Trötende Tigerfrösche

Trötende Tigerfrösche

Die Humboldt-Box lädt zu sinnlichen Begegnungen mit
der Wissenschaft ein

„Jeder strebsame Gelehrte ist Humboldts Sohn. Wir alle sind seine Familie“,
schrieb der Berliner Physiologe Emil du Bois-Reymond vor über 100 Jahren. So
gesehen wird in der Humboldt-Box, die Ende Juni auf dem Berliner Schlossplatz
eröffnet werden soll, eine Art Familientreffen stattfinden. Denn das
mehrstöckige Gebäude mit Aussichtsterrasse informiert nicht nur über den Bau
des direkt daneben entstehenden Humboldt-Forums. Es wird auf zwei
Ausstellungsetagen einen Eindruck davon vermitteln, wie sich die zukünftigen
Partner, die Humboldt-Universität, die Zentral- und Landesbibliothek sowie das
Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst, gemeinsam im
Humboldt-Forum präsentieren wollen.

Hier wie dort wird die Humboldt-Universität der Forschung von Humboldts
strebsamen Söhnen und natürlich auch Töchtern eine Bühne geben und ihre
wissenschaftlichen Fragen und Ergebnisse für ein breites Publikum begreifbar
und sinnlich erlebbar machen. In der Humboldt-Box stellt das Helmholtz-Zentrum
für Kulturtechnik im ersten Jahr schlaglichtartig fünf aktuelle
Forschungsprojekte vor, die an Berliner Wissenschaftseinrichtungen angesiedelt
sind und in denen deutsche und internationale Wissenschaftler gemeinsam
arbeiten.

Das Spektrum der wissenschaftlichen Präsentationen reicht vom linguistischen
Dokumentationsprojekt zur „Rettung“ aussterbender Sprachen auf der Südseeinsel
Ambrym, einer Kooperation der Humboldt-Universität mit dem Zentrum für
allgemeine Sprachwissenschaft Berlin, bis hin zur Untersuchung der ökologischen
„Serviceleistung“ westafrikanischer Frösche durch Wissenschaftler des Museums
für Naturkunde Berlin im Rahmen des deutsch-afrikanischen Netzwerks
Biota-Africa.

Gleich daneben wird das Botanische Museum Berlin die Artenvielfalt einer
unserer ältesten Kulturpflanzen vorstellen, der Zitrusfrüchte, die entlang
ihrer globalen Verbreitungswege zahlreiche Spuren in Kunst und Religion
hinterlassen haben. Das Institut für chinesische Lebenswissenschaften der
Charité – Universitätsmedizin Berlin zeigt, ausgehend von der
wissenschaftlichen Erschließung einer philosophisch-medizinischen Schrift des
zweiten Jahrhunderts, wie chinesische Heilkunde zunächst in China selbst
popularisiert und schließlich hierzulande weitgehend an westliche Werte und Bedürfnisse
angepasst wurde. Am Vergleich zwischen Deutschland und seiner überalternden
Gesellschaft und dem westafrikanischen Mali, einem der weltweit „jüngsten“
Staaten, veranschaulicht schließlich im fünften Themenmodul der
Humboldt-Universität das Internationale Geisteswissenschaftliche Kolleg „Arbeit
und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive“ sein komplexes
Forschungsfeld in einer multimedialen Installation mit Filmen, Fotos und
Hörstationen.

So wird den Besuchern der Humboldt-Box demnächst das „Tröt, tröt“ der
Tigerfrösche in den Ohren klingen, während sie, das Zitronenbonbon noch im
Mund, nebenan schon versuchen, eines der faszinierenden Sandbilder aus Ambrym
mit dem Finger in einem Sandfeld nachzuzeichnen. Friederike Kitschen

Der Tagesspiegel, 10. April 2011