16.03.2016 Kulturradio rbb
Mit Liebe zum Detail wird die Barockfassade des Berliner Schlosses rekonstruiert, auf dem Dach des Neubaus soll es mal ganz anders zugehen. Hier sind Häppchen und Drinks in 30 Meter Höhe geplant. Eine Verschandelung der ganzen Pracht, finden die Kritiker. Goldrichtige Idee, meint Nikolaus Bernau.
Wer mitten in Berlin die Fassade eines Barockschlosses wieder aufbauen will, von dem sollte man nicht allzu viel Humor in Sachen Architektur verlangen. Es muss immer genau so aussehen wie auf den alten Fotos. Am besten mit Wachsoldaten und Pferdedroschken. Unvorstellbar ist es so manchem Freund des Berliner Schlosses, dass auf dem Dach dieser nachgebauten Kaiserresidenz nette Sonnenschirme wipfeln und Menschen heiter lachend einen Aperol oder Café trinken. Den dafür notwendigen modernen Cafépavillon könnte man ja aus der Ferne sehen, wird geklagt, etwa von der Schlossbrücke aus, und damit wäre der ganze historische Eindruck zerstört.
Idee ist goldrichtig
Stimmt. Und genau deswegen ist die Idee, die Dachflächen des Schlossnachbaus zu nutzen – und das auch zu zeigen – so goldrichtig. Hier entsteht schließlich ein modernes Museum, ein Kulturzentrum und kein Schloss. Das kann nach außen gar nicht sichtbar genug sein. Sonst suchen die Menschen hier noch den Kaiser und nicht die ethnologischen Sammlungen. Die Ostfassade mit ihren sturen Betonbalken kann man zwar von der Altberliner Seite aus zusammen mit den nachgebauten Schlossfassaden sehen. Wenn man aber von den Linden, vom Lustgarten und vom Schlossplatz aus auf das Humboldt-Forum blickt, dann fehlt solch ein Zeichen.
Der Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum fällt jetzt ihre eigene Propaganda vor die Füße. Sie hat nämlich immer wieder nur die Fassade zur Debatte angeboten. Aber das, was hinter den Fassaden architektonisch entsteht, war ihr anscheinend vollkommend unwichtig. Die Innenarchitektur des Schlosses ist von, freundlich gesagt, überwältigender künstlerischer Schlichtheit. Das gilt leider auch für das von Franco Stella entworfene Dachcafé, das aus der Ferne aussieht wie ein zu groß geratener Sicherungskasten. Das ändert aber nichts daran, dass die Idee eines solchen Dachcafés eine gute ist.
Hauptsache, es gibt ein Dachcafé!
Also, machen wir es doch einmal anders. Warum veranstalten wir künftig nicht jedes Jahr einen Nachwuchswettbewerb unter Architekten, Künstlern oder Designern für provisorische Cafe-Aufbauten auf der Schlossdach-Terrasse? Ganz ähnlich wie die Londoner Serpentine-Gallery, die seit Jahren Millionen von Menschen begeistert mit ihren immer neuen Pavillons. Die stehen einige Monate und werden dann wieder abgebaut. Das wäre ein gutes Vorbild für das Berliner Schloss. Eine jährlich zum Herbstbeginn wechselnde Caféhausarchitektur würde genau die ironische Offenheit für das Hier und Jetzt bringen, die der nachgebauten Schlossfassade bisher so sehr fehlt. Und bis dieser Traum Wirklichkeit wird, müssen wir uns eben begnügen mit einigen Sonnenschirmen. Hauptsache, es gibt ein Dachcafé.
Quelle: 16.03.2016, Kulturradio rbb