"Ein polemischer Gang durch Berlin", FAZ von heute, Seite R3 (Reisetal).
Köstlicher Querschlag durch den Berliner Alltag, die Architektonischen Errungenschaften der Stadt werden auch mit einem Seitenblick bedacht:
– Für den Besucher ist hier alles Ostblock. Der Trümmerklassizismus pompöser Alleen und der Brachfelder, die sich dazwischen aufreißen, bilden eine urbane Katastrophentextur. Die HÄuser strahlen eine düstere Entschlossenheit aus, sie sagen: so und nicht anders. Die Architektur widerlegt die frommen, demokratischen Lippenbekenntnisse aus dem Reichstag. Der Potsdamer Platz , eine konzertierte Aktion der am besten bezahlten Architekten der Welt, ist das schäbigste Potemkinsche Dorf auf Gottes verwüsteter Erde:
eine Apotheose der Traditionslosigkeit. Das Publikum, das dort herumstromert, ist wohl kaum jenes, das die Schöpfer sich vorgestellt haben. Und dann gibt es ja nicht weit davon den Palast der Republik. Das beste wäre, mit ihm auch den Berliner Dom abzureißen; das Spreeufer am Alten Museum würde seinen alten Charme zurückerhalten."
Nicht schlecht Herr Specht, der FAZ-Artikel trifft auf Berlin genau zu! Den Dom würde ich jedoch stehen lassen.
Ich hoffe, daß Sie diesen herrlich bissigen Artikel in ganzer Länge und nicht nur in meinen kurzen Auszügen genießen konnten.
Wie sah eigentlich der Vorgänger des Berliner Domes aus?
Vielleicht paßt der ja tatsächlich besser in das Ensemble, als der wilhelminische Prunk?
Ja, ich habe den Artikel in ganzer Länge genossen. Der Taxifahrer ist och jut und die U-Bahndurchsagen sind wirklich perfekt getroffen. Stellenweise ist er natürlich ein wenig übertrieben formuliert. Schön, daß man die FAZ im Internet lesen kann.
Der alte Dom schaut auf alten Bildern immer ein wenig langweilig aus. Was der jetzige Dom stellenweise zuviel an Prunk hat, hatte der alte zu wenig. Der alte Dom war halt eine gewöhnliche Kirche, ähnlich wie die Marienkirche in Neuruppin, klassizistisch-barock, allerdings mit Kuppel und größer. Er paßte sicherlich gut zur Alten Nationalgalerie und zum Alten Museum, doch zum Schloß paßt meiner Ansicht der heutige Dom besser, vor allem wegen seiner mächtigen Kuppel. Im Inneren gefällt er mir übrigens sehr gut, der heutige Dom, er ist zwar sehr prunkvoll, doch wirkt er im Gegensatz zu mancher süddeutschen Barockkirche nicht kitschig. Schließlich war er die Hauptkirche der evangelisch-unierten deutschen Staatskirche, die bis 1922 (!) existierte, und nicht zuletzt des Kaisers Hofkirche, da wird schon Prunk erlaubt sein. Einen ähnlichen Dom, wie den heutigen Berliner, findet man übrigens in Budapest. Im Inneren wirken die beiden Sakralbauten praktisch identisch, der Budapester katholisch und der Berliner evangelisch, da wo in Berlin Luther, Calvin, Zwingli und Melanchthon stehen, findet man in Budapest katholische Heilige bzw. Bischöfe. Beide Dome werden fälschlicherweise häufig als Neobarockkirchen bezeichnet, was jedoch nicht korrekt ist, sie sind im Stil der italienischen Neo-Hochrenaissance erbaut. Übrigens wurden viele Ausstattungsstücke der Vorgängerkirche übernommen, einige Objekte stammen übrigens von Andreas Schlüter!
Einige Objekte sind von mir, eijeijei, lange ist es her, man wird vergeßlich…
Aber im Ernst, der Innenraum ist prächtig und würdevoll. Es mag einige Jahre her sein, daß ich zum letzten Mal drinnen gewesen bin. Was mich besonders beeindruckt hat, waren die Aufseher, die z.B. einen äußerst korrekt gekleideten Herrn in meiner Nähe kurz ansprachen, weil der vergessen hatte, seinen Hut abzunehmen.
In den meisten Gotteshäusern, egal ob von Balthasar Neumann oder der Veitsdom in Prag, überall dürfen die Leute mit Badelatschen und nackten Stachelwaden hinein.
Der Berliner Dom ist wirklich eine würdevolle Kathedrale und man muß sagen, daß die Bauleute der DDR ihn wirklich mustergültig wiederaufgebaut haben. Gut, es fehlt der nördliche Kapellenkranz und die Kuppeln sind etwas kleiner als beim Original. Dennoch ist der Dom sehr gelungen wiederhergestellt. Wenn ich mir da die St. Hedwigskirche am Bebelplatz von Innen betrachte wird mir anders: 1960er Jahre pur!
Die Hedwigskirche sollte mit einem Warnschild versehen werden:
"Das Betreten kann Ihnen ein Schock versetze."
Habt ihr schon mal ein Orgelkonzert im Berliner Dom genossen?
Die große Sauerorgel (32 Fuß Orgel) ist die größte Orgel der Welt mit pneumatischer Traktur und hat einen wundervollen weichen und tiefen Klang. Kaum zu glauben, daß die längsten Pfeiffen über 10m lang sind.
Wenn man nur die Anzahl der Pfeiffen betrachten, ist seit einigen Jahren eigentlich die Passauer Domorgel die größte der Welt, was aber eigentlich nicht richtig ist.
In Passau wurden fünf kleinere (16 Fuß) Orgeln, die im ganzen Dom verteilt sind über eine elektrische Steuerung und Traktur miteinander verbunden, so daß sich alle von einem Spieltisch ansteuern lassen. Wegen der nur halb so großen Pfeiffen ist der Klang jedoch sehr hart und obertonreich.
Warum wurde die Kuppel des Domes beim Wiederaufbau äußerlich verändert? War das Original von 1905 nicht mehr rekonstruierbar?
Hallo Sebastian v.E.,
die Antwort warum die Kuppel nicht so wiederhergestellt wurde, wie sie ursprünglich war, ist ganz einfach: Wir sind in Deutschland! Hier wird eben nichts so wiederaufgebaut wie es war! Man soll ja unbedingt erkennen, daß der Dom bzw. andere wiederaufgebaute Gebäude einmal zerstört waren! Das ist ja schließlich ganz wichtig?!?!?!?!
Zum Beispiel auch Schloß Wilhelmshöhe in Kassel: hier wurde das Schloß zwar wiederaufgebaut, doch wurden die Fensterscheiben so unglücklich hereingesetzt, daß es von weitem aussieht, als wäre das Schloß nach wie vor eine ausgebrannte Ruine.
Hallo Sebastian v.E. und Füxlein,
ich glaube es gab noch einen weiteren, wichtigeren Grund: Die DDR hatte schon zum Zeitpunkt der Restaurierung schon wenig Geld, deswegen wählte man die schlichte Ausführung. Weiss denn aber jemand, ob die evangelisch-lutherische Landeskirche als Besitzer daran denkt, den Dom vollends zu rekonstruieren, oder will man ihn lassen wie er ist?
Die ev. Landeskirche wird kaum Geld und Interesse dafür aufbringen – außerdem wäre es lobenswerter, dann lieber Kies, Moos und Schotterchen in den Wiederaufbau der Garnisonskirche und die Inneneinrichtung der Elisabethkirche zu stecken.
An Füxlein:
Ja, da stimme ich ihnen voll und ganz zu – dieses ständige, fast penetrante Hinweisen auf alles Rekonstruierte und dessen neue Interpretation ist eher störend, statt anregend. Wobei es auch hier durchaus positive Beispiele gibt. Ich denke da vor allem an die Neue Kommandantur am Patz am Zeughause. Indes ist die moderne Architektur dort recht zurückhaltend, während sie beim Dom doch sehr dominant erscheint und sich mit der alten Bausubstanz beißt.
Gibt es denn auch einen Verein der sich für die Wiederherstellung der Kuppel einsetzt?
An Sebastian v.E.:
Ich wüßte nicht daß es einen Verein bzgl. der Kuppeln gibt. Viel wichtiger finde ich eigentlich die Wiederherstellung des nördlichen Kapellenkranzes, denn die Nordseite der Domkirche wirkt heute recht bescheiden. Dennoch sollte man wirklich erwähnen, daß sich die DDR mit der Wiederherstellung des Domes sehr bemüht hat. Gut, die historischen Kuppeln bzw. Laternen waren selbstverständlich passender.
Natürlich gibt es positive Beispiele bei Rekonstruktionen, auch in Deutschland, die Kommandantur ist meiner Meinung nach gut gelungen, sie wird sich der zukünftigen Architektur auf Friedrichswerder hervorragend anpassen. Daß Neuinterpretieren in alte Gebäude, wie Sie so schön schreiben, ist es, was einem Rekonstruktionen in Deutschland oft verleidet.
mehr zum Dom findet ihr hier:
http://www.berliner-dom.de/dom/htm/frame2.htm
richtig, das ganze nennt sich dann "kritische rekonstruktion"…..*kopfschüttel*
Der Gottesdienstplan des Berliner Domes ist schon beeindruckend. Er reicht schon von der Anzahl der Gottesdienste an katholische Kathedralen heran. Vielleicht ist Berlin ja doch nicht so gottlos wie es manchmal scheint.