Die historische Mitte Berlins setzt die Maßstäbe

Der Wiederaufbau des Schlosses in seiner historischen Dimension stellte höchste Anforderungen an Architekten, Steinbildhauer und Steinmetzen. Die im Auftrag des Fördervereins Berliner Schloss e.V. und später der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss seit 2004 im Maßstab 1:1 neu geschaffenen Ton- und Gipsmodelle dienten als Vorlage für die Anfertigung der Fassadenelemente in Sandstein. Diese wurden entsprechend der Rekonstruktionsplanung und zahlreicher, sehr detaillierter Fotos aus der Zeit der Sprengung 1950 sowie vereinzelt noch vorhandener historischer Spolien des Schlosses angefertigt. Die Arbeiten wurden ständig begleitet von einer Fachkommission aus Barocksachverständigen, die die Tonmodelle erst dann abnahmen, wenn diese nach Korrekturarbeiten allen Auflagen dieser Fachleute entsprachen.

Die Entwicklung der Modelle erfolgte durch erfahrene Steinbildhauer, die sich zuvor mit der Kunst des Barock intensiv auseinandergesetzt hatten und praktische Erfahrungen in der Restaurierung solcher Kunstwerke, aber auch in der Anfertigung authentischer Kopien nachweisen konnten. Ohne diese akribisch auf über 1.000 Plänen detailgetreu über mehrere Jahre angefertigte Planung von Stuhlemmer Architekten und der daraus entwickelten Bildhauermodelle wäre der Wiederaufbau des Schlosses in der erwarteten, hohen Qualität nicht zu erreichen gewesen.

Die Tonmodelle wurden nach ihrer künstlerischen Abnahme in Gips abgegossen, diese Abgüsse waren die eigentliche Vorlage für den Steinbildhauer, der sie in Sandstein in der Tradition seines über 600 Jahre alten Gewerbes kopierte. Das eigentliche Kunstwerk aus feuchtem Bildhauerton, das die schöpferische Leistung des Steinbildhauers darstellte, war nicht formstabil und eignete sich nicht als Vorlage für die spätere 1:1-Umsetzung in Sandstein. Es unterlag nämlich einem Schrumpfungsprozess von über 10 %, war also danach nicht mehr maßgenau und zerfiel, wenn der Ton trocknete. Beim Gipsabguss der Tonskulptur wurde diese zumeist ebenfalls beim Abnehmen der Form zerstört. Die allermeisten der ursprünglichen Kunstwerke der Schlossfassaden wurden zwischen 1698 und 1706 unter der Aufsicht von Andreas Schlüter von seiner Bildhauerwerkstatt geschaffen. Sie wurden 1950 gesprengt und gingen unwiederbringlich in den riesigen Trümmerdeponien Ostberlins verloren.

Die in unserem Auftrag ausgeführten Arbeiten werden inzwischen viel beachtet und erfreuen sich höchster Anerkennung, sogar auch von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Wir können an dieser Stelle aus Platzgründen nicht alle in unserem Auftrag angefertigten Arbeiten zeigen, die nachstehenden Fotos zeigen rückblickend eindrucksvoll einen Querschnitt der hohen Qualität unserer Modelle.

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Das Schlüterportal I am Schlossplatz

Das Portal I war der majestätische, offizielle Zugang zum Schloss. Es wurde schon 1701 fertiggestellt, damit der gerade gekrönte König Friedrich I. in Preußen hier in sein gründlich umgestaltetes Schloss einziehen konnte.

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Die Fensterachsen Andreas Schlüters

Die Schlüterschen Fensterachsen wurden im 1:1-Modell fertiggestellt. Hier einige schöne Beispiele für die künstlerische Qualität der von uns und später der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss beauftragten Arbeiten der Steinbildhauer und Steinmetzen.

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Haupt/Kranzgesims 

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Das Mezzaningeschoss

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(Foto: Hermann, Berliner Morgenpost)

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Adler aus dem Mezzanin. Im Vordergrund ein Originalkopf eines solchen, der 1950 aus dem Sprengschutt geborgen wurde (Bild links).

Die ersten Adler aus dem Hauptgesims sind fertig. 47 von ihnen saßen hoch oben unter der Balustrade des Schlosses in den Schlüterschen Fassaden, abflugbereit, dem Preußischen Wahlspruch folgenden: “Nec soli cedit” (Nicht einmal der Sonne weicht er.). Und jeder war anders gestaltet, ein individuelles Original. Die Spannweite der Adler richtet sich nach dem Abstand der Fenster zueinander. Schlüter blendete seine Fassaden dem historischen Schloss von Caspar Theiss vor, das sehr unregelmäßig gebaut war. Deswegen hatten die Adler, die Flügel mehr oder weniger weit ausgebreitet, eine Spannweite zwischen 1,20 m und 2,60 m. Die Köpfe schauten abwechselnd nach rechts und nach links.

Diese Unterschiedlichkeit kompliziert die Rekonstruktion ungemein, muss doch von jedem einzelnen Adler zunächst das individuelle Tonmodell und danach ein Gipsabguss angefertigt werden, bevor die eigentliche Sandsteinarbeit beginnt.

Aus dieser Vielfalt, die auch für alle an sich baugleichen Fassadenteile des Schlosses gilt, bedingt durch die individuelle Arbeit Hunderter von Bildhauern, erklären sich die immensen Kosten der Fassadenrekonstruktion, die ohne großzügige Spenden nicht aufgebracht werden können.

Bitte helfen Sie mit, stiften Sie hier im Internet Ihre(n) Schlossbaustein(e)!

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Das Paradegeschossfenster im 2. Stockwerk

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Das Schweifgiebel/Bukranionfenster im ersten Stockwerk

Gilt es, Teile oder ein ganzes Bauwerk zu rekonstruieren, bedarf es einer Vielzahl von Materialien, um ein sach- und fachgerechtes Ergebnis im Sinne der Denkmalpflege zu erzielen. In erster Linie sollten die gesamten Bauakten, möglichst auch Detailzeichnungen, umfangreiches, aussagekräftiges Fotomaterial und Fragmente des verlorengegangenen Gebäudes vorhanden sein, damit der rekonstruierte, neue Bau in Form, Maßen, Materialien und Farbe dem ursprünglichen Objekt präzise entspricht.

Bedauerlicherweise ist der umfangreiche Bestand der Bauakten des Berliner Schlosses durch Kriegseinwirkung verlorengegangen, sieht man einmal von einigen Reparaturzeichnungen ab.

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Um das fehlende, aber für die Rekonstruktion notwendige Planmaterial neu erstellen zu können, mussten Unterlagen dafür in zahlreichen Archiven recherchiert werden. Das glich einer umfangreichen Detektivarbeit. Das wichtigste Dokument, dass die Grundlage für die Maßhaltigkeit der neuen Baupläne bildete, war ein erst später aufgefundener Handriss (Katasterplan) von 1880, der das Schloss zentimetergenau in seinen Grundrissmaßen zeigt. Dieser wurde im Vermessungsamt Berlin-Mitte gefunden, darüber hinaus lagern heute eine Vielzahl von Meydenbauerschen Fotos (Glasplatten 40 × 40 cm) sowie über 3000 sehr detaillierte Ruinenfotos des Schlosses aus dem Jahr 1950 in dem Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege in Wünsdorf.

Mit einem völlig neuartigen, höchst komplizierten Computerverfahren wurden im Fachbereich Fotogrammetrie der Technischen Universität Berlin die Fotos entzerrt und maßstabsgerecht in eine Ebene gebracht, so dass Einzelmaße mit Computerhilfe herausgerechnet werden konnten.

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Diese Unterlagen waren die Grundlage für die Neuanfertigung des fehlenden Planmaterials, welches sich zunächst auf zwei Fensterachsen westlich von Portal IV vom Sockel bis zur Balustrade erstreckte.

Im metrischen Aufmaß des Schlosses gibt es nur ungerade Maße. Stuhlemmer Architekten fanden heraus, dass das Schloss in Rheinischen Fuß vermessen war. Mit diesem Maß ergaben sich für die Rekonstruktionsplanung klare Abmessungen der Schlossfassaden.

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Das hier vorgestellte 1:1-Modell des Schweifgiebelfensters (Bukranionfensters) ist ein Teil der zuvor genannten Fassadenplanung.

Die Herstellung sämtlicher Architekturteile des Fensters wurde von dem Steinmetz- und Bildhauermeister sowie Diplomrestaurator Carlo Wloch, Berlin, der auch Lehrlingswart der Steinmetz- und Bildhauerinnung war, steingerecht ausgeführt. Das Schmuckelement “Bukranion” wurde mit viel Einfühlungsvermögen vom Bildhauer Matthias Körner, einem ausgewiesenen Kenner des Barock, geschaffen. Körner hatte sich zuvor nach Anfertigung mehrerer Bozetti dem Schlüter-/Böhme-Thema genähert.

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Die Sandsteinteile an den Fassaden des neuen Schlosses kamen aus den Sandsteinbrüchen des Elbsandsteingebirges bei Pirna in Sachsen. Die neuen Fassaden sollen aus denselben Materialien gefertigt werden, wie die seines historischen Vorgängerbaus: die Architekturteile aus dem harten Reinhardtsdorfer Sandstein und das Bukranion aus dem weichen Cottaer Bildhauer-Sandstein. Für das barocke, hölzerne Fenster sollte abgelagertes Eichenholz genommen werden, welches zunächst dunkelbraunrot mit Ochsenblutfarbe lasiert, dann mehrfach mit einer klaren Firnis überzogen wird.
Das Musterfenster wurde von der Tischlerei Emme/Frau Tischlermeisterin Dipl.Ing. Angela Bühring gefertigt, die zur Restauratorin im Handwerk ausgebildet wird.

Die das Fenster umgebenden Putzflächen werden wie im 18. Jahrhundert nach der Überlieferung in Gelb und Altweiß gestrichen – ähnlich dem Gelb des Charlottenburger Schlosses.

Ganz besonderen Dank gilt es den Firmen und Institutionen auszusprechen, die ihre Arbeiten kostenlos am Musterfenster zur Verfügung stellten:

– Denkmalpflege Berlin, Herr Jacob: Farbfassung und Farbgebung des Fensters
– Tischlerei Emme, Berlin, Frau Bühring: Anfertigung des Barockfensters
– Firma Rogge, Berlin, Herr K.D. Müller: Herstellung der Putzspiegel
– Stuhlemmer, Dipl. Architekten für Denkmalpflege, Berlin

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Wie groß das Fenster ist, sieht man am Größenvergleich mit den davorstehenden Menschen:

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Verabschiedung des „Letter of Intent“ zur Zusammenarbeit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit dem Förderverein Berliner Schloss zum gemeinsamen Bau der Info-Box im Jahr 2003.
(v.l.n.r.: der Generaldirktor der Staatlichen Museen, Prof. Dr. Peter-Klaus Schuster, der Präsident der Stiftung, Prof. Dr. Klaus Dieter Lehmann, Wilhelm v. Boddien und Dipl. Architekt Rupert Stuhlemmer)