschungslandschaft. Doch gerade hier wird deutlich: Die Betreiber des Humboldt-Forums scheinen kaum zusammen zu arbeiten, nur nebeneinander. Scharf sind die Reviere abgegrenzt, selbst gegenseitige Leihgaben rar. Hier zeigt sich, welcher Fehler das Tortenbodenprinzip der aktuellen Planung ist, in der jedem Nutzer ein Geschoss zugeschrieben wird, in das man sich einkapseln kann.

Zentral- und Landesbibliothek sind im Humboldt-Forum überflüssig geworden

Und noch etwas zeigt diese Ausstellung in bestürzender Deutlichkeit: Es gibt nach all den Platzreduktionen keinerlei Notwendigkeit mehr, die nur noch mit 4000 Quadratmetern geplante Zweigstelle der Berliner Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) einzurichten. Solch wunderbare Leselounges für Kinder und Erwachsene mit netten Büchern und Computerbildschirm sollten doch in jedem einzelnen Museum stehen, nicht als ausweislich der Grundrisse extrem ineffiziente Extrabibliothek. Die ZLB ist im Humboldt-Forum überflüssig geworden, belegt Raum, der für andere Zwecke besser genutzt werden kann. Lieber sollte das Land Berlin das Geld nutzen, um den geplanten Neubau der ZLB auf dem Tempelhofer Feld zu unterstützen.

Frankfurter Rundschau am 1. Juli 2011, Text von Nikolaus Bernau

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