„Zwei Saathainer bauen das Berliner Schloss mit auf“

04.08.2017  Lausitzer Rundschau

Von Frank Claus

Guckt der nun grimmig oder teilnahmslos? Aug‘ in Aug‘ in knapp 15 Meter Höhe komme ich zu keinem richtigen Ergebnis. Außer: Mächtig ist er. 2,65 Meter Flügelspannweite. Damit passt der Adler zum Berliner Schloss, das gegenwärtig im Herzen Berlins entsteht und das nach seiner Eröffnung im Jahr 2019 das Humboldt Forum beherbergen wird. Es ist die größte Kulturbaustelle Europas, entsteht auf einer Fläche von drei Fußballfeldern.

„Und wir sind dabei“, sagt Restaurator und Steinmetz Peter Hoffmann aus Saathain im Elbe-Elster-Land und schaut dabei auf Knut Voigt. Wie es der Zufall will, auch der wohnt im beschaulichen Saathain und ist als Stuckateurmeister seit vielen Jahren für die Bau- und Denkmalpflege GmbH Fuchs + Girke aus Ottendorf-Okrilla auf vielen geschichtsträchtigen Baustellen der gesamten Bundesrepublik unterwegs. Mit seinen Männern stellt er gerade den ersten Fassadenputz her. „So wie wir ihn machen, soll dann alles aussehen“, sagt er stolz.

Das Schloss? „Das ist schon was Außergewöhnliches“, findet Peter Hoffmann, und Knut Voigt pflichtet ihm bei. Mitten im Herzen Berlins gegenüber vom Alten Museum, Berliner Dom und Zeughaus als Abschluss von Brandenburger Tor und der Prachtallee Unter den Linden soll es der „würdige Abschluss und zugleich architektonische Höhepunkt der modernisierten Museumsinsel sein.“ So oder so ähnlich steht es in den verschiedenen Hochglanzprospekten.

Dass auf einem Teil der Fläche der 1976 eröffnete, 1990 geschlossene und 2008 vollständig abgerissene Palast der Republik stand – Peter Hoffmann hat sich mit diesem Kapitel längst versöhnt. „Auch ich habe den Abriss einst nicht verstanden“, sagt er. „Doch das, was jetzt entsteht, hat mich längst überzeugt.“ Dass da gerade wieder über die Inhalte der künftigen Ausstellungen des Humboldt Forums gestritten wird, dass Zoff entbrannt war, ob das große Hauptportal wie einst die Schlosskuppel wieder ein Kreuz tragen oder lieber darauf hätte verzichtet werden sollen, für den Handwerker ist das zweitrangig. „Schau mal diese Säulen mit ihren Kapitellen, die Sandstein-Quader, die meisterhaft gestalteten Fassaden mit ihren scharrierten Bossen und profilierten Nuten.“ Da kommt der Steinmetz ins Schwärmen. Dazu die Arbeit der Barock-Bildhauerkollegen. Mehr als 2300 Figuren sind herzustellen, dazu etwa 23 000 Sandsteinelemente.

Sechs prächtige Portale, vier davon werden Tag und Nacht für die Besucher geöffnet sein, besitzt das Schloss. Portal II und IV bleiben dauerhaft auch mit Steinmetz Peter Hoffmann, der als Selbstständiger von der Steinmetz- und Steinbildhauer GmbH Dresden angeheuert ist, verbunden. „Wir haben dort von Grund auf die Säulen gesetzt und im Einklang mit den Maurern Stück für Stück die Fassade hochgezogen“, berichtet er, während wir Stufe für Stufe das Gerüst erklimmen. Mehr als drei Millionen Ziegel der 60 Zentimeter dicken Außenmauer tragen die meist tonnenschweren Sandsteinschmuckstücke, die mit ihren nicht sichtbaren Teilen in die Wand eingelassen sind. Das ist oft Millimeterarbeit, um eine exakte Fassadenflucht hinzubekommen. Inklusive Stahlbaukonstruktion und Wärmedämmung ist die Gesamtfassade bis zu 1,30 Meter stark.

Peter Hoffmann hält inne. „Erkennst Du, wo wir sind?“, fragt er und wartet die Antwort gar nicht ab. „Das ist der nachgestaltete Balkon, von dem Karl Liebknecht einst die Republik ausgerufen haben soll.“ Dieses Portal gibt es jetzt zweimal in Berlin, einmal am Schloss und einmal gleich um die Ecke am ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR. Genau genommen wird es nun zum dritten Mal aufgebaut, denn das am einstigen Führungssitz der DDR-Oberen soll auch nur noch zu einem Fünftel aus Originalteilen bestehen. Vorbei geht es an den imposanten männlichen Allegorien des Herbstes mit Weinranken, Jagd- und Wintermotiven sowie Karnevalmasken mit Musikinstrumenten bis ganz nach oben.

„In der übernächsten Woche setzen wir die Elemente auf dem Rundbogen. Dann folgen noch die mächtigen Wappen und ganz oben die Attika“, sagt Peter Hoffmann, hält inne und meint: „Da, wo Du jetzt stehst, kommt nach Fertigstellung so schnell keiner mehr hin.“ Längst hat mich die Ehrfurcht gepackt.

Der Italiener Franco Stella hat mit seinem Entwurf im Jahr 2008 die Jury derart beeindruckt, dass sie nur einen ersten, keinen zweiten und dafür vier dritte Preise vergeben hatte. Selbst die Mitbewerber zollten ihrem Architektenkollegen damals neidlos Anerkennung. Das Konzept Stellas, so Bernhard Wolter, Leiter Kommunikation Bau und für die Spendenmittelbeschaffung zuständig, „schenkt Berlin im Schloss und drum herum sieben neue Plätze“. Und wie als Beweis folgt der nächste Aha-Effekt. Nach wenigen Schritten durch einen der vielen Durchgänge eröffnet sich der imposante Schlüterhof. Nach Eröffnung werden dort Restaurants zum Verweilen einladen. Durch die nach oben offene Schlosspassage geht es ins Glaskuppel-überdachte Hauptfoyer mit den seitlich angeordneten Tagungs- und Empfangssälen. „Das alles werde ich noch vielen Freunden und Bekannten zeigen“, sagt Peter Hoffmann beeindruckt. Ich auch.

 

Quelle: Lausitzer Rundschau, 04.08.2017

 

 

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