Star-Architekt Daniel Libeskind hält Stadtschloss für überflüssig

Star-Architekt Daniel Libeskind findet deutliche Worte für Berlins Architektur: Der Stadt fehlten Innovationen in Mitte wie rund um den Flughafen Tempelhof. Ein Stadtschloss brauche hingegen niemand.

(Anmerkung des Webmasters dazu:
Wir bringen dieses Interview, weil es zeigt wie gedankenlos macher Stararchitekt in Sachen Schloss und Urbanität argumentiert. Sein Vorschlag, einen Spielplatz für Kinder aller Nationen  als Alternative zu Humboldtforum und Schloss einzurichten, seine Breitseite gegen die Stadtplaner zeigen die Ich-Bezogenheit seines Denkens. Vielleicht wird deswegen sein ursprünglicher Entwurf für Ground Zero in New York auch nicht verwirklicht. Man kann nicht gegen die Menschen bauen. Fazit: Si tacuisses…. Aber lesen Sie selbst!)

Sein erstes realisiertes Großprojekt war der Neubau des Jüdischen Museums, das 2001 in Berlin eröffnet wurde. Daniel Libeskind gilt inzwischen als Star-Architekt. Mit seinen unkonventionellen Bauten erregt er weltweit Aufsehen. Nächste Woche beginnen die vorbereitenden Arbeiten für den Ausbau der Blumengroßmarkthalle in Kreuzberg als Erweiterung des Jüdischen Museums nach den Plänen Libeskinds. Redakteurin sprach mit dem Architekten.

Morgenpost Online: Herr Libeskind, neun Jahre nach der Eröffnung ist das Jüdische Museum ein Besuchermagnet, es zählt zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Berlins. Was bedeutet Ihnen das?

Daniel Libeskind: Das bedeutet mir sehr viel. Ich habe das Gebäude ja auch nicht als leere Ikone entworfen. Es ging mir darum, jüdische Geschichte nach Berlin zu bringen und zu helfen, diese Geschichte zu erzählen. Dabei geht es nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um die Gegenwart und die Zukunft, neue Hoffnung und neue Möglichkeiten. Das Jüdische Museum ist eine meiner wichtigsten Arbeiten. Zudem war es einer meiner ersten Bauten.

Morgenpost Online: Sie haben das Projekt gegen viele Widerstände durchgesetzt. Im Berliner Senat gab es damals viele, die Ihren Entwurf verhindern wollten. Der damalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann soll Ihren Entwurf als architektonischen Irrsinn bezeichnet haben. Wie ist das für Sie, wenn Berlin Sie jetzt als „Star-Architekten“ feiert?

Libeskind: Ach, das war damals Teil dessen, wie es ist. Sie müssen an das Vorankommen Ihres Projektes glauben. Ich habe mich zu Berlin und der jüdischen Kultur bekannt. Natürlich war das damals eine harte Zeit. Die heutige Begeisterung zeigt aber, dass ein Bau die Meinung der Menschen ändern kann.

Morgenpost Online: Zu einem Ihrer vielen Projekte. Die Berliner Proportion GmbH vermarktet die sogenannte Libeskind-Villa, ein Eigenheim in Serie. Entwerfen Sie also auch jetzt Fertighäuser?

Libeskind: Nein, nicht direkt. Das ist keine Massenproduktion, sondern ein architektonisches und nachhaltiges Projekt. Es ist auch weniger ein Fertighaus, sondern vielmehr ein Gebäude, das in limitierter Serie von etwa 30 Stück realisiert wird.

Morgenpost Online: Wenn Sie solch ein Haus in Serie entwerfen, kennen Sie dann die Nutzer?

Libeskind: Nein, aber das ist in der Kunst doch auch nicht anders, denn die Künstler kennen nicht die späteren Käufer Ihrer Arbeiten.

Morgenpost Online: Lassen Sie uns über Berlin sprechen. Wie beurteilen Sie die Berliner Stadtentwicklung nach 1989?

Libeskind: Nun, man muss feststellen, dass hier wahnsinnig viel sehr schnell gebaut wurde. Aber Berlin ist eine solch fantastische Stadt, da hätte man mehr machen müssen.

Morgenpost Online: Was meinen Sie damit?

Libeskind: Es hat nicht gereicht, die alten Grundrisse wieder herzustellen, Berlin hätte auch mehr Innovationen verdient.

Morgenpost Online: Was mögen Sie denn an Berlin?

Libeskind: Ich mag die Atmosphäre hier, ich mag die Menschen und den Spirit von Berlin. Das ist nicht der Spirit der Stadtplaner, der Senatsbaudirektoren, aber der Menschen. Die Tatsache, dass die Stadt kulturell spannend ist, in der Kunst, der Musik, in vielen anderen Bereichen. Und ich mag, dass sich die Stadt in ihrer Zukunftsorientierung an die Vergangenheit erinnert.

Morgenpost Online: Was vermissen Sie?

Libeskind: Ich vermisse Architektur und ich vermisse den Spirit von Berlin im Wiederaufbau, in der Stadtplanung.

Morgenpost Online: Teilen Sie die Einstellung Ihres Kollegen Peter Eisenman, der kürzlich sagte, dass Berlin mehr Hochhäuser braucht?

Libeskind: Ich glaube nicht, dass es in Berlin um die Höhe der Gebäude geht, sondern vielmehr um die Inspiration. Es geht um die Vision dieser Stadt. Berlin braucht eine Vision.

Morgenpost Online: Was halten Sie in diesem Zusammenhang von den Plänen für das neue Stadtschloss in Mitte?

Libeskind: (lacht) Das ist wirklich eine sehr verrückte Idee, ich kann das immer noch nicht glauben. Es mag ja sein, dass man möglicherweise ein Gebäude braucht, aber so ein Stadtschloss braucht doch wirklich niemand.

Morgenpost Online: Was sollte man denn Ihrer Ansicht nach in der Mitte Berlins bauen?

Libeskind: Auf jeden Fall kein Stadtschloss. Ich würde anstelle des Stadtschlosses in Berlins Mitte lieber einen fantastischen großen Spielplatz gestalten. Dort könnten dann die Kinder aller Nationen zusammenkommen und miteinander spielen.

Morgenpost Online: Berlin hatte in den 80er-Jahren eine Internationale Bauausstellung (IBA), die weltweit beachtet wurde. Spielt die deutsche Hauptstadt in der internationalen Architekturszene heute noch eine Rolle?

Libeskind: Nein, zur Zeit der IBA waren hier Architekten aus der ganzen Welt. Das war eine Inspiration, die weit über Berlin hinausging. Aber heute spielt Berlin keine große Rolle mehr, es gibt nur wenig Innovation.

Morgenpost Online: Halten Sie die denn die Pläne, auf dem ehemaligen Flugfeld von Tempelhof 2020 eine neue IBA durchzuführen, für sinnvoll?

Libeskind: Das ist nur dann sinnvoll, wenn sich städtische Planer zurückhalten und architektonische Träume die Oberhand gewinnen.

Morgenpost Online: Zu Tempelhof. Das Flugfeld wird derzeit als Park genutzt, für das Gebäude liegt noch kein Konzept vor. Haben Sie eine Idee?

Libeskind: Nun da gibt es viele Möglichkeiten, aber man benötigt erst einmal eine ernsthafte Absicht, was man nicht nur mit dem Gebäude, sondern auch aus dem ganzen Viertel machen will.

Morgenpost Online: Welches ist Ihr Lieblingsbau in Berlin?

Libeskind: Mein Lieblingsgebäude steht in Potsdam, der Einsteinturm von Mendelsohn.

Morgenpost Online: Warum?

Libeskind: Weil es ein mutiges Gebäude ist. Es sieht auch noch heute wagemutig aus.

Morgenpost Online: Und in Berlin?

Libeskind: Ich liebe Hans Scharouns Philharmonie, das ist eine fantastische Architektur, und ebenso Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie, ein wunderbarer Tempel.

Morgenpost Online: Gibt es Bauten, die Sie abreißen möchten?

Libeskind: Als Architekt bin ich nicht dafür, Gebäude zu zerstören.

Morgenpost Online: Betonen Sie deshalb immer wieder, dass ein Architekt Optimist sein müsse?

Libeskind: Ja, wer nicht an eine bessere Zukunft glaubt, sollte nicht Architekt werden.

Berliner Morgenpost – Online, 12.8.2010