„Stundenlange Kuppel-Show am Berliner Schloss“

30.05.2020 B.Z. Berlin

Von Hildburg Bruns

Würde Petrus sich zurückhalten, damit das Gotteskreuz sicher auf die Schlosskuppel schweben kann? Mit maximal 19 km/h durfte der Wind pusten.

Hunderte Schaulustige lauerten am Bauzaun, hockten entspannt auf dem Rasen des Schinkelplatzes. Viele hatten ihre Kameras für den großen Augenblick im Anschlag. Schwester Irmgard (77), eine Franziskanerin, blickte dankbar zum Himmel: „Das Schloss ist ein Gewinn für die Stadt.“

In mehreren Etappen war die künftige Spitze (Balustrade, Engel, Palmblätter, Kreuz) in den vergangenen Tagen mit einem Schwerlaster aus Weißensee Richtung Schlossplatz gerollt. Nachdem Freitagmorgen ein 500-Tonnen-Kran aufgebaut war, wurden die einzelnen Etagen übereinandergesetzt und mit 72 Schrauben verbunden – ein Statiker kontrollierte alles.

Der krönende Abschluss ist eine heikle Mission: Die Blicke der Männer in orangefarbenen Warnwesten wanderten immer wieder zu der Fahne auf dem Alten Museum vis-à-vis vom Lustgarten. Würde der Wind zu sehr auffrischen? Andere studierten die aktuelle Wetterlage auf dem Handy bei Windfinder.de.

Endlich sind die letzten Bleche montiert, die das Edelstahl-Gerippe der Konstruktion verdecken sollte. Um später auch Jahrhundertstürme zu bestehen, kann sie sich in Böen 1 bis 2 Zentimeter bewegen.

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Die Zuschauer klatschen, um die Bauleute an zu feuern. Die Sonne geht schon unter, als das erlösende Kommando per Walkie-Talkie an den Kranfahrer geht – mehr als sechs Stunden später als geplant.

UND HOCH! ES IST 21.02 UHR!

Rund 20 Minuten schweben Kreuz und Engel in der Luft, bis sie oben angekommen sind. Industriekletterer ergreifen das Führungsseil, drehen die Spitze in die richtige Position – LANDUNG! Jetzt heißt es wieder Schrauben festziehen. Dieses Mal 96. Die Krönung des Schlosses ist geschafft.

Während das Kreuz weithin golden glänzt, sind die acht Engel (je 2,30 Meter hoch) fast schwarz. „Das ist eine Brünierung, die die natürliche Patina vorweg nimmt. In wenigen Jahren würden sie ohnehin so aussehen“, sagt Werkstatt-Chef Stefan Fittkau (52).

Um so glänzender der Auftritt des Kreuzes: Insgesamt ein Pfund Blattgold wurde in 7,5 mal 7,5 kleinen Stückchen aufgetragen. Während CDU-Chef Kai Wegner (47) das Kreuz als „ein Symbol der Toleranz und eine Einladung zum Dialog der Weltkulturen“ begrüßte, trommelten besonders Linken-Politiker dagegen.

Kuppel und Kreuz wurden nicht aus Steuergeldern finanziert, sondern gesponsert. Für das Kreuz spendete Unternehmer-Witwe Maren Otto eine Million Euro, um an ihren verstorbenen Mann, Versandhauskönig Werner Otto, zu erinnern.

Das Geheimnis der Kupferkassette

Das Kreuz hat es in sich! Die Kugel am unteren Ende hat etwa einen Meter Durchmesser und wurde vor der Vergoldung mit einer Kupferkassette befüllt und verschweißt.

Irgendwann in ferner Zukunft, wenn eine Reparatur oder Auffrischung des Blattgolds ansteht, wird jemand den Inhalt vielleicht wieder ans Tageslicht befördern.

Nach B.Z.-Informationen sind es Unterlagen der Stiftung Humboldtforum und Zeichnungen des italienischen Architekt Franco Stella (77). Außerdem eine Zeitung mit aktuellen Artikeln zum Kriegsende vor 75 Jahren. Und das Extrablatt des Fördervereins von Schloss-Vorkämpfer Wilhelm von Boddien (78). Mehr als 100 Millionen Euro hat er mit seinen Mitstreitern für die historische Fassade gesammelt.

Was ihn empörte: „Trotz Nachfrage wurde ich von der Stiftung nicht aufgefordert, mir alles von der Baustelle aus anzusehen. Angeblich aus Sicherheitsgründen, dabei rannten da viele Leute herum.“ Trost: Er wurde in der Nachbarschaft von Anrainern zu einer Kuppel-Party geladen.

 

Quelle: B.Z. Berlin, 30.05.2020

Foto: Gritt Ockert Förderverein Berliner Schloss e.V.

4 Kommentare zu “„Stundenlange Kuppel-Show am Berliner Schloss“

  1. Daß Herr von Boddien als Initiator des ganzen Baus nicht eingeladen wurde, ist in der Tat ein Skandal. Wenn es nur um seinen Schutz gegangen wäre, hätte man ihm das vorher in einem Gespräch mitteilen können, so daß er selbst über seine Sicherheit hätte entscheiden können. Da man gerade jetzt noch sehen kann, wieviel Wut, Mißgunst und sogar Haß dem Schloßbau und dessen Unterstützern entgegenschlagen, kann man kaum an ein Versehen glauben. Aber es handelt sich bei den Schloßgegnern doch nur um eine wenn auch leider einflußreiche Minderheit, die zu spät kommt. Herzlichen Dank an Herrn von Boddien, der so vielen Menschen so viel Freude bereitet hat. Kommende Generationen von Nutznießern werden die heutigen Querelen gar nicht mehr verstehen, aber den Namen Boddien noch kennen.

    1. Lieber Wilhelm von Boddin, dafür hatten Sie ein exponierten Platz auf dem Balkon auf dem Portal IV des stadtschlosses. Es war schön das so viele mit Beifall den Aufstieg der Laterne mit Kreuz bekundeten. WK

  2. Ja, empörend, dass man Herrn von Boddien nicht erlaubt hatte das Schauspiel von der Baustelle aus zu betrachten. Das erinnert mich daran, als der französische Staatspräsident Macron sich mit Bundeskanzlerin Merkel in der großen Halle hinter Portal III traf, hatte man diverse Leute eingeladen dabei zu sein, aber Herrn von Boddien einfach vergessen!

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