In der Berliner Zeitung ist am 18.03.2023 dieser Beitrag erschienen:
Ostdeutsche Identität: „Wir haben uns oft zu schnell von Dingen aus der DDR getrennt“
Hartmut Dorgerloh, Intendant des Humboldt-Forums, sagt: Herkunft verbindet die Ostdeutschen. Trotzdem hat er seine manchmal verborgen.
Gestern Abend habe ich meinem Mann, der aus dem Westen kommt, von der Anfrage der Berliner Zeitung erzählt. Wir haben zweieinhalb Stunden darüber geredet und waren hinterher erstaunt, dass es immer noch so viel Diskussionsstoff gibt.
All die Fragen: Ist der Westen die Norm? Und wenn ja, was heißt das eigentlich? Und war der Regierungsumzug von Bonn nach Berlin wirklich das Einzige, was sich für die Westdeutschen verändert hat?
Hier im Humboldt-Forum bereiten wir gerade für das nächste Jahr ein großes Projekt zum Palast der Republik vor, mit Blick auf das kollektive Gedächtnis und auch auf die Frage: Ist der Osten eine Herkunftsgesellschaft? Ich würde diese Frage mit ja beantworten. Ich glaube, ihre Herkunft verbindet die Ostdeutschen, auch wenn diese Herkunft extrem divers gewesen ist.
Ich zum Beispiel komme aus einem Pastorenhaushalt, war gegen den Willen meiner Eltern in der FDJ und 18 Monate bei der NVA, weil ich studieren wollte. Meine Immatrikulation fand im Großen Saal des Palastes der Republik statt. Gelbe Polster, blaue Hemden. Nur eine versprengte Truppe trug kein Blauhemd, das waren wir, die Kunst- oder Theaterwissenschaften oder Theologie studierten.
Wenn ich im „Ostblock“, auch so eine Zuschreibung, unterwegs war, habe ich mich bemüht, kein DDR-Bürger zu sein. In Ungarn zum Beispiel habe ich keine Jesuslatschen getragen, weil man daran sofort erkannt wurde. Wenn jemand fragte, woher ich komme, sagte ich: aus Berlin, was auch heißen konnte: West-Berlin. Ich hatte das Gefühl, den falschen Ausweis und das falsche Geld zu haben und verständigte mich eher auf Englisch statt auf Russisch.
Gedient? Ja, aber in der NVA
Nach 1990 habe ich meine Herkunft nicht offensiv nach außen getragen, aber klar adressiert, habe gesagt: Ich komme aus Potsdam. Ich war ja in der Landesregierung in Brandenburg tätig, das Partnerland war NRW, und von den Westbeamten wurde das teilweise übersetzt mit: Nun Regieren Wir. Und da war es wichtig zu sagen: Nein, es gibt hier schon ein paar Leute, die aus dem Osten sind und schon mal in Neuruppin oder Finsterwalde waren.
Ich war Ende 20 und froh, dass ich als Referatsleiter im Kultur- und Wissenschaftsministerium akzeptiert wurde. Ich hatte ja keine Ahnung von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Steuerabzugsberechtigungen und solchen Sachen, die auch in der Denkmalpflege wichtig sind. Ich habe extrem viel schnell dazulernen müssen, und klar habe ich irgendwann so getan, als hätte ich das alles schon immer gewusst. Dadurch ist sicher manchmal der Eindruck entstanden, ich käme aus dem Westen.
Ich erinnere mich an einen Termin mit dem damaligen Innenminister Jörg Schönbohm, der machte so eine Bemerkung wie: „Wahrscheinlich hat ja hier keiner gedient.“ Und ich habe gesagt: „Doch, hab ich, aber in der NVA.“ Er guckte mich groß an, weil er damit gerechnet hatte, dass auf der Leitungsebene alle aus dem Westen kommen. Sowas hat mir mitunter sogar Spaß gemacht: zu sehen, wie Leute überlegt haben: Hab ich grad irgendwas Schlimmes über die Ossis gesagt?
Bei Gesprächen mit Denkmaleigentümern hat es oft geholfen zu signalisieren, dass ich auch aus dem Osten komme. Das hat Brücken gebaut, die andere nicht bauen konnten. Manchmal habe ich es verschwiegen, ganz bewusst, damit mein Gegenüber nicht merkt, woher ich komme. Adressatenbezogenes Kommunizieren – das lernte man übrigens schon früh in der DDR.
Über den Palast der Republik würde heute anders diskutiert
Ist es heute zu spät, über die Probleme und Ungerechtigkeiten zu sprechen, die viele Ostdeutsche erfahren mussten? Ich glaube, man kann da nichts mehr reparieren, wir müssen aber die Verletzungen bewusster wahrnehmen. Und mit Blick auf Mittel- und Osteuropa fragen: Was ist dort eigentlich passiert, in Polen oder der Tschechoslowakei? Die hatten keinen reichen Bruder aus dem Westen, es gab keinen so radikalen Elitenaustausch, und in Warschau steht noch der ungeliebte Kulturpalast aus Stalins Zeiten, hier der Palast der Republik aber nicht mehr.
Wir haben uns oft zu schnell von Dingen aus der DDR getrennt. Die Entscheidung gegen den Palast wurde zwar mehrheitlich getroffen, in einem demokratischen Verfahren, es würde heute aber sicher anders diskutiert werden. Es braucht eben einen gewissen zeitlichen Abstand zur vorherigen Generation und auch zu einem untergegangenen politischen System, um beurteilen zu können, was Bauten als historisches Dokument wert sind. Was erhalten blieb und was nicht, hing oft davon ab, ob Ostdeutsche maßgeblich darüber mitentscheiden konnten, was von dem von ihnen gekippten Staat weggeworfen wird.
Jetzt erleben wir ein Revival durch eine Generation, die die DDR gar nicht mehr erlebt hat, die sogenannte Ostmoderne. Und ich bin froh über das Museum für DDR-Alltagskultur in Eisenhüttenstadt, das Kunstarchiv Beeskow für Werke aus der DDR oder das Schloss Schönhausen in Pankow, wo wir all die verschiedenen Epochen, von preußischen Königinnen bis zu Honecker, erhalten haben. So kann man auch mit unserem gesamtdeutschen Erbe umgehen.
Hartmut Dorgerloh, geboren 1962 in Ost-Berlin, ist Generalintendant des Humboldt-Forums in Berlin.
Aufgezeichnet von Anja Reich
Quellen – Text: Berliner Zeitung, 18.03.2023, Foto: Förderverein Berliner Schloss e.V.
Warum kann die frühere, auf den Eisernen Vorhang zugeschnittene Teilung Deutschlands nicht langsam überwunden werden? Warum wird „ostdeutsch“ nicht geografisch, sondern immer noch politisch und auf die „sozialistische Kultur“ der Ex-DDR zugeschnitten? Nicht nur die älteren Ex-DDR-Staatsbürger, sondern auch die jüngeren nach der Wende in den neuen Bundesländern geborenen Bürger der Bundesrepublik werden damit weiter nolens volens in das soziale Erbe und das „Verlierertrauma“ der Ex-DDR-Bevölkerung zurück geschubst. Gleichzeitig wird so das Ossi-Wessi-Schema subtil weiter zelebriert.
Mir scheint, dass HF-Intendant Dorgerloh Gefallen daran findet, diese Wunde im Bewusstsein der Bevölkerung weiterhin zu pflegen. Warum?
SO und NUR SO ist es! Dies alles ist gewollt und hat Methode! Seit 33 Jahren wird das Zustandekommen einer wirklich homogenen Einheit „erfolgreich“ medial torpediert, wo es geht. Danach ist eine Begegnung im Fußball von Rostock und Magdeburg ein „Ostduell“ aber die Begegnung Rostock und Kiel natürlich ein „Ost/West“-Duell! Und die Leute finden es ganz normal und in Ordnung!
Die Ansichten und Argumente von Herrn Dorgerlohn sind in vieler Hinsicht schief und falsch.
Zum Beispiel sein Vergleich des Warschauer Kulturpalastes mit dem ehemaligen Palast der Pepublik:
Der Kulturpalast steht weit außerhalb der Warschauer Altstadt, die samt Königsschloß mit allen
Innenräumen historisch genau rekonstruiert wurde.
In Berlin stand der Palast der Republik mitten auf dem zentralsten Platz im historischen Zentrum !
Ich behaupte: Wäre der Palast der Republik in einem der Neubauviertel wie Hellerdorf-Marzahn gebaut
worden, er stände heute noch !
Für das Renommierprojekt „PdR“ ließ die sonst geldklamme SED die DDR-Altstädte verkommen und
bis zur Abrißrißreife verlottern. Die Potsdamer Altstadt war dafür bis zur Wende ein gutes Beispiel.
„Hier im Humboldt-Forum bereiten wir gerade für das nächste Jahr ein großes Projekt zum Palast der Republik vor.“
Na, da kommt der Herr Professor aber ins Schwärmen. Der Palast der Republik – den er so sehnlichst vermisst – entsteht wieder. Na ja, wenigstens in einer Ausstellung. Mich würde mal interessieren, wie viele ehemalige DDR-Bürger Erichs Lampenladen vermissen? Dieser Mann ist eine totale Fehlbesetzung in seiner jetzigen Funktion!
Aber in Berlin wundert mich nichts mehr! Inkompetenz, unfähiges Personal, unterirdische Lokalpolitik,usw.
Berlin, im Jahre des Herrn 2023.
„Manchmal habe ich es verschwiegen, ganz bewusst, damit mein Gegenüber nicht merkt, woher ich komme. Adressatenbezogenes Kommunizieren – das lernte man übrigens schon früh in der DDR.“
Mehr muss man über den Professor nicht wissen, nach der Wende hat er sich beflissen nach oben gedient durch adressatenbezogenes kommunizieren, und als dann R2G zum Zug kam und stramme Antifaschisten wie Lüscher, Lompscher und Lederer kulturell das Sagen hatten wechselte der Professor auch wieder die Tonlage und diente sich den Vorgesetzten als strammer Ossi an, dem die kulturelle Wahrung Ulbricht’scher Kulturgüter am Herzen lag. Warum lobt er nicht die Oper gegenüber oder Teile der Marx-Allee die noch von renommierten Architekten wie Friedrich Paulick, dem führenden Architekten der DDR, wiederaufgebaut wurden bevor proletarischer Armenhaus Brutalismus zur kulturellen Hochleistung stilisiert wurde?
Wenn ich den Beitrag von Herrn Prof. Hartmut Dorgerloh vom 18.03.2023 in der BZ lese, sträuben sich bei mir die Haare. Er hat offensichtlich seine Ostdeutsche Herkunft immer noch nicht verwunden, auch wenn er sie -wenn es zu seinem Vorteil war- zumindest verschwiegen hat, wie er selbst zugibt. Statt die alten Gräben zwischen Ost und West zuzuschütten, wie es wohl als Intendant des Humboldt-Forums seine Pflicht und Aufgabe sein sollte, reißt er sie immer wieder auf. Dem Palast der Republik trauert er wohl im besonderen nach und veranstaltet im Humboldt-Forum immer wieder Veranstaltungen mit Bezug zu Ostdeutschland. Ich zitiere wörtlich:
„Hier im Humboldt-Forum bereiten wir gerade für das nächste Jahr ein großes Projekt zum Palast der Republik vor, mit Blick auf das kollektive Gedächtnis und auch auf die Frage: Ist der Osten eine Herkunftsgesellschaft? Ich würde diese Frage mit ja beantworten. Ich glaube, ihre Herkunft verbindet die Ostdeutschen, auch wenn diese Herkunft extrem divers gewesen ist.“
Ist das die Aufgabe des Humboldt-Forums? Sind die ehemaligen DDR-Bürger ein eigenes Volk? Mehr als eine Generation nach der Wiedervereinigung sollte man die sicher entstandenen Wunden nicht immer wieder aufreißen. Wenn Herrn Dorgerloh aber so viel daran liegt, dann ist er als Intendant des Humbold-Forums sicher die falsche Person. Dann wäre er besser als Leiter eines DDR-Museums geeignet. Hinzu kommt, dass er -obwohl er mit dem Humboldt-Forum Gast in den Räumen des Berliner Schlosses ist- seinen Mitarbeitern, die auch Kontakt zu den Besuchern haben, untersagt, das Wort Schloss auch nur in den Mund zu nehmen. Damit diffamiert er bewußt die tausenden Förderer und Spender, ohne die es das Schloss und damit auch das Humbold-Forum in seiner jetzigen Form gar nicht geben würde.
Als Intendant des Humboldt-Forums sollte sich Herr Prof. Dorgerloh daran und an seine eigentliche Aufgabe erinnern und sein Verhalten entsprechend ändern. Sonst sollte er sich tatsächlich einen anderen Posten suchen.