Berlin Letzte Hürde für Berliner Schloss
Berlin (dpa) – Über Kulturprojekte wird immer gern gestritten. Aber ein solches Wechselbad, wie es das Berliner Schloss seit Jahren erlebt, hat es wohl noch selten gegeben. Infolge der Sparbeschlüsse der Bundesregierung stand der Wiederaufbau der prächtigen Preußen-Residenz im vergangenen Jahr gar kurz vor dem Aus.
Am Mittwoch wollte der Haushaltsausschuss des Bundestags endgültig grünes Licht geben – trotz der Mehrkosten von 38 Millionen Euro. Der Baupreis beläuft sich damit jetzt insgesamt auf stolze 590 Millionen Euro. Und Kritiker fürchten, es könne noch längst nicht das Ende der Fahnenstange sein.
Dass in Zeiten klammer Kassen ein solches Mammutprojekt überhaupt Chancen hat, liegt an dem außergewöhnlichen Charakter des Vorhabens. Mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Mauer soll die «Wunde im Herzen der Stadt», wie Politiker den leeren Schlossplatz gern nennen, endlich geschlossen werden. Zudem sprechen viele Experten dem dort geplanten Kulturzentrum («Humboldt-Forum») in unmittelbarer Nachbarschaft zum Weltkulturerbe Museumsinsel internationale Strahlkraft zu.
Ob dafür das Wiederauferstehen alter monarchischer Pracht nötig ist oder ob ein moderner Zweckbau besser wäre – darum haben die Berliner jahrelang, jahrzehntelang erbittert gestritten. 2002 stellte der Bundestag mit überraschend klarer Mehrheit die Weichen: Beinahe Zweidrittel der Abgeordneten sprachen sich für die Rekonstruktion des 1950 von der DDR gesprengten Schlosses aus. 2007 folgte die Festlegung, den Baupreis auf 552 Millionen zu begrenzen.
Dass vier Jahre später 38 Millionen Euro Mehrkosten durchgehen sollen, wird mit einer komplizierten Rechnung begründet. Erst nach dem Entwurf des italienischen Architekten Franco Stella habe man das Projekt wirklich durchkalkulieren können, heißt es bei den Verantwortlichen. Dabei sei man auf eine Gesamtsumme von 590 Millionen Euro gekommen. Ziehe man davon die Preissteigerungen im Baugewerbe seit dem Bundestagsbeschluss von 2007 ab, ergebe sich eine Summe von knapp 549 Millionen Euro – also sogar noch weniger als die bewilligten 552 Millionen Euro.
Union und FDP heben diese Rechnung in ihrem Antrag zu den Unterlagen des Finanzministeriums nochmals ausdrücklich hervor. Zudem wollen sie die Bauherren verpflichten, die für unvorhersehbare Risiken eingeplanten 30 Millionen Euro nicht lautlos einzubuttern – das Geld wird deshalb vorerst gesperrt.
Gleichwohl sind schon jetzt neue Diskussionen zu erwarten. Die entschiedensten Befürworter der Schlossvariante wie etwa Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz wollten die Barockresidenz von Anfang an möglichst komplett wiedererstehen lassen – inklusive der historischen Kuppel und wertvoller Verzierungen an den Portalen. Dem wollen die Abgeordneten quer durch die Bank allerdings einen Riegel vorschieben. Die 28,5 Millionen Euro dafür müssten durch Spenden hereinkommen, sonst gibt es keine Extras, so der Beschluss.
Ob das allerdings gelingt, ist mehr als fraglich. Der Förderverein Berliner Schloss, der durch eine riesige Simulation der Hohenzollernresidenz auf dem Schlossplatz die Debatte einst ins Rollen gebracht hatte, konnte bisher erst 15 Millionen Euro Spenden sammeln. 80 Millionen sind aber schon als Beitrag zum 590-Millionen-Paket versprochen. 478 Millionen übernimmt der Bund, 32 Millionen soll das Land tragen.
Große Hoffnung der Spendensammler jetzt: Nimmt das Schloss nach all den Debatten erst einmal wirklich Gestalt an, wächst auch die Spendierfreude der Bürger. Vorsorglich haben die Förderfreunde in dem erst vergangene Woche eröffneten Info-Zentrum auf dem Schlossplatz einen Spendenautomat aufgestellt. Er spuckt die Quittung fürs Finanzamt auf Knopfdruck gleich aus.
www.zeit-online.de am 6.7.2011