Heinrich Wulf

Heinrich Wulf – wie wir ihn alle kannten

Er war einer meiner ersten Informanten mit Nachrichten über die Sprengung des Schlosses. Ich lernte ihn unmittelbar nach der Wiedervereinigung kennen. Ein typisches Kriegsschicksal: 1945 kam er als
Soldat in russische Kriegsgefangenschaft und wurde 1949 entlassen. In Weimar begann er an der Bauhaus-Universität ein Studium als Bauingenieur. Technik fesselte ihn. Einen solchen Studienplatz zu bekommen, war ein großes Glück.

In Berlin wurde im Sommer 1950 von Walter Ulbricht die Sprengung des Schlosses verfügt. Kunsthistoriker und Städtebauer in aller Welt protestierten heftig gegen diesen barbarischen Akt. Um diese Proteste zu besänftigen, wurde der Dekan der kunsthistorischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin, Prof. Richard Hamann, aufgefordert, ein „Wissenschaftliches Aktiv“ mit Studenten unter der Leitung von Prof. Gerhard Strauß zu bilden, das eine ausführliche Dokumentation des Schlosses anlegen sollte. Ulbricht damals: „Der Lustgarten und das Gebiet der Schlossruine sollen zu einem machtvollen Demonstrationsplatz für die Berliner Bevölkerung werden!“

Hamann weigerte sich und protestierte heftig. So wurden Studenten der Kunstgeschichte unter Prof. Dr. Clasen aus Greifswald sowie Studenten der Architektur der Bauhaus- Universität in Weimar unter Prof. Dr. Weidhaas nach Berlin abkommandiert, diese Aufgabe zu übernehmen. Wer sich weigerte, wurde mit der Exmatrikulation bedroht. So kam Heinrich Wulf am 19. August nach Berlin und blieb bis Ende September. Dann wurde das Aktiv aufgelöst, dem man für die Dokumentation nur eine 8-Stundenschicht erlaubte, während die Sprengungen rund um die Uhr stattfanden. Das Schloss sollte bis zum Jahresende beseitigt sein, weil man bis zum 1. Mai 1951 die Tribüne und den Aufmarschplatz fertiggestellt haben wollte. Über diese Zeit hat Heinrich Wulf ein Tagebuch geführt. Hier Auszüge daraus: „Rabenschwarze“ Brandrede des Herrn Dr. Metz (Staatliche Museen): „Ein Schlag in die Fresse Berlins… wäre die Niederreißung des Schlosses. Unmöglichkeit der geplanten großen Platzgestaltung… Jedes Stück historischer Substanz müsse unbedingt erhalten werden (25.8.1950) …“

„Sprengung an Schloss-Apotheke! Prof. Clasen etwas wehmütig, mir geht’s beinahe auch so, denn die Apotheke war mir lieb geworden… Sprengung am Quergebäude. Es gießt, der Himmel weint. Weidhaas macht Spuk wegen Tischen (er ist wohl etwas nervös wegen der
Sprengungen (7.9.1950)…“

„Vermessung am Schlosshof, Portal VI, große Treppe, Eisenkonstruktion (9.9.1950)“.

„Mittags kommt Ministerpräsident Otto Grotewohl und drückt auch mir die Hand, Dr. Strauß und Dr. Kaiser dienern leicht. „Je eher die Ruine aus dem Herzen Berlins verschwindet, umso eher werden die Menschen glücklich sein.“

„Um 10.00 Uhr soll gesprengt werden, Flügel rechts neben Portal III. Leichte Verzögerung. Auch die Wandbespannungen werden heruntergerissen (für Sanssouci). Es ist nicht mehr gemütlich. Ich bin ziemlich hart gegen alle, aber relativ höflich.“ (13.9.1950)

„Prof. Weidhaas will am 26. September fertig sein, also im Rahmen zu beenden. Aber es tauchen Zweifel auf, ob, wegen der z. T. schlechten Grundrisse (18.9.1950)…“

Seit der Wiedervereinigung träumte Heinrich Wulf mit Leidenschaft vom Wiederaufbau seines Schlosses. Er litt sehr unter seiner damals erzwungenen Teilnahme bei den Sprengungen. Aber seine und die Arbeiten der Kommilitonen schufen eine der wichtigsten Grundlagen für den Wiederaufbau des Schlosses. Schwer krank sah er vom fernen Trier sich regelmäßig die Webcam an und freute sich am Aufwachsen des Rohbaus. Zu gern wäre er beim Richtfest dabei gewesen.

Heinrich Wulf starb im März im gesegneten Alter von fast 96 Jahren. Wir trauern. Wir haben einen unserer Besten – und einen Freund verloren. Er wird im Schloss ein ehrenvolles Gedenken finden.

Wilhelm von Boddien

Heinrich Wulf (Mitte) als Baustudent im Großen Schlosshof mit dem Leiter der Gruppe Architektur, Prof. Dr. Weidhaas, Weimar

Die Studenten des Wissenschaftlichen Aktivs in einem der unzerstört gebliebenen Räume der Wilhelmschen Wohnung im Nordwestflügel unter dem Weißen Saal. Während der Sprengungen erstellten die jungen Leute die Dokumentation, deren Details uns heute sehr bei der Rekonstruktion helfen. Ganz links: Heinrich Wulf. Prof. Dr. Clasen, rechts stehend, war der Leiter der Gruppe Kunstgeschichte.

2 Kommentare zu “Heinrich Wulf

  1. Im Datum zur Vermessung am Schlosshof scheint sich ein Tippfehler eingeschlichen zu haben. Viele Grüße in meine Heimatstadt und halten Sie durch!

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