„Wann bleibt ein Geschenk ein Geschenk? Vorbereitung der Exponate fürs Humboldt Forum“

31.08.2016  Südwest Presse

2019 soll das Humboldt Forum im Berliner Schloss öffnen. Doch was wird in dem ambitionierten Kulturtempel zu sehen sein? Im Ethnologischen Museum laufen die Vorbereitungen für den Umzug.

Von Nada Weigelt

Vorsichtig hebt Leonie Gärtner die fragile Bastfigur aus der Vitrine. Der riesige Tellerhut und die kunstvollen Verzierungen am Flechtwerk müssen besonders behutsam behandelt werden. Im weißen Schutzanzug, eine Staubmaske vor Nase und Mund, untersucht die Restauratorin des Ethnologischen Museums Berlin die wertvolle Tanzmaske aus Papua Neuguinea. Das mehr als 100 Jahre alte Stück wird vermessen, akribisch fotografiert und auf seine Transportfähigkeit hin geprüft.

Leonie Gärtner bereitet mit ihrem Team die Südsee-Abteilung des Museums auf den Umzug ins rekonstruierte Berliner Schloss vor. Dort soll unter dem Namen Humboldt Forum von 2019 an ein Zentrum für Kunst und Kultur entstehen – mit der weltweit herausragenden völkerkundlichen Sammlung als besonderem Schwerpunkt. „Wir sind mit unseren Vorbereitungen schon sehr weit und liegen absolut im Zeitplan“, sagt Museumsdirektorin Viola König.

Seit Mitte Januar sind Teile ihres Hauses im beschaulichen Ortsteil Dahlem geschlossen, um das Mammutprojekt in die Praxis umsetzen. Bis zu 10.000 der mehr als 500.000 Stücke umfassenden Sammlung sollen in die Stadtmitte umziehen – jedes einzelne geht zuvor durch die Hände der Restauratoren.

Den vielleicht größten Aufwand erfordern die berühmten Südsee-Boote, die wichtigsten Publikumsmagnete des Hauses. Die historischen Segel- und Auslegerschiffe sind so groß, dass sie nicht durch normale Türen passen. In der Eingangshalle des neu entstehenden Schlosses bleibt deshalb vorerst ein riesiges Loch. Erst nach dem Einzug der Boote 2018 wird es geschlossen.

„Alle Objekte müssen gereinigt, entwest und für den Transport fertiggemacht werden“, sagt Depotverwalter Peter Jakob. Für die sogenannte Entwesung, also die Abtötung von möglichen Schädlingen, werden die Exponate je nach Beschaffenheit tiefgefroren oder mit Stickstoff behandelt. Parallel zur Aufarbeitung der Exponate läuft die inhaltliche Vorbereitung. Das Humboldt Forum, das bisher größte Kulturprojekt des Bundes in diesem Jahrhundert, ist nach dem Willen des Bundestags als „Ort der Weltkulturen“ geplant. Gegenüber der Museumsinsel soll sich Deutschland im Dialog mit der Welt präsentieren, so der hohe Anspruch.

Schon früh zeichnete sich ab, dass für die Museen der Umgang mit der Kolonialzeit eines der großen Themen sein wird. Viele Objekte in den Sammlungen stammen aus der Zeit, als bei der Kongokonferenz 1884/85 in Berlin die koloniale Aufteilung Afrikas ihren Abschluss fand. Die Initiative „No Humboldt 21“ kritisiert schon lange, der weitaus größte Teil der Exponate sei im Zusammenhang mit kolonialen Eroberungen nach Berlin gekommen, gehöre den Museen daher nicht rechtmäßig.

Die für die Museen verantwortliche Stiftung Preußischer Kulturbesitz setzt sich intensiv mit den Fragen auseinander. Im vergangenen Jahr legte sie einen Verhaltenskodex zum Umgang mit den außereuropäischen Sammlungen vor. Danach soll die Geschichte der ab 2019 im Humboldt Forum präsentierten Objekte vorrangig untersucht werden. „In Einzelfällen kann es auch geboten sein, Rückgaben zu vereinbaren“, heißt es in dem Papier.

Musterbeispiel für ein umstrittenes Stück ist der Perlenthron „Mandu Yenu“ aus dem Königreich Bamum im Grasland von Kamerun. König Njoya von Bamum hatte ihn 1908 nach einem gemeinsamen Feldzug mit den deutschen Truppen dem deutschen Kaiser Wilhelm II. zum Geburtstag geschenkt.

„Geschenk ist Geschenk, so könnte man meinen“, sagt Museumschefin König. „Aber die Diskussion ist tatsächlich viel komplexer. Man kann die Gabe des Throns auch als Ausdruck asymmetrischer Machtverhältnisse und als Symbol für die koloniale Unterdrückung Kameruns sehen. Genau solche Diskussionen wollen wir aufgreifen und anschaulich machen.“ Offizielle staatliche Rückgabeersuchen hat das Museum ihren Angaben zufolge bisher nicht.

 

Quelle: Südwest Presse, 31.08.2016

 

 

 

Ein Kommentar zu “„Wann bleibt ein Geschenk ein Geschenk? Vorbereitung der Exponate fürs Humboldt Forum“

  1. Wenn man zum Anfassen eines vor 100 Jahren erworbenen Museumobjektes aus Papua-Neuguinea heute Schutzanzug, Staubmaske u.a. benötigt, dann wäre dieses Objekt im Herkunftsland längst verschwunden. Ich habe selbst im Februar 1975 über zwei Wochen lang Papua-Neuguinea bereist – Sepik-Region, Mt. Hagen-Hochland, Küste usw. Jeder, der interessiert gewesen wäre hätte dort massenhaft Objekte aller Art, auch alte, für wenig Geld erwerben können, und die Menschen dort wären dafür sehr dankbar gewesen. Solche Objekte, auch damals korrekt durch den hiesigen Zoll gebracht  brachten eine Gefahr mit sich – nämlich der von Ungeziefer z.B.  im Inneren  von Holzfiguren. Ich habe meine – mittlerweile an Unbekannt verschenkte Figuren – jahrelang beobachtet und wegen Würmer bearbeitet, damit diese sich nicht meiner guten Möbel bemächtigen. Aber nach ein paar Jahren ist das vorbei. ——  Hierzulande sollte man endlich in dieser Thematik mehr Selbstvertrauen aufbringen und das Eigentumsrecht auch verteidigen. Die heutige deutsche Ängstlichkeit bestärkt geradezu die Ansprüche der mittlerweile sehr selbstbewusst gewordenen Völker mit allerlei Forderungen zu kommen. Man ermutige diese hierherzukommen und deutsche Objekte z.B. im Kunstbetrieb für ihre eigenen Museen zu erwerben, egal ob Dürer oder Beuys, z.B. erwerben Japaner Werke französischer Impressionisten. ——  Mit Redewendungen wie „asymmetrische Machtverhältnisse“ und „koloniale Unterdrückung“ stellt man hier die damalige Erwerbung der Objekte in Frage. So wird man morgen auch die heute erworbenen Objekte als zu Unrecht erworben hinstellen können. Die von hiesigen Politikern und Medien immer wieder „instrumentalisierte“ (deren Begriff) Kolonialzeit wird in den damaligen sog. Schutzgebieten vielfach anders gesehen. Mir sagte man in Papua-Neuguinea, man sei den damit ins Land gekommenen Missionaren sehr dankbar, da mit deren Wirken das furchtbare Morden zwischen Stämmen und Familien ein Ende fand. —– Auch bedenke man, das damals erworbene Objekte, vielfach als „primitive Kunst“ bezeichnet , damals wenig Wert hatten; erst Altwerden und heutige Begierde machen sie wertvoll. Das Ethnische Museum in Berlin hat von mir  vor langer Zeit im Südsee-Bereich erworbenes als Geschenk angenommen — damals billig, heute interessant??

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