Schön soll es sein, das „Schloss“ bzw. „Humboldtforum“. Das heißt vor allem möglichst unkompliziert, irgendwie vertraut und dabei noch repräsentativ. Unverfänglich soll es sein. Ohne Herausforderung, ohne Erschütterung, ohne Verwirrung und auf jeden Fall – ohne Zweifel. Ich will nichts sehen, was mehrdeutig sein könnte. Nichts, was mich zu einer Stellungnahme nötigt oder zur Selbstreflektion. Ich möchte etwas sehen, wovon ich schon vorher weiß, dass es schön ist. Etwas, bei dessen Anblick ich mich sicher und geborgen fühle. Ich will erleichtert aufatmen, wenn ich daran vorbeispaziere. Weil dieses Bauwerk dort – das „Schloss“ – mir keine Fragen stellt, die ich vielleicht nicht beantworten kann. Weil es mir eine Zeit wachruft, in der noch nicht alles relativ war, sondern ordentlich, übersichtlich und schön. Mein „Schloss“ will nichts von mir, außer beklatscht zu werden. Und das ist leicht. Denn es vermeidet alles, was Distanz erzeugen könnte. Es ist, wie ich gerne wäre: Es braucht keine unentdeckten Kontinente. Alles ist bekannt. Es will zuhause bleiben. Kein Wagnis, nur Gewissheit und Gemütlichkeit. Mein „Schloss“ ist immer vorzeigbar und gefällt jedem, der vorbeikommt. Ich muss es nicht rechtfertigen, denn es ist barock und barock darf man schließlich sein, ohne Verdacht auf sich zu ziehen. Mit meinem „Schloss“ wird mir die eigene Stadt zu Omas guter Stube.
Schön und behaglich, wie die eigenen vier Wände. Nur dass man da im allgemeinen ganz froh ist, das „Gelsenkirchener Barock“ und seine Varianten inzwischen mehr oder weniger losgeworden zu sein, und stattdessen ein eher „skandinavisch-modernes“ Ambiente bevorzugt: Gemütlich, aber ohne Pathos. Für die „gute Stube“ von früher ist natürlich schon lange kein Platz mehr. Schade! Denn offenbar will man doch nicht darauf verzichten und beansprucht nun öffentliche Räume als Erweiterung des privaten Wohnzimmers. Mit dem Unterschied, dass es hier bitte nicht modern zugehen soll, sondern lieber ein bisschen so „wie damals“ (Joghurt), als noch „Heuernte bei Oma Friederike“ war (Wurst) und „Onkel Mikaels Geburtstag“ gefeiert wurde (Backmischung). Das Konzept der Rekonstruktion zerstörter historischer Gebäude erlaubt es diesem Bedürfnis nach Gemütlichkeit und Pathos, sich durch große Gesten von kulturhistorischem Sachverstand („Ensemble wiederherstellen“) und gesteigertem Geschichtsbewusstsein („Wunden heilen“) zu tarnen. Die vorgeschobenen Argumente können zwar im einzelnen leicht widerlegt, noch leichter aber ständig wiederholt werden, und erhalten dadurch schließlich sogar den Anschein von allgemeiner Gültigkeit. Der Wunsch nach einer städtebaulichen „guten Stube“ mit Prunkmobiliar dominiert die Überlegungen rund um die zukünftige Gestaltung der Schlossfläche in einem solchen Ausmaß, dass die Fragen nach Funktion, Form und innerer Struktur des neuen Bauwerks praktisch zur Nebensache geworden sind. Und so bauen sich ab nächstem Jahr die Deutschen eben mitten auf die Berliner Museumsinsel das, was ihnen am meisten fehlt: Drei Fassaden, die ein Schloss simulieren, Vitrinen für die Preziosen und eine üppig gedeckte Kaffeetafel.
Richtig erkannt, Grumbkow! Ein schönes Stadtbild oder gar ein Stadtschloss sind viel zu Oma und Oma konnte ich auch noch nie leiden.
Behaglichkeit und Gemütlichkeit im öffentlichen Raum? Eine üppig gedeckte Kaffeetafel?
Seit es coffee-to-go gibt, habe ich ein wohliges Gefühl, wo auch immer ich mich in der Stadt aufhalte!
@Mike
😉