3. Februar 1945 – 3. Februar 2015: Vor 70 Jahren wurde das Berliner Schloss zerstört, es brannte vier Tage lang

Augenzeugenberichte über den schwersten alliierten Bombenangriff auf Berlin

Die zerstörte Mitte am Schinkelplatz, direkt an dem Spreekanal.
Die zerstörte Mitte am Schinkelplatz, direkt an dem Spreekanal.

Renate W. und Susanna H.
Wir Schwestern waren Anfang 1945 knapp 11 und 9 Jahre alt und lebten mit unseren Eltern in Danzig. Am 21. Januar 1945 begann für unsere Mutter und uns die Flucht mit einem der letzten Züge, die Danzig verließen.

Unser Endziel war Döbeln in Sachsen, wo eine Schwester unserer Mutter lebte. Wir unterbrachen die Fahrt zunächst für einige Tage in Berlin, wo eine weitere Schwester unserer Mutter mit ihrer Familie wohnte.

Für die Weiterfahrt aus Berlin hatte unser Vater von Danzig aus für uns und die Berliner Tante mit Ihrem neunjährigen Sohn eine Mitfahrgelegenheit auf einem Lkw organisiert, der Büromöbel einer Firma am Schinkelplatz – gegenüber vom Stadtschloss – nach Leipzig bringen sollte.

Zeitpunkt dieser Fahrt sollte der 3. Februar 1945 vormittags sein. Als wir zur vereinbarten Zeit um 10.00 Uhr am Schinkelplatz eintrafen, kam Fliegeralarm. Wir fanden Schutz im Luftschutzkeller des Bürohauses, vermutlich Schinkelplatz 1-2.

Mit uns saßen sehr viele Menschen in diesem Luftschutzkeller. Dieser, wie es heißt, schlimmste Bombenangriff auf Berlin war zugleich der erste, den wir erlebten. Wir kannten aus Danzig zwar Fliegeralarm, haben aber nie erlebt, dass etwas Ernsthaftes passierte.

Überlebensschächtelchen.
Überlebensschächtelchen.

Als dann die ersten Bomben auch in dieses Haus einschlugen, wurde uns völlig verängstigten Kindern erklärt, dass nur die eisernen Luftschutztüren zufielen!

Wir können uns nicht daran erinnern, wie lange der Angriff dauerte, meinen aber, sehr lange in dem Keller gesessen zu haben. Unsere Berliner Tante, die natürlich solche Situationen kannte, hatte ein „Überlebensschächtelchen“ in der Tasche: Kandiszucker und Kaffeebohnen.

Als wir endlich den Keller des bis zum ersten Stock herab brennenden Hauses nicht nur lebend, sondern auch unverletzt verlassen konnten, was uns wie ein Wunder vorkam, sahen wir ringsherum ein entsetzliches Feuermeer. Außerdem war es dunkel wie am Abend. Mindestens wir Kinder hatten von  unseren Müttern nasse Chiffontücher gegen den Funkenflug vor die Gesichter gebunden bekommen.

Vom Schloss sah man nach unserer Erinnerung nur die Außenwände, leere Fensterhöhlen und innen ein einziges Flammenmeer. Auch sonst brannte ringsherum alles. Es herrschte in der engen Gasse, durch die wir uns nun kämpften, ein starker Sturm.

Und nun erlebten wir ein weiteres  Wunder: der Lkw stand unversehrt an der Rückseite der Häuserzeile am Schinkelplatz zur Abfahrt bereit. Wir bestiegen den offenen, mit Büromöbeln beladenen Lkw und saßen mit dem Blick nach hinten auf einer Bank.82_Berliner_Extrablatt_gesamt_Seite_21_Bild_0001

So ging es „Unter den Linden“ entlang durch das Brandenburger Tor, immer mit Blick auf das brennende Schloss, ein Anblick, den wir bis heute nicht vergessen haben. Die Fahrt ging über die Autobahn nach Leipzig, wo uns der Fahrer am  total zerbombten Hauptbahnhof absetzte.

Seit Oktober 1945 lebten wir in Berlin. An die Sprengung 1950 können wir uns persönlich nicht erinnern,  da wir zu der Zeit im Bezirk Zehlendorf gewohnt haben und uns unsere Mutter nie in den Ostsektor fahren ließ.

Seit dem 3. Februar 1990, also nach dem Fall der Mauer, suchen wir regelmäßig nach den Spuren dieses Erlebnisses und freuen uns über das langsame Wiedererstehen des Schinkelplatzes und des Berliner Schlosses.

82_Berliner_Extrablatt_gesamt_Seite_21_Bild_0002Der Berliner Verein „Forum Stadtbild Berlin“ suchte im Jahr 2003 nach noch lebenden Zeitzeugen des Bombenangriffs auf das Berliner Schloss. Am 3. Februar erschienen mehr Zeitzeugen als erwartet. Hier stellen wir Ihnen ihre Geschichte anonymisiert und in kurzer Form vor:

Frau Ingrid K., im Jahr 2003 81 Jahre alt,
arbeitete von 1942 bis 45 für das Kaiser-Wilhelm-Institut, juristische Abteilung, im Schloss. Dort arbeiteten auch die Grafen Stauffenberg, der Bruder des Hitler-Attentäters, und Moltke. Täglich wurden hier z.B. die Prawda – von russischen Exilanten – und die Times und die New York Times ausgewertet. Als der Angriff begann, brachte sie sich im Schlosskeller, Lustgartenseite, in Sicherheit. Sie wusste, dass die Mauern über 2,50 Meterstark waren. Dann wollte sie in den Lustgarten flüchten. Doch dort brannte es. Auch der Dom stand in Flammen. So floh sie über den brennenden Schlüterhof in die Breite Straße. Frau Brigitte T, 86 Jahre, erlebte den großen Angriff am 3. Februar am Gleisdreieck. Zu Fuß lief sie danach quer durch das gigantische Trümmermeer, kam gegen 16.00 Uhr am Schloss vorbei, auf  ihrem Weg nach Weißensee. Das Schloss brannte im Innern lichterloh. Die Fenster in der dunklen Fassade waren rot vom Feuerschein, Flammen schlugen aus dem Dach und überall gingen Blindgänger hoch. Niemand hat versucht zu löschen, nirgendwo sah man Feuerwehrleute. Doch am Alexanderplatz, hier waren keine Bomben gefallen, fuhr schon wieder die Straßenbahn.

Frau Brigitte T, 86 Jahre,
erlebte den großen Angriff am 3. Februar am Gleisdreieck. Zu Fuß lief sie danach quer durch das gigantische Trümmermeer, kam gegen 16.00 Uhr am Schloss vorbei, auf  ihrem Weg nach Weißensee. Das Schloss brannte im Innern lichterloh. Die Fenster in der dunklen Fassade waren rot vom Feuerschein, Flammen schlugen aus dem Dach und überall gingen Blindgänger hoch. Niemand hat versucht zu löschen, nirgendwo sah man Feuerwehrleute. Doch am Alexanderplatz, hier waren keine Bomben gefallen, fuhr schon wieder die Straßenbahn.

82_Berliner_Extrablatt_gesamt_Seite_21_Bild_0003Frau Jutta P., 74 Jahre
Im Endkampf um Berlin war sie als Helferin (HJ-Mädchen) im Roten Rathaus eingesetzt, hatte ständig das Schloss im Blick, lief jeden Tag daran vorbei. Vor der Humboldt-Universität erfuhr sie vom Tode Hitlers. Sie machte sich sofort mit ihren Freundinnen auf den Weg nach Hause. Auf der Weidendamm-Brücke wurden sie von einer Granate getroffen. Einige waren  tot, ihre beste Freundin hatte 36 Splitter in den Beinen. Später wurde sie als Spionin vom NKWD inhaftiert.

Erich und Josepha W., 91 Jahre
Kammersänger W., stand seit den 20er Jahren auf Berliner Bühnen. Seine Frau war Tänzerin. Von 1941 bis zum 20. Mai 1944 probte er im Schloss. An diesem Tag beendete der erste Treffer des Schlosses im Krieg seine Proben für Romeo & Julia. Beide saßen während schwerer Angriffe im Luftschutzkeller im Marstall.

Wolfgang S., 73 Jahre,
hat seit 1934 im Fischerkiez, Schornsteinfegergasse, gewohnt. Diese Gegend und auch die offenen  Schlosshöfe waren sein Spielplatz. Im Keller des Elternhauses hatte seine Familie einen Bunker eingerichtet. Am 2. Februar kam er aus Ostpreußen von der Kinderlandverschickung zurück. Das Prozedere bei einem Fliegeralarm wurde für ihn ab dem 3. Februar Routine.

Doris D., 83 Jahre
Von 1934 bis 1937 führte ihr Schulweg am Schloss vorbei. Im Schlüterhof hat sie die Aufnahmen zum Film ,,Andreas Schlüter“ erlebt. An dem Schinkelplatz gab es eine rote Grani bank, die wurde Flüsterbank genannt. (Diese Bank ist wieder da und man kann wieder von einem zum anderen Ende hören, wenn jemand flüstert,. Die Red.) Sie wohnte dann in der Wallstraße, wo sie 1943 ausgebombt wurde. Ihr Stiefvater war im Schloss stationiert (Luftschutz) und brachte sie dort unter. Neugierig öffnete sie nachts eine Tür hinter ihrem Lager und stand auf einmal in einem großen Saal.

Helga L., 64 Jahre
Sie wuchs in der Breite Straße 5 auf. Beim Verlassen des Hauses schaute sie immer nach links auf den  Schlossplatz. In ihrem Wohnhaus  wurde eine jüdische Näherin verborgen, die ihr Kleidchen nähte. Bei Dunkelheit war sie auf der Kurfürstenbrücke und im Wasser spiegelten sich die Lichter des Schlosses.Sie fragte, warum das Wasser so hell sei und ihr Vater antwortete: „Damit die Fische sehen können.“ Am 3. Februar 1945, sie war sieben Jahre alt, flüchtete sie vor den Bomben mit ihren Eltern in die Kellergewölbe des Marstalls. Hier wurde ihre Mutter von einem herabstürzenden Türrahmen am Hinterkopf verletzt. Der Vater zerriss sein Hemd, verband die Mutter und brachte sie ins Notlazarett im Keller des Schlosses. Auf dem Weg dahin sah sie das Schloss in Flammen stehen.

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Ralph Z., 73 Jahre
Herr Z. war Lehrling bei einer Spedition an der Holzmarktstraße. Am 3. Februar und dem darauf folgenden Sonntag erlebte er die Zerstörung des Firmengeländes. Da sie als kriegswichtig galt, erhielt die Firma einen Saal des Schlosses im Hochparterre, links vom Portal I,  als ,,Großraumbüro“. Zu diesem Zweck wurde der Saal mit Sperrholzplatten unterteilt. Bis zum Beginn des Artilleriebeschusses am 21. April arbeitete er dort. Dann wurde der Saal au gegeben und später geplündert.

Ingeborg H., 72 Jahre
Frau H. erinnert sich noch gut an das Schloss, seine Prunksäle, die Schlossküche. Am 3. Februar fand sie Zuflucht im Keller der Bötzow-Brauerei. Friedrichshain wurde nicht getroffen. Doch der Himmel im Westen war rot vom Feuerschein und voller Rauch. Das Schloss brannte tagelang und als sie am Alexanderplatz einen Zug verpasste, nutze sie die Zeit. Mit ihrer Mutter ging sie die Königstraße runter und über die Kurfürstenbrücke: Das Feuer arbeitete sich langsam durch das große Gebäude. Die Feuerwehr hatte den Schlossplatz abgesperrt, doch Rettungsversuche gab es keine.
Auch die Bauakademie brannte noch.

82_Berliner_Extrablatt_gesamt_Seite_22_Bild_0001Horst B., 77 Jahre
Herr B. wurde in der Brüderstraße am 24. April 1945 verwundet und kam zunächst ins Rote Rathaus. Dies lag unter starkem Artilleriebeschuss – stärker als das Schloss. Er wurde deswegen am 26. April zum ,,Hauptverbandsplatz“ im Schlosskeller, Schlossplatzflügel, gebracht.  Dies geschah auch unter Beschuss und am Neptunbrunnen mussten sie Leichen wegräumen, um weiter fahren zu können. Das Lazarett im Keller war schrecklich. Das Schloss stand weiter stark unter Beschuss. Er bekam nur eine Tetanusspritze und musste wieder raus. Herr B. hat damals ein Tagebuch geführt.

Herbert P., 73 Jahre
Als Kind wurde er 1943 durch die Kinderlandverschickung nach Ostpreußen evakuiert. Von dort floh er nach Berlin, wo er am 2. Februar 1945 zu Hause eintraf. Einen Tag später wurde auch er ausgebombt und überlebte in einem Luftschutzbunker am Gesundbrunnen.
Herr P. sagt: ,,Es war ein klarer, kalter und sonniger Tag. Nach dem Angriff war der Himmel grau und es regnete Asche.“

Gerhard G., 69 Jahre
Herr G. erlebte den Angriff in einem Luftschutzbunker in Tiergarten. Dort gab es sehr viele Tote. 175 Menschen wurden in einem Bunker, über den eine Feuersbrunst hinweg zog, verschüttet. Als die Leichen geborgen wurden, waren alle durch die Hitze geschrumpft. Sein Bruder sammelte mit einem Wagen Leichen in den Straßen ein.

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17 Kommentare zu “3. Februar 1945 – 3. Februar 2015: Vor 70 Jahren wurde das Berliner Schloss zerstört, es brannte vier Tage lang

  1. Genau genommen wurde es 1945 beschädigt, nicht einmal so stark wie das Schloss Charlottenburg, das heute wieder in alter Pracht erstrahlt.

  2. Jede Bombe, die ab Januar 1945 gefallen ist, war eine zuviel – und völlig überflüssig! Der Krieg war entschieden, jeder wusste es zu diesem Zeitpunkt. Wahrscheinlich wollten die Alliierten noch ihre Bombenarsenale leeren bevor der Krieg zu Ende ist, weil eine spätere Entsorgung teuer geworden wäre. Anders ist diese blinde und sinnlose Zerstörungswut der Alliierten 1945 nicht zu erklären oder zu rechtfertigen.

  3. Man hätte das Berliner Schloss retten können, aber nein man sprengte es. Schade das es so kam. Aber nun haben wir bald unser altes neues Berliner Schloss wieder.

  4. Es wr die SED/DDR die es endlich platt gemacht haben (1950! NICHTS mit die Amerikaner oder Briten zu tun!). Es war noch reperierbar! Genau wie Potsdam. DIE sind verantwotlich. SED/Linke. Und DIE sollten dafür bezahlen!

  5. Das war doch damals überall in Deutschland in Mode, historische Bausubstanz zu zertören um diese „tollen“ neuen Architekturprojekte verwiklichen zu können…

  6. Ja, sicher, aber nicht mit derselben Absicht. S-Bahn Rathaus Steglitz, zum Beispiel. Wie es einmal aussah, dann kamm der „Kreisel“ :-O U.v.a. Das war, und ist schrecklich, aber nicht Bösse gemeint….(Oder? 😀 )

  7. Ist ja nicht ganz so. Natürlich hätte man wieder aufbauen können. Was die SED dem Schloss besorgt hat, war ganz klarer Kultur-Mord. Sie sprengte ein Erbstück aller in die Luft. Das hier (Foto) ließen die Amerikaner am 3. Februar 1945 bspw. vom international weit bekannten Rittersaal übrig. Die Amerikaner waren sehr wohl beim ‚Abriss‘ dabei.

  8. Das Bild zeigt übrigens einen Blick von Friedenau aus über Schöneberg Richtung brennende Mitte. rechts vorn ist die Kirche „Zum guten Hirten“ zu sehen.

  9. „quod non fecerunt barbari fecerunt Barberini“: that  dind’t made  allied bombings that made SED  (communists). The Charlottenburg  schloss was damaged more heavily than the Stadtschloss, but it wasn’t demolished ……the Stadtschloss instead  yes !

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