Bundespräsident Köhler am 8. Juli 2009

08.07.2009
Berlin

Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhleri

Was bisher Idee war, was Konzept war, was auch Gegenstand heftiger Diskussionen war – das wird nun sichtbar. Wenn auch erst in Umrissen, in Miniatur sozusagen, so kann sich die Öffentlichkeit jetzt ein Bild von dem machen, was hier, in der Mitte Berlins, geplant wird, auf diesem so preußischen Fleckchen Erde.

Ich halte es für eine außerordentlich gute und fruchtbare Idee, den Wiederaufbau des Stadtschlosses zur Einrichtung des Humboldt-Forums zu nutzen, das in einer bisher nirgendwo gekannten Weise die Zeugnisse außereuropäischer Kulturen versammeln und präsentieren wird.

Ich verstehe dies als eine Botschaft an die ganze Welt. Im Herzen Deutschlands präsentieren wir nicht zuerst uns selbst und unsere eigene Kultur, sondern die Kulturen aller Kontinente. Sie sollen einen Raum finden, in dem sie Verbindung aufnehmen untereinander und mit der europäischen und deutschen Kultur, die hier auf der Museumsinsel einen so beeindruckenden Platz hat. Die Kulturen sollen in Verbindung treten, ja – aber sie sollen auch sie selber bleiben, es soll keine Welt-Einheits-Kultur dargestellt oder propagiert werden. Die Eine Welt, zu der wir auf dem Weg sind, wird und soll die Eine Welt der Verschiedenen werden, nicht die Eine Welt einer kulturellen Gleichmacherei.

In der Zeit der sowjetischen Blockade, rief der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter die Welt zu Hilfe mit seinem berühmten Satz: „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“. Wir können heute sagen – und erst recht, wenn das Humboldt-Forum einmal richtig eröffnet wird – „Ihr Völker der Welt, Ihr seid mit Eurer Kultur zu Hause in dieser Stadt!“

Mit dem Wiederaufbau des Schlosses wird ein barbarischer Akt sozusagen rückgängig gemacht: die Sprengung des Stadtschlosses auf Beschluss der DDR-Führung. Damals sollte ein Teil der Berliner und der deutschen Geschichte unsichtbar gemacht werden. Wenn das Stadtschloss wiederaufgebaut wird, dann heißt das auch, dass wir uns zu unserer ganzen Geschichte bekennen, unserer Geschichte, die eben auch durch Preußen wesentlich geprägt wurde.

Es hat lebhafte Debatten darum gegeben, ob man das Schloss in seiner überkommenen Gestalt wiederaufbauen soll. Ebenso viele Debatten hat es darum gegeben, ob man den Palast der Republik abreißen solle. Vielen Bürgern der DDR hat er viel bedeutet, sie haben viele gute Erinnerungen an das, was sie dort erlebt und wie sie dort gefeiert haben. Ich kann die Trauer mancher um den Abriss deswegen verstehen.

Es ist gut, dass solche großen Vorhaben von öffentlichen Diskussionen begleitet werden und dass viele daran Anteil nehmen. Ebenso richtig ist es aber, wenn alle Beteiligten, nachdem eine Entscheidung getroffen ist, gemeinsam in die Zukunft schauen und sich nicht in Nachhutgefechten verzetteln. Vieles ist in der Gestaltung des Humboldt-Forums gewiss noch offen und darum wird es weitere, nach vorne weisende Diskussionen brauchen. Sicher wird auch diese Ausstellung zu Debatten führen – aber genau dazu ist sie ja auch gedacht, wenn ich es recht sehe: Hier wird der Öffentlichkeit ein Vorschlag gemacht, über den man dann auch intensiv ins Gespräch kommen sollte.

Ich wünsche mir ein Humboldt-Forum, das ein im besten Sinne des Wortes populärer Ort sein wird und ein Anziehungspunkt für Neugierige und Wissensdurstige, für Jugendliche und Erwachsene, und, was mir besonders wichtig ist, für Menschen aller Herkünfte.

Es wäre ja ein Widerspruch in sich selbst, wenn wir im Herzen Berlins und unseres Landes ein Haus des interkulturellen Dialogs hätten, das nicht auch den jetzt und hier lebenden Menschen dient, woher immer sie kommen. Überhaupt, so meine ich, soll dieses ehrgeizige kulturpolitische Projekt uns daran erinnern, dass wir uns diese und andere kulturelle Glanzlichter nur dann leisten können, wenn wir die alltäglichen Aufgaben von kultureller Bildung und Integration nicht vernachlässigen.

Wir brauchen, ich sage es immer wieder, einen soliden Unterbau, damit der Überbau Bestand haben kann. Zu diesem Unterbau gehört ganz wesentlich die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen. Die Chance zur kulturellen Teilhabe ist das Recht eines jeden. Viele sollten hier ihre Aufgaben erkennen und wahrnehmen. Die Schulen natürlich in erster Linie, aber auch die Musikschulen, die Museumspädagogik, die Theaterpädagogik, die öffentlichen Bibliotheken. Ich finde es deswegen auch gut und genau richtig, dass die Zentrale und Landesbibliothek Berlin im Humboldtforum einen Platz bekommt. Mit ihren gezielten Programmen zur Ansprache junger Menschen kann sie wichtige Impulse setzen.

Ich sehe also das Projekt Humboldtforum in der Mitte Berlins auch als eine deutliche Herausforderung dazu, die alltägliche Arbeit der kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen, immer wieder neu zu pflegen und zu fördern. Ich bin mir sicher, dass ein Humboldtforum, das sich besonders dieser Aufgabe annimmt, auf das ganze Land ausstrahlen wird.

Bildung der künftigen Generationen und Auseinandersetzung mit den Kulturen der Welt – wer könnte besser dafür stehen, dass beides zusammengehört, als die beiden Brüder, die dem Forum den Namen geben: Wilhelm von Humboldt, der Bildungsreformer, und Alexander, der Weltreisende und Entdecker.

Drei Institutionen arbeiten hier zusammen, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt-Universität und die Zentrale und Landesbibliothek Berlin. Das ist eine sehr gute Kombination, die ebenfalls dem entspricht, wofür die Humboldt-Brüder stehen: Wissenschaft, Kunst, Bildung: an einem Ort, in ständigem Austausch und zu gegenseitigem Nutzen. Natürlich wird es in der Zusammenarbeit zwischen so ehrwürdigen und stolzen Institutionen nicht ohne Reibung abgehen, das ist selbstverständlich. Aber die Chance, die diese Kombination bietet, ist einmalig. Wie gut sie genutzt wird, werden wir heute in einem ersten Entwurf zu sehen bekommen.

Ich habe gern die Schirmherrschaft über die Stiftung Berliner Schloss-Humboldt Forum übernommen.

Es ist erstaunlich, wie viel doch schon geschafft worden ist, wie viel aus einer zunächst vielleicht verrückt klingenden Idee schon geworden ist. Das ist großartig, das ist ein Grund zur Freude. Vor allem aber ist das ein Anlass zum Dank an so viele, die an verschiedenen Orten und in verschiedenen Funktionen dafür gearbeitet, gekämpft und gestritten haben. Vielen herzlichen Dank!

An diesem Tag, der das Erreichen einer wichtigen Etappe darstellt, geht aber der Blick erst recht nach vorn, und wir wissen, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Dazu wünsche ich allen Beteiligten viel Glück und Erfolg. Sie wissen alle, dass sie an etwas mitwirken, das in unserem Land, ja auf der Welt, nicht seinesgleichen hat. Vielen Dank!