11.06.2015 Rheinische Post
Zwei Jahre nach Grundsteinlegung feiert das Berliner Stadtschloss Richtfest. Gelegenheit für einen Blick hinter den Bauzaun.
Von Gregor Mayntz
Für Wilhelm von Boddien (73), den Initiator des Schloss-Wiederaufbaus, ist es „die Erfüllung einer Sehnsucht“, die „Wiedergutmachung an der Berliner Architektur“: Der Dom steht nicht mehr allein, das Zeughaus erscheint nicht mehr wie ein fremdelndes Relikt, sondern übernimmt wieder die Funktion eines natürlichen Beiwerkes. „Die Stadt stimmt wieder“, sagt Boddien. Doch damit das in diesem City-Quartier gelingen kann, müssen die Dimensionen schon gewaltig sein: 35 Meter hoch, 117 Meter breit, 184 Meter lang. Der Rohbau entspricht 400 Einfamilienhäusern – das ist fast eine kleine Stadt.
Entsprechend geschäftig geht es zu. Bevor die Promis am Freitag zum Richtfest kommen, wollen die Bauarbeiter und Handwerker noch ein gutes Stück weiter gekommen sein. Längst sind die künftigen Fassaden in Angriff genommen worden, entstehen die historischen Fenster, lässt sich schon gut erkennen, wie das Hohenzollernschloss mit den drei historisierenden und der einen modernen Seite im Innern funktionieren soll, wie durch das Humboldtforum das Leben der Kulturmetropole einen besonderen Akzent erhalten wird.
Es entsteht ein grundsätzlich offenes Schloss, denn vom Lustgarten im Norden wird man künftig rund um die Uhr nach Süden durch das Bauwerk hindurch schlendern können. In der Mitte geht es links in den imposanten Schlüterhof, in dem Kulturtouristen Gastronomie in imposanter Architektur geboten bekommen. In den Stockwerken darüber sollen Zeugnisse von Historie und Wissenschaft eine Heimat finden – hier schwächelt das Konzept noch. Denn die künftige Nutzung ist ständig mit neuen Vorschlägen verknüpft. Dass es etwas Ambitioniertes werden soll, haben Bund und Land jetzt mit der Berufung einer Gründungsintendanz unter Leitung von Neil McGregor signalisiert.
Jedenfalls ist dieser Großbau, im Gegenteil zum neuen Großflughafen BER, zu hundert Prozent im Zeitplan. Der Trick dabei? „Nichts ändern, Plan durchziehen, dann klappt es auch mit Brandschutz und Entrauchungsanlage“, weiß Stiftungs-Geschäftsführer Johannes Wien. Er hält dabei Skizzen in der Hand, um zu verdeutlichen, wie es hier in drei Jahren aussehen wird.
Historische Eingänge sollen anhand alter Fotos wiederhergestellt werden. Besonders wichtig: Portal Nummer vier zum Lustgarten hin. Durch dieses Portal rief Karl Liebknecht am 9. November 1918 die Republik aus. Weswegen das SED-Regime dieses Portal aus dem Schloss vor dessen Sprengung bergen und ins benachbarte Staatsratsgebäude einbauen ließ. Dieses Original haben die Schloss-Rekonstrukteure inzwischen Millimeter für Millimeter eingescannt und nachgebaut – freilich an einigen Stellen anhand historischer Fotografien überarbeitet. Was die Sozialisten wegließen, wie etwa den preußischen Adler, kommt im nun entstehenden Portal wieder vor. Schlossbaumeister Bertold Just preist dieses Portal daher als „originaler als das Original“.
Von Anfang an war der Wiederaufbau mit einem Schlossgespenst verbunden: dem Gespenst der Unfinanzierbarkeit. Der Bund hat seine Mittel auf 478 Millionen gedeckelt, das Land Berlin seinen Beitrag auf 32 Millionen. Boddins Förderverein sollte 80 Millionen Spenden akquirieren. Doch als bei 40 Millionen die Hälfte erreicht war, steckten sich die Schlossfreunde neue Ziele, wollten die Kuppel und weitere Originalfassaden gleich mit errichten. Dadurch erhöhte sich der Spendenbedarf auf 105 Millionen. Mit ungebrochener Begeisterung macht Boddin die Schlussrechnung auf: „Es müssen nur noch 125 000 Menschen im Schnitt 400 Euro spenden.“ Und sein Kalkül: „Das schaffen wir!“
Quelle: Rheinische Post, 11.06.2015