Es ist vorbei

Hallo zusammen, nachdem ich in letzter Zeit sehr intensiv die hiesigen Beiträge als auch die zahlreichen Pressestimmen verfolgt habe, bin ich durch mehrere Vor-Ort-Besuche doch wieder zu der Überzeugung gekommen, dass nichts so beeindruckend ist wie die Realität.

Ich war am Wochenende nach 15 Jahren wieder zu einem der letzten öffentlichen Termine überhaupt im Palast der Republik. Bis dato hielt ich mich immer für einen gemäßigten Zweifler und Gegner dieser ideologisierten Gegenüberstellung von Palast und Schloss und argumentierte eher mit Themen wie Denkmalwert, Legitimität von Entscheidungen und Ansätzen wie „City Users“ und habe dabei stets versucht die Position der Schlossbefürworter zu verstehen. Nach diesem Besuch im PdR kann ich das nicht mehr. Beeindruckend war nicht nur das Haus und wie die Räume trotz des geschickt geförderten Verfalls die Ideen dahinter erkennen ließen. Es gab zudem unterschiedlichste Beiträge und Alternativen zum Umgang mit dem Areal fernab von purem Palasterhalt oder blinder Wiederaufbauwut zu sehen. Und es wurden Dokumentationen von – stellen Sie sich vor – Menschen und ihrem Bezug zum Palast vorgeführt. Völlig unüberspitzt und ideologiefrei schilderte Bauarbeiter, die ihn mitgebaut haben, ehemalige Angestellte, Techniker, Inspizienten, Abteilungsleiter genauso wie oppositionelle Ostpolitiker und Paare, die sich im Jugendtreff kennenlernten und später im Palast ihre Hochzeit feierten ihre Erlebnisse mit dem Haus. Haben Sie eine Ahnung wie lebendig dieses Haus war?! Alle Gezeigten beteuerten stets den Unterschied zwischen diesem ulkigen Staatsgerüst DDR und seinem „Repräsentationsgebäude PdR“ und den wirklich existenten Inanspruchnahmen des Gebäudes. Und das Tolle: diejenigen mit guten Erinnerungen an das Haus ließen nicht mal ansatzweise so etwas wie eine Anklage, dass „ihr“ Haus ein nun so unrühmliches Ende bevorsteht, durchklingen. Die Systemgegner hingegen plädierten stets für den Erhalt, weil er so etwas wie „Wirklichkeit“ des Lebens zu dieser Zeit abbildete.

Umso mehr finde ich es nun grundfalsch, dass diese Lebendigkeit und all diese Erinnerungen der (heute ja noch lebenden) Menschen so unehrenhaft und ohne Reflektion den Schlossträumen einiger gestriger weichen müssen. Und dass ich all diese Argumentationen von wegen „das ist ja demokratisch so entschieden worden“ und „in Umfragen sind ja total viele für das Schloss“ anzweifle wissen Sie ja schon – da steckt ne Menge Kalkül und vor allem viel Lobbyismus dahinter! Und warum haben dann Leute wie „egal“ oder ich nicht das Recht, dagegen etwas zu sagen, weil unsere Beiträge 15 Jahre zu spät kommen? Wenn ich von etwas überzeugt bin, dass es nicht richtig und geradezu ungerecht ist, habe ich Gott sei dank das Recht und sogar die Pflicht trotz einer „scheinbar erdrückenden Übermacht der Gegenposition“ dagegen anzugehen. So etwas bedeutet hochprojiziert das Recht auf Widerstand – wichtig vor allem gegen Diktaturen, und seien es auch „Geschmacksdiktaturen“, weil man ja Ihrer Meinung nach als normaler Mensch nur „für“ das Schloss sein kann.

Meine Heimat ist Potsdam und ich habe aufmerksam Ihre Auflistung der schönen Gebäude dort gelesen. In welcher Zeit leben Sie eigentlich? Auch ich bin ein Fan von Lené oder Persius aber ich verrate Ihnen auch, welcher mein Lieblingsort in Potsdam ist: die Nordostspitze der Freundschaftsinsel! In dem Wissen welche Kulturschätze von Weltrang um mich herum sind, in dem Gefühl wie nah ich der Geschichte bin genieße ich diesen Ort der Gegenwart. In unmittelbarer Nähe befinden sich sowohl der historische Kern der Stadt (den Touristen besuchen), Siedlungen der 70er Jahre genauso wie das gerade erst sanierte französische Viertel (wo Menschen wohnen) als auch das Verkehrszentrum um den Bahnhof (wo Menschen reisen und einkaufen) und das gerade im entstehen begriffene kulturelle Zentrum in der Schiffbauergasse (wo Menschen sowohl ins Hans-Otto-Theater gehen als auch alternative Kultur erleben). Und man sieht direkt auf Karl Försters Gärten aus den 20er Jahren, Anlagen der DDR (Spielplätze mit spielendenden Kindern und Bootsverleihe mit Jugendlichen), den neuen Gartenanlagen der BUGA 2001 (die Brücke über die Nuthe mit Lustwanldern drauf) und das tolle Feierabendheim in Form der ehemaligen Heilig-Geist-Kirche. Und mit all diesen Dingen um mich herum freue ich mich über diese Idylle unter der Trauerweide mitten in der Stadt und beobachte ein alte Dame im Rollstuhl aus dem besagten Feierabendheim wie sie mit einem Lächeln im Gesicht den spielenden Kindern zusieht. So etwas nennt man Leben!

Und dieses Wahrhaftige lässt mich daran zweifeln, was solche Vorhaben wie der Schlossaufbau und diese Diskussion hier eigentlich bringen sollen? Ehrlich gesagt halte ich mittlerweile einige von Ihnen für regelrecht arm. Sie mögen Geld und Erfahrungen haben, intelligent sein und können von vielen Reisen berichten und tolle Zitate anbringen und doch kann ich in kaum einem Ihrer Beiträge so etwas wie soziale Kompetenz oder emotionale Intelligenz erkennen. Stattdessen versuchen Sie sich krampfhaft an alten Gebäuden hochzuziehen. Soll das vielleicht irgendwas kompensieren?! Ich glaube einfach nicht, dass irgendein einfacher Mensch weder im alten Schloss noch im neuen „Luxushotel in Kammform an der Spree mit schlossähnlichem Anbau“ so etwas wie Glück oder Glückseligkeit empfunden hat / empfinden wird wie diese Situation auf der Potsdamer Freundschaftsinsel oder die Berichte der Liebespaare aus dem Palast der Republik. Und da ich daran nicht glaube und eben nicht den heiligen Gral in alten Barockhäusern vermute ist dies auch mein letzter Beitrag in diesem Forum. Ich kann für Sie nur hoffen, dass das ganze es wirklich wert ist – ich schau mir dann in dreißig Jahren einmal an, was draus geworden ist und werde mich sowohl an den Palast als auch dieses Forum hier erinnern.

Ich unterstelle Ihnen allen, dass Sie genau wussten, wer gerade mit meinen Vermutungen gemeint war. Herr v.E., Herr Wolff, Herr Weinke, mohr, Ein Gast, Herr S.(!!!) Hartmann und auch andere jedenfalls nicht – es hat mir echt Spaß gemacht mit Ihnen zu diskutieren. Bei den anderen verabschiede ich mich zu meiner naiven Suche nach dem Glück mit einem passenden Zitat des Wiener Humoristen Nestroy: „Was die Leute über mich denken werden? Nun gewiss nicht viel, das liegt aber schon daran, dass die denkenden Menschen die wenigsten sind!“

Liebe Grüße – Moses

6 Kommentare zu “Es ist vorbei

  1. Ouuuuuuhh..
    Seine durchfeuchtete Lordschaft hat einen Nachruf 1. Klasse vom Stapel gelassen.

    Wie erschütternd, daß diese monotonen braunen 70er Jahre Glasfassaden nun durch die einst so berühmten prachtvollen Schloßfassaden ersetzt werden!
    Das arme Berlin…..

    In tiefem Scham versunken Henschel

  2. Lieber Moses!

    Ich habe großen Respekt vor Ihrer Einstellung, die Sie mit diesem qualitätvollen Beitrag uns noch einmal eröffneten. Dafür bin ich Ihnen auch herzlich dankbar.

    Bitte verstehen Sie, dass wir genauso in Emotionen leben wie Sie. Was für Sie wichtig ist, respektieren wir. Bitte respektieren Sie das, was für uns wichtig ist, aber bitte ebenso. Niemand ist im Besitz der Wahrheit, jeder jedoch hat das Recht, seine Sicht der Dinge möglicherweise sogar für die Alleinseligmachende zu halten.

    Wir standen alle in einem nunmehr 15 jährigen Prozess zur Entscheidung über das, was am Schlossplatz richtig sei. Niemand hat es sich dabei leicht gemacht.

    Der Unterschied der Argumentation lag im wesentlichen im Städtebaulichen: Sie argumentierten ausschließlich gebäude- also palastbezogen und ignorierten die städtebauliche Katastrophe des Aufmarschplatzes. Wir argumentierten genau anders, nämlich aus den städtebaulichen Bezügen heraus und überzeugten eine große Mehrheit, nicht zuletzt in zwei unabhängig voneinander zusammengesetzten Bundestagen, dem 14. und dem 15. Den Wählern wäre es also möglich gewesen, die Entscheidung des 14.Bundestages zu korrigieren. Man tat es aber nicht, weil der Konsens parteiübergreifend war, einzigartig in der Geschichte des Parlamentes. Und selbst die PDS votierte 2002 für den Abriss des Palastes, wenn auch für das Humboldtforum in einem modernen Gewand.

    So sind die Würfel gefallen. Was Sie vortragen, sind zu resektierende Gründe, vornehmlich gespeist durch die persönlichen Erinnerungen vieler Palastliebhaber. Diese, aber auch Sie ganz persönlich, fordern wir auf:

    Wirken Sie mit an der Gestaltung des Humboldt-Forums,bringen Sie sich in die Debatte um die Inhalte ein. Stehen Sie nicht abseits, denn irgendwann werden auch Sie erkennen, das das Neue Schloss nicht gegen die Menschen, sondern für sie gebaut wird.

    Richard Schröder, der Vorsitzende der freigewählten SPD-Fraktion in der Volkskammer sagte: Wir müssen die Erinnerungen der Menschen, denen der Palast etwas bedeutete, respektieren. Aber schon die nächste Generation hat diese Erinnerungen nicht mehr und wundert sich nur noch über den deplazierten Kasten.Diese Argumentation sollten auch Sie bedenken, denn das Schlossareal wird für viele kommende Generationen umgestaltet.

    Bitte bringen Sie sich ein, gestalten Sie mit, Leute von Ihrer Nachdenklichkeit braucht der Prozess zur Gewinnung des Humboldt-Forums!Vielleicht treffen wir uns mal in Berlin oder Potsdam dazu, bitte mailen Sie mir doch hierzu Ihre Anschrift und Telefonnummer! Bin zur Zeit allerdings im Urlaub, aber Mitte September zurück. Vielen Dank!

  3. Auch ich sitze nun trüben Blickes auf des Daches Zinnen und werde mich demnächst hinabstürzen; was war ich doch für ein widerlicher Egomane, daß ich glaubte, für die Schönheit kämpfen zu dürfen, anstatt mich für die Wiederherstellung der Reichskanzlei, äh, upps, des PDR stark zu machen.
    Verpfuschtes Leben, ade, es hat keinen Sinn mehr, denn nun habe ich viele Moses‘ auf dem Gewissen und werde das nur durch mein Ende sühnen können.

  4. Lieber moses,

    das ist wirklich der falsche Weg. Bitte bleiben Sie uns doch im Forum erhalten. "Politik ist Kompromiß" erinnern Sie sich moses?

    Wir bräuchten hier keine Kompromisse mehr eingehen, wenn Sie fehlen, und dann würde uns etwas fehlen! Bleiben Sie unser "Gewissen", daß wir nicht zu sehr abheben.

    So, jetzt habe ich mich weit aus dem Fenster gelehnt, in der Hoffnung, daß Sie hier bleiben.

    Viele Grüße

  5. Moses!

    Dass darf ja wohl nicht wahr sein! Mensch Moses, Deine Beiträge waren doch wirklich immer interessant und man spürte bei Dir immer eine große Offenheit und Ehrlichkeit. Dass jemand sich mit den Dingen der Welt so intensiv auseinandersetzt, wie Du es machst, dass hat man heutzutage leider selten. Du bist ein guter Mensch, und auf welche zwischenmenschlichen Details Du achtest finde ich wirklich großartig – wie Du z.B. von der alten Dame im Rollstuhl schreibst, die sich am Kinderlachen erfreute.

    Ich kannte einmal zwei ähnliche Menschen, die vom Typ her wie Du waren. Auf der Höheren Handelsschule hatte ich einen Schulfreund der sich auch über viele Dinge interessante Gedanken gemacht hat, ebenso ein ehem. Azubi von mir. Ich mag diesen (seltenen) Menschenschlag sehr gerne, auch wenn ich meistens politisch oder gesellschaftlich anderer Meinung war/bin. Aber es heißt ja nicht, dass man nicht auch einmal auf den anderen meinungsmäßig zugehen könnte, genauso auch umgekehrt. Das Problem dieser Leute war jedoch immer, dass sie zwar gerne gegen den Strom schwammen, jedoch wenn größere Kritik bzw. Gegenargumente kamen, sie leider schnell einknickten. Das tat mir immer sehr leid, und ich habe dann versucht ihnen wieder Mut zuzusprechen. Doch hat es meistens leider nicht gefruchtet. Intelligente Menschen – wie Du es bist – braucht unser Land, ja braucht auch unser Forum!

    Lieber Moses, ich würde mich sehr freuen, Deine Beiträge auch weiterhin hier in diesem Forum lesen zu können.

    Und bedenke bitte noch eines: wir Schloßfreunde sind ja auch nicht unbedingt welche, die immer "mit den Wölfen heulen" bzw. "mit dem Strom schwimmen", denn wenn das so wäre, gäbe es keine 15-jährige Diskussion um das Schloß!

    Hoffentlich bis bald!

  6. Lieber Moses, Herr Weinke und Webmaster,seid vielmals bedankt für die seit langem fällige Anhebung des Niveaus der Beiträge.

    15 Jahre Arbeit, Mühe, Diskussionen scheinen sich endlich zu lohnen: das Ziel rückt näher und bald ist das Herz Berlins geheilt.

    Mit freundlichen Grüßen aus Karlsruhe mit seinem rekonstruiertem Schloß

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert