Streit um die Rathausbrücke
Bürgervereine fordern den Wiederaufbau nach historischem Vorbild
Ulrich Paul
Wenn es nach Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) geht, soll die Rathausbrücke am Schlossplatz nach einem Entwurf mit moderner Architektur wieder aufgebaut werden. Mehrere Bürgervereine wollen den Bau jetzt aber in letzter Minute verhindern. „Wir fordern einen Planungsstopp“, erklärten gestern Vertreter der Gesellschaft Historisches Berlin, des Vereins Berliner Historische Mitte, des Forums Stadtbild und der AG Rathausbrücke. Der bereits ausgeschriebene Auftrag für den Bau dürfe nicht erteilt werden. Es müsse eine „Denkpause“ geben, um neu über die Gestaltung zu diskutieren. Schließlich stamme der Brücken-Entwurf des Architekten Walter Noebel aus dem Jahr 1998. Er beziehe sich noch auf den Palast der Republik, aber nicht auf das Schloss, das jetzt an dessen Stelle neu aufgebaut werden soll.
Die Rathausbrücke verbindet das Nikolaiviertel mit dem Schlossplatz über die Spree. Ihr Platz ist einer der ältesten Brückenstandorte Berlins. Im Laufe der Jahre hieß das Bauwerk erst Lange Brücke, dann Kurfürstenbrücke und schließlich seit 1951 Rathausbrücke. 1307 fand auf der Brücke die erste Vereinigung zwischen Cölln und Berlin statt. 1695 errichteten Arbeiter dort die erste Steinbrücke der Stadt, 1703 fand das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten auf der Brücke Platz.
Von der 1895 umgestalteten Brücke ist heute nur noch ein Pfeiler erhalten. Der Rest ist ein Provisorium, das jetzt durch einen Neubau ersetzt werden soll. Der Pfeiler der historischen Brücke soll nach den Senatsplänen abgerissen werden, um eine Durchfahrtsbreite von 26 Metern für die Binnenschiffe zu erhalten. Die vier Bürgervereine setzen sich dafür ein, dass der alte Pfeiler erhalten bleibt und die Brücke nach historischem Vorbild gestaltet wird. Gestern stellten sie einen Entwurf vor, bei dem dies möglich ist: neben der geforderten 26 Meter breiten Durchfahrt könnten danach der Pfeiler und ein 15 Meter breiter Brückenbogen gebaut werden. Platz genug wäre dafür, wenn die Spree an dieser Stelle auf ihre ursprüngliche Breite erweitert würde. Beim Bau des Palastes der Republik war die Spree hier für die Palast-Terrassen um etwa zehn Meter verschmälert worden. Nach dem Abriss des Palastes ließe sich das Flussbett wieder erweitern. Die vier Bürgervereine dürfen sich über prominente Unterstützung für ihre Forderung freuen. Der deutsche Nobelpreisträger für Medizin von 1999, Günter Blobel, setzte sich jetzt in einem Schreiben an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit für die historische Brücke ein. „Das banale Betonband“ Noebels werde im Zusammenhang mit dem wiederaufgebauten Schloss „lächerlich und irritierend wirken“, schreibt er. Die Stadtentwicklungsbehörde bleibt jedoch hart: „Wir haben einen vernünftigen Entwurf und den werden wir auch realisieren.“
Berliner Zeitung, 27.01.2009