„Die Mitte Berlins, ein weites Feld“

05.12.2019  Neues Deutschland

Stiftung Zukunft Berlin will »Ort der Demokratie« zum neuen Stadtzentrum entwickeln

Von Thomas Morgenstern

Was ist das Zentrum Berlins? Wer mit dem Auto von auswärts über den Berliner Ring (A10) kommt, wird entweder in die City-West oder in die City-Ost gelotst. Viele assoziieren damit den Alexanderplatz, den Fernsehturm und das Rote Rathaus, die Museumsinsel und die Straße Unter den Linden, die einst für das Zentrum der DDR-Hauptstadt standen.

»30 Jahre sind seit dem Mauerfall vergangen, und wir müssen heute konstatieren: Berlin hat seine Mitte immer noch nicht gefunden«, erklärte Stefan Richter, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Zukunft Berlin, am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Unter dem Motto »Neugestaltung der Berliner Mitte: historische Strukturen und Erinnerungsorte«, wollte die Stiftung ihre in den letzten Jahren gereiften Vorschläge und Ideen zur Entwicklung eines zentralen Ortes für Versammlung und Diskurs der Berliner Stadtgesellschaft vorstellen. Den Anlass dazu liefern aktuelle Debatten um die Ausgestaltung eines europaweiten Wettbewerbs zur zukünftigen Gestaltung des Freiraums am Rathaus und dem anschließenden Marx-Engels-Forum, den die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2020 ausloben will. Aktuell würden »mit unterschiedlichen Stakeholdern« Ideen und Anregungen zur Formulierung zusammengetragen und die verschiedenen Anforderungen an diesen Raum analysiert, so die Stiftung.

»Die Berliner haben ihre Mitte, ihr historisches Stadtzentrum nicht angenommen. Sie wurde nicht entwickelt in den letzten Jahrzehnten. Und was für uns am fatalsten ist, sie wurde inhaltlich nicht geprägt«, erläuterte Richter. Die Frage, welche Funktion diese Mitte eigentlich haben soll, sei bis heute nicht beantwortet. Andererseits würden vor Ort weiterhin neue Tatsachen geschaffen, die eine Gesamtentwicklung sehr massiv beeinflussen. Und er verwies unter anderem auf den Bau der U-Bahnlinie U5 und vor allem die Tram-Planung in der Rathausstraße. Der im kommenden Jahr anstehende Wettbewerb biete eine einmalige Chance, um genau das zu korrigieren. »Wir sind der Meinung, dass dieser Wettbewerb klare Vorgaben braucht«, betonte er.

Die in der Arbeitsgruppe Berliner Mitte versammelten Akteure stützen sich zum einem auf die nach einer ausgedehnten Stadtdebatte (»Alte Mitte, neue Liebe«) per Senatsbeschluss im März 2016 verabschiedeten zehn »Bürgerleitlinien für die Berliner Mitte«. Vor allem geht es dabei darum, mit dem Schwerpunkt vor dem Roten Rathaus einen weiträumigen »Ort der Demokratie« für die Berliner, für Versammlungen, Debatten, Beisammensein und vielfältige Veranstaltungen zu schaffen. Er umfasst das gesamte Areal zwischen dem Fernsehturm und der Spandauerstraße, das von der Rathausstraße einerseits und der Karl-Liebknecht-Straße andererseits flankiert wird. Zum anderen geht es darum, den Grünzug zwischen Spandauerstraße und dem Spree-Ufer mit Blick auf das anschließende Humboldt-Forum zu einem »Weltgarten« mit Pflanzen aus aller Welt zu gestalten. Er soll mit dem bestehenden Marx-Engels-Forum in einem Philosophenhain an die großen Traditionen der modernen Berliner Aufklärung erinnern.

Offenbar ist man in der Stiftung in Sorge, dass allein schon die Bürgerleitlinien von 2016 im derzeitigen Entwurf zur Ausschreibung nicht genügend Berücksichtigung finden. Zudem hat man in der Arbeitsgruppe einen deutlich weiter gefassten Begriff von dem, was die »Berliner Mitte« bedeuten sollte.

Urs Kohlbrenner, Stiftungsmitglied, Architekt und Stadtplaner, sprach denn auch vom »großen Feld in der Mitte Berlins«. »Dieses ›große Feld‹ ist einmalige Qualität und eine große Chance für die Zukunft, aber es erfüllt in keiner Weise die Anforderungen an einen öffentlichen Raum. Und es ist eine Barriere im historischen Stadtkörper«, sagte er. Kohlbrenner kritisierte, dass die bisherigen Planungen für das Areal die verschiedenen hier auffindbaren Schichten der Stadtgeschichte nicht sichtbar werden lassen, forderte, deren öffentliche Zugänglichkeit sicherzustellen. Auch müsse die Zugänglichkeit sich anschließender historischer Quartiere wie des Klosterviertels über die einstigen Rathauspassagen und des Hackeschen Marktes über die Karl-Liebknecht-Straße wiederherzustellen. Und er plädierte für die Verteidigung der bestehenden Sichtachsen zwischen Fernsehturm und Humboldt-Forum sowie zwischen Marienkirche und Rotem Rathaus. Nicht zuletzt aus diesem Grunde erneuerte er die in der Stiftung wiederholt geforderte Verlegung des »Neptunbrunnen« an seinen angestammten Platz vor dem Berliner Schloss. Dann wieder als »Schlossbrunnen« beeinträchtige er auch nicht den geplanten Debattenort.

Es geht darum, den »Ort der Demokratie« und damit die Mitte des historischen Berlins den Berlinern zurückzugeben und es zum wirklichen Zentrum der neuen Bundeshauptstadt zu machen. Dem schlossen sich auch der Historiker Wolf-Dieter Heilmeyer und die Journalistin Lea Rosh an.

Stefan Richter äußerte am Ende die Erwartung, dass die inhaltliche Prägung der Räume als »Ort der Demokratie« und »Weltgarten« in die Ausschreibung aufgenommen wird. »Wir wollen zudem, dass die Vernetzung mit den umliegenden Quartieren zwingend vorgeschrieben wird.«

 

Quelle: Neues Deutschland, 05.12.2019

 

9 Kommentare zu “„Die Mitte Berlins, ein weites Feld“

    1. „Die gemordete Stadt“ ! – Nirgendwo wird dies deutlicher, als zwischen Spree und Fernsehturm. Ideologisch geprägte (verblendete?) Stadtplaner verweigern dem Marien- und Heilig-Geist-Viertel die für die Urbanität dieses Stadtraumes so notwendige Wiederauferstehung !

  1. Die Stiftung liegt mit ihren Vorstellungen völlig richtig! Neptunbrunnen auf den Schloßplatz und Platz der Demokratie vor dem Rathaus her!

  2. Der Neptunbrunnen gehört wieder zum Schloss, da kommt er wieder zur Geltung und ergänzt das was mal war und wieder neu geschaffen wurde.

  3. Rerbaniesieren orientiert am historischen Stadtgrundriss. Was soll ein Weltgarten mit tropischen!! Gehölzen an Berlins urbanem Ursprung? Ein Platz der Demokratie kann nur durch Gebäude räumlich gefasst werden. Der Neue Markt muss wuederhergestellt, die Marienkirche umbaut werden. Leitbauten wie das Moses Mendelssohn Haus gehören an diesem Ort rekonstruiert.

  4. „Die gemordete Stadt“ ! – Nirgendwo wird dies deutlicher, als zwischen Spree und Fernsehturm. Ideologisch geprägte (verblendete?) Stadtplaner verweigern dem Marien- und Heilig-Geist-Viertel die für die Urbanität dieses Stadtraumes so notwendige Wiederauferstehung !

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