Ziemlich temporär diese Berliner Kunsthalle

Ziemlich temporär – diese Berliner Kunsthalle

Von Thomas Vitzthum

Die Kunst belebt die Wüste des Berliner Schloßplatzes: In der Temporären Kunsthalle soll zeitgenössische Kunst aus Berlin gezeigt werden. Im Oktober geht’s mit der Videokünstlerin Candice Breitz los, doch in zwei Jahren ist der Zauber schon wieder vorüber. Denn ab 2010 wird das Stadtschloss aufgebaut.

Endlich werden auf dem vielleicht wichtigsten Platz des Landes, dem Berliner Schloßplatz, nicht nur Gebäude wie der Palast der Republik abgerissen, sondern neue gebaut. An diesem Freitag fand der Spatenstich für die Konstruktion der Temporären Kunsthalle des österreichischen Architekten Adolf Krischanitz statt. Am Spreekanal, zur Seite des Lustgartens hin, entsteht ein 56 Meter langer, 20 Meter breiter und 11 Meter hoher Quader, eine Holzkonstruktion, die nicht nur Kunst birgt, sondern auch nach außen hin zeigt.

Der österreichische Künstler Gerwald Rockenschaub lässt auf der Außenhaut eine stilisierte, eckige Wolke auf blauem Grund malen. Es steckt eine gewisse Ironie in diesem Wolkenbild, denn viele Kunst- und Kulturschaffende, die Medien und Berliner Öffentlichkeit favorisierten lange einen Kunsthallenentwurf, der die Form einer Wolke haben sollte. Der Senat jedoch lehnte das spektakuläre Projekt ab und entschied zugunsten des puristischen Quaders, da die Finanzierung der Wolke nicht gesichert war. Mit der Stiftung „Zukunft Berlin“ hat die Temporäre Kunsthalle Berlin hingegen einen Geldgeber gefunden, der den fast eine Million Euro teuren Bau zahlen wird. Die laufenden Betriebskosten sollen aus Pachtverträgen und Eintrittsgeldern gedeckt werden.

Signal für permanente Kunsthalle

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sieht die Halle, die zeitgenössischer Kunst gewidmet sein wird, die in Berlin entsteht, als Auftrag, eine dauerhafte Stätte für die neueste Kunst in der Hauptstadt zu etablieren. Bisher zeigen nur der Hamburger Bahnhof und die Neue Nationalgalerie zeitgenössische Kunst. In beiden Häusern wird jedoch vor allem die internationale, gut bezahlte Elite präsentiert; um den aufstrebenden, hoch interessanten Nachwuchs oder gar die ungemein vielfältige Produktion aus Berlin kümmern sich nur die vielen Galerien. Doch deren Strahlkraft ist beschränkt.

„Die permanente Kunsthalle wird aber nicht hier sein“, trat Klaus Wowereit beim Spatenstich allen Spekulationen entgegen, die Kunsthalle am Schlossplatz könnte über das Jahr 2010 hinaus stehen bleiben. Mit dem Beginn des Baus des Humboldt-Forums in der Hülle des Stadtschlosses soll der Quader verschwinden.

Dabei standen auf der Adresse Schlossfreiheit über viele Jahrhunderte Häuser. Erst um die Wende zum 20. Jahrhundert wurde der Blick auf das Schloss und das wuchtige Denkmal für Kaiser Wilhelm I. freigeräumt. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn die Kunsthalle in der Sichtachse Unter den Linden – Schloss eine Diskussion über die Bebauung des Ortes auslöst.

Halle zeigt Kunst aus Berlin

Bis 2010 sollen acht verschiedene Ausstellungen die Kunsthalle bespielen. Das Kuratorenteam hat für die erste, die am 18. Oktober öffnen wird, die Künstlerin Candice Breitz eingeladen. Die Südafrikanerin mit einem Hang zur aufwendigen Videoinstallation lebt seit sieben Jahren in Berlin. In ihren Arbeiten will Breitz das Publikum immer wieder mit seiner eigenen Rolle als Zuschauer konfrontieren.

Ab Januar zeigt die Kunsthalle eine Schau mit Werken von Katharina Grosse. Die Künstlerin, die als Professorin für Malerei in Weißensee tätig ist, entwirft oft dreidimensionale Airbrush-Gemälde in rauschhaften Farben, von denen eines oft einen ganzen Saal füllt. Anschließend werden die Amerikanerin Jennifer Allora und der Kubaner Guillermo Calzadilla, die derzeit als Stipendiaten in Berlin arbeiten, ihre oft erst auf den zweiten Blick verblüffenden Skulpturen und Bilder zeigen. In ihren Arbeiten kann schon einmal ein Tisch zu einem Motorboot werden, ein schlafendes Nilpferd zu einem Hügel, auf dem es sich still lesen lässt.

Der weitere Gang der Ausstellungen ist derzeit noch offen. „Zum Charakter des Temporären gehört es auch, dass wir uns einiges bewusst noch offenhalten wollen“, hieß es von Seiten des Kuratoren-Teams. Die Auswahl der Künstler garantiert in jedem Fall abwechslungsreiche und auch unterhaltsame erste Monate. Der Publikumserfolg dürfte dem Projekt sicher sein.

Die Welt, 06.06.2008