Vielleicht ein Modellfall
Von Markus Schwering, 12.11.10, 00:16h
Bei den Planungen für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses sollen die Bürger auf allen Ebenen beteiligt werden. Das ist vernünftig – sorgt das 530-Millionen-Projekt doch schon lange für erbitterten Streit.
Modell des Berliner Stadtschlosses. (Bild: dpa)
Aus Schaden wird man klug – so scheint es jedenfalls. Angesichts der Proteste gegen „Stuttgart 21“ hat die Stiftung für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses den Willen bekundet, so früh und umfassend wie möglich und auf allen denkbaren Ebenen die Bürger an den Planungen zu beteiligen. „Ich will diese Diskussion nicht erst dann machen, wenn der Bagger da ist“, sagte der Vorstandssprecher der Stiftung, Manfred Rettig, in einem Radiointerview.
Das ist aller Ehren wert, das ist weitsichtig, das ist vernünftig – zumal das 530 Millionen Euro teure Projekt „Berliner Schloss – Humboldtforum“, das aus Spargründen auf Eis gelegt wurde und nun von 2014 an realisiert werden soll, schon lange für erbitterten Streit zwischen Befürwortern und Gegnern sorgt. Sachorientiertes Konfliktmanagement im Vorfeld der allfälligen Entscheidungen könnte, wenn es gut geht, zu einem Modellfall dafür werden, wie man überhaupt in Zukunft mit Großprojekten verfährt – so man sich nicht ob der gemachten Erfahrungen von vornherein in Resignation übt.
Könnte. Denn dass „Legitimation durch Verfahren“, wie es der Systemtheoretiker Niklas Luhmann nennt, den Erfolg garantiert, ist alles andere als ausgemacht. Wie die Sache Berliner Schloss ausgeht, ist derzeit völlig offen. Voraussehbar aber ist, dass selbst dann, wenn alle Spielregeln einer demokratischen Prozedur beachtet wurden, eine unterlegene Minderheit weiter protestieren wird – in welcher Form auch immer. Argumente, warum man nicht klein bei gibt, werden sich in jedem Fall finden.
Indes lassen wir uns gern eines Besseren belehren. Wer es hinnimmt, dass er in einem geregelten Verfahren seine Auffassung nicht durchsetzen konnte, zeigt damit seine demokratische Reife. Warum sollte man die Hoffnung aufgeben, dass die Bürger über sie verfügen?
Kölner Stadtanzeiger 11.11.10