An meine beiden Vorschreiber(Mannhart und Hensel):
Es geht eben NICHT um die „Rekonstruktion eines historischen Gebäudes“, sondern lediglich um die Rekonstruktion einiger Fassaden und Volumen.
Ich würde auch gern einmal die Begründung für Mannhart’s Aussage „der bedeutendste Barockbau nördlich der Alpen“ lesen. Denn mir fallen gleich mehrere Barockschlösser ein die min. ebenbürtig, wenn nicht sogar einflussreicher und bedeutender waren( siehe Schloss Versailles oder das Schloss vom Vaux le Vicomte). Das mindert natürlich nicht die Qualität des ehem. Berliner Stadtschlosses, Sie sollten nur Ihre Aussagen vorsichtiger formulieren oder begründen.
Ebenso sollten Sie nicht Reparatur und Wiederinstandsetzung mit Rekonstruktion verwechseln! Denn Rekonstruktionen geschehen zu einem Zeitpunkt wo eine Vergleichbarkeit mit dem Original nicht mehr gegeben ist, da dieses schon eine gewisse Zeit nicht mehr existiert.
Somit sollten Sie sich nichts vormachen und nicht vom Stadtschloss schreiben, denn dieses wird nicht mehr errichtet, es soll ein Humboldt-Forum entstehen. Auch die nach altem Vorbild, so originalgetreu wie möglich zu rekonstruierenden Fassadenteile werden immer Zeugnis unserer Zeit sein(was natürlich nicht schlimm ist) und dem Original niemals gleichen.
„Qualität an Material und Ausführung Wert gelegt“ – da hat sich über die Jahrhunderte wenig geändert, je nachdem wie viel der Bauherr bereit ist auszugeben, die Qualität bekommt er. Was wurde nicht auch am Berliner Stadtschloss „gepfuscht“ oder eingespart(auch da gab es billige Ecken).
„historische Bauwerke…stiften Identität“ – und „moderne“ nicht? Was ist mit dem Fernsehturm, Europacenter oder HdKdW(Schwangere Auster)?
Und zum Abschluss: „Sehnsucht vielleicht nachempfinden können…?“
Ja natürlich kann ich das, ich würde gern einmal durch das Berlin der 20iger spazieren, doch bin ich auch ganz zufrieden mit dem heutigen Berlin, was aufgrund seiner Narben (denn sind nicht Narben genauso identitätsstiftend? wie bei der Gedächtniskirche) und seiner jüngsten Geschichte doch so interessant ist.
Und außerdem darf man nicht vergessen, das vieles was uns von der Zeit vor 1945 erhalten ist nur in geschönter Weise vorliegt. Wir sehen Postkarten und Fotos, die uns die Gebäude von ihrer besten Seite zeigen. Was wir weniger sehen ist der bröckelnde Stuck oder billiger Putz, die verblichene Farbe oder vielleicht auch der Gestank. Daher ist es besser immer vorsichtig zu sein mit Bildern.
Wir sollten uns daher Gedanken machen, wie man diese Teilrekonstruktion glaubhaft den nachfolgenden Generationen präsentieren kann und wie auch die zukünftigen Nutzungen im Erscheinungsbild ihre Entsprechung finden.
Sehr geehrter Herr Hartmann,
der radikale Stadtumbau rund um den Alexanderplatz und die systematische Zerstörung der letzten Reste der Berliner Altstadt in den 60er Jahren durch die DDR-Planungsbehörden war zu keinem Zeitpunkt demokratisch legitimiert. Im Mittelpunkt dieser Stadtplanung stand nicht der Mensch, sondern die Ideologie. Ob diese Planung jemals identitätsstiftend war oder bis heute von der "Linkspartei" ideologisch verklärt wird ist eine offene Frage. Meiner Meinung nach werden diese tristen Orte eher ideologisch verklärt.
Ich bezog mich lediglich auf den Fernsehturm als starkes, identitätsstiftendes Symbol(nach dem Brandenburger Tor das 2. wichtigste Wahrzeichen Berlins). Die weitere Umgebung(bis auf einige Bauliche Ausnahmen) läßt sicher zu wünschen übrig.
Wie sie sicherlich wissen hat auch in der DDR in den späten 70iger Jahren ein gewisses Umdenken im Städtebau stadtgefunden. Zwar wurden auf dem Acker die großen Schlafsiedlungen errichtet, doch innerhalb der Stadt versuchte man, im Rahmen der Möglichkeiten, wieder zur Blockbebauung zurückzukehren. Auch das Nikoleiviertel zeugt von dem Versuch in Anlehnung an die Historie alte Stadtraumsituationen wiederherzustellen.
Herr Hartmann,
Sie fragen, was das Berliner Stadtschloß so bedeutend und einzigartig in Europa machte.
Das Stadtschloss wurde, wie Sie sicher wissen, nicht in Berlin gebaut, sondern Berlin um das Schloss herum! Mit dem Schlossbau wurde nämlich bereits 1443 unter Einbeziehung noch sehr viel älterer Teile (ein alter Turm, Grüner Hut genannt und ein spätgotischer Raum) begonnen! Das kann man vom Louvre in Paris und dem Buckinghampalast in London nicht behaupten, da sie verglichen mit dem Berliner Stadtschloss fast als Neubauten bezeichnet werden können.
Was dieses Bauwerk in Europa einzigartig machte, war das stilistisch außerordentlich reiche und mannigfaltige Innere des vier Höfe umschließenden ca. 200m langen, 120m breiten und 70m hohen Bauwerkes.
Das Berliner Schloß veranschaulichte in den ca. 1200 Sälen, Galerien und Zimmerfluchten bis 1945 lückenlos die Entwicklung der Raumkunst und Dekoration von der Spätgotik (bei den Abrissarbeiten entdeckte man 1950 einen bis dahin völlig unbekannten Raum mit einem kunstvollen gotischen Sterngewölbe), über die Renaissance, bis hin zum Historismus. Alle Stilrichtungen in diesem Zeitraum waren vertreten.
Kein anderes Schloss Europas besaß oder besitzt so viele architektonische Höhepunkte aus den verschiedensten Jahrhunderten. Vom Renaissancebau war die Erasmuskapelle mit einem sehr kunstvollen Rippengewölbe erhalten und aus der Bauperiode des großen Kurfürsten stammten einige Räume mit frühbarocken Dekorationen. Die von Schlüter ausgestatteten Wohn- und Festräume des zweiten Obergeschosses zählten zu den hervorragendsten Schöpfungen barocker europäischer Innendekoration der Zeit um 1700. An diese Räume schloss Eosanders 65 m lange und 10 m hohe Bildergalerie, welche eine außerordentlich prunkvolle, mit viel Gold geschmückte Decke besaß, an. Aus der Zeit Friedrichs II. blieb das Schreibzimmer, ein Hauptwerk des friderizianischen Rokoko, erhalten. Aus der Regierungsphase Friedrich Wilhelms II. stammten die 1787-1790 von Gontard und Erdmannsdorff gestalteten Königskammern, glänzende Zeugnisse des spätbarocken Klassizismus, sowie eine 1791 von Langhans d. Ä. ausgestattete Raumfolge mit dem wundervollen Pfeilersaal. Besonders bemerkenswert war auch die 1825 von Schinkel eingerichtete Wohnung mit dem eleganten Teesalon und dem Sternsaal.
Von den kunstvollen Zimmerfluchten aus der Gründerzeit möchte ich hier erst gar nicht anfangen.
Natürlich ist all die Pracht für immer verloren. An eine komplette Wiederherstellung, die in einem Zeitraum von ca 15 Jahren gut drei bis vier Milliarden EUR kosten würde ist nicht zu denken. Wir leben schließlich nicht in Polen.
In Deutschland wird das Geld für wichtigere Dinge ausgegeben z.B. für Auslandseinsätze oder die jährliche Steuerverschwendung, die in diesem Jahr glaube ich wieder bei weit über 30 Milliarden EUR lag.
Vielleicht sollten Sie meine Beiträge genauer lesen. Ich habe gefragt was das Berliner Stadtschloss als -"bedeutenste"- barockes Gebäude nördlich der Alpen heraushebt.
Ich habe klar geschrieben das ich seinen Wert nicht unterschätze und ich kenne die Artikel über die Schlossgeschichte.
Übrigens gehen die Ursprünge des Louvres auf das 12. Jahrhundert zurück, man kann heutzutage durch den ehemaligen Festungsgraben laufen(entlang der Fundamentmauern des ehem. Donjons) und kann sich den "Müll"(Keramik, Helme, Waffen etc.), der sich dort über hunderte von Jahren angesammelt hat, in Vitrinen bewundern.
….Übrigens gehen die Ursprünge des Louvres auf das 12. Jahrhundert zurück, man kann heutzutage durch den ehemaligen Festungsgraben laufen(entlang der Fundamentmauern des ehem. Donjons) und kann sich den "Müll"(Keramik, Helme, Waffen etc.), der sich dort über hunderte von Jahren angesammelt hat, in Vitrinen bewundern…..
Hallo,
Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, daß ein schmutziger Abwasserkanal oder ein Stück Mauer den Louvre kunsthistorisch in das 12. Jh. katapultiert, oder?
Wo sind im Louvre Räume aus der Spätgotik, oder bedeutende Gewölbe aus der Renaissance?
MfG Klüthenkötter
Das Prädikat ‚bedeutendster Barockbau nördlich der Alpen‘ stammt nicht von mir, sondern Experten für Kunst- und Kulturgeschichte haben es dem Berliner Stadtschloss verliehen.
Leider besteht unter deutschen Architekten und Stadtplanern bekanntermaßen immer die Tendenz, nur Louvre und Petersdom für erhaltenswert zu halten.
Die Haarspalterei, ob es um vollständige Rekonstruktion geht oder ‚lediglich‘ um Teilrekonstruktion dreier historischer Fassaden, finde ich wiederum typisch deutsch. Mit dieser Geisteshaltung hätten heute Warschau und Danzig – um nur zwei Beispiele zu nennen – weder historisches Schloss noch Altstadt. Es ging in den genannten Städten auch nicht darum, einen hehren Anpruch einer kompletten historischen Rekonstruktion umzusetzen, kurz nach 1945 hatte man verständlicherweise mit solchen Nebensächlichkeiten nichts am Hut, sondern ganz pragmatisch wollte man den völlig eingeebneten, historischen Innenstädten wieder ihre Seele zurückgeben, was auch gelungen ist. Bewohner wie Touristen interessiert es heute wenig, dass sie nicht durch vermeintlich originale, historische Bausubstanz wandeln. Es geht um optische Ästhetik und historische Identität.
Im übrigen ist die stete Scheu und Mutlosigkeit von Entscheidungsträgern in Gesetzgebung, Planung und Ausführung gegenüber ganzheitlicher Wiederherstellung historischer Bauwerke genau das Thema. Ein Großteil der Bevölkerung wünscht in Einzelfällen genau diese, die ideologisch verbrämten Ausführungsverantwortlichen missachten aber immer wieder diesen Wunsch.
Auch im Falle des Stadtschlosses geht es erstmal ’nur‘ um die Wiederherstellung der Ästhetik der äußeren historischen Hülle, die allerdings auch Kuppel und Ostfassade einschließen sollte.
Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig über detailgetreue, historische Ausstattung von Zimmerfluchten und Sälen zu diskutieren, um einen Wiederaufbau dadurch zu legitimieren. Das würde den Rahmen des Vorhabens ohnehin sprengen, rekonstruierwürdig sind auch nur bestimmte, herausragende Räumlichkeiten und bei der geplanten Errichtung des Humboldtforums soll meines Wissens zumindest eine Wahlmöglichkeit beibehalten werden, manche Fluchten historischer Räume inkl. Ausstattungen nach und nach durch kommende Generationen wieder einbauen zu lassen.
Auch den Schlossbefürwortern ist klar, dass im Schlossinneren – wenn überhaupt – nur vereinzelt und in späterer Zeit rekonstruiert werden kann, nicht zuletzt auch deswegen, da dem geplanten Nutzungskonzept, bspw. durch Dahlemer Sammlungen und evtl. Stadtbibliothek, entsprochen werden muss. Aber gerade eine moderne, zeitgemäße Nutzung in einem Bauwerk mit einer historischen Hülle wäre reizvoll.
Den Schlossbefürwortern geht es hauptsächlich um die Wiederherstellung des übernational bedeutenden, historisch gewachsenen, städtebaulichen Ensembles Museumsinsel – Dom – Stadtschloss – Zeughaus und östlicher Bereich von ‚Unter den Linden‘. Und zu diesem Zweck ist die Errichtung des geplanten Humboldtforums in der äußeren Gestalt des Hohenzollernschlosses unverzichtbar.
Ich wollte nur anmerken das die Ursprünge des Louvres noch weiter zurückliegen und das die Behauptung er hätte wenig mit der Stadtentwicklung von Paris zu tun, einfach falsch ist. Sicher hatte das Berliner Schloss einen größeren Einfluss auf Berlin, als der Louvre auf Paris(da dort der Einfluss der Römer nicht zu unterschätzen ist).
Aber vielleicht sollten wir die Debatte beenden welches Schloss, wieviel Bedeutung hatte, denn es reicht wenn wir uns einig sind, dass das Stadtschloss für Berlin wichtig war.
Die Frage lautet heute: Ist das Konzept Humboldt-Forum angemessen, oder enttäuscht es nicht beide Parteien(Schlossgegner und befürworter), wenn sogar Mitarbeiter des Fördervereins der Meinung sind, das über die Ausmaße des Inneren Flügels diskutiert werden kann und er, wenn Bedarf besteht eben den 2.Hof fast vollständig überbaut. Somit wäre eben die stückweise Wiederherstllung des, von vielen hier angestrebten, Zustandes vor 1945 nicht mehr ohne Teilabriss möglich.