Sisyphos im Schloss
Das Prestigeprojekt wird vertagt. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz kritisiert den Beschluss der Bundesregierung und spricht über Sammeln, Forschen und die Freuden des Kampfsports Ein Gespräch mit Hermann Parzinger.
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Problematisch wird das nun ja bei Ihrem momentan wohl heißesten Thema, dem Humboldt-Forum. Was bedeutet die von der Bundesregierung beschlossene Verschiebung des Baubeginns auf 2014?
Parzinger: Die Verschiebung ist unglücklich, zumal dabei auch kaum etwas gespart werden wird. Die Realisierung solch großer Museums- und Kulturprojekte braucht in erster Linie Planungssicherheit. Eine Entschleunigung wäre mir deshalb erheblich lieber als ein vorübergehender Stopp. Aber man muss sehen, wie es jetzt weitergehen kann. Ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, dass gewisse Maßnahmen doch vorgezogen werden können und die Lücke keine für das Projekt so schädlichen Nebenwirkungen haben wird.
RM: Rechnen Sie noch mit der Realisierung des Humboldt-Forums?
Parzinger: Davon gehe ich fest aus. Das Projekt ist so visionär, dass es sich durchsetzen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politik am historischsten Platz unserer Republik statt eines einmaligen und zukunftsweisenden Ortes der Weltkulturen doch nur eine Brachfläche haben will.
RM: Auf die Dahlemer Museen kommen nun enorme Probleme zu. Was planen Sie für die Zwischenzeit?
Parzinger: Wir werden nun natürlich sehen müssen, welche weiteren Bauerhalts- und Bauertüchtigungsmaßnahmen bei einem späteren Umzug nach Mitte in Dahlem noch notwendig werden. Die Gebäude dort sind in einem sehr maroden Zustand, das erfordert nun weitere Investitionen an der völlig falschen Stelle. Besser wäre es, das Geld für die Errichtung des Humboldt-Forums im Schloss zu nutzen.
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Der private Anteil an der Schlossfinanzierung wurde von Anfang an sehr hoch veranschlagt. Großspender aber brauchen Sicherheit. Die haben sie erst, wenn es wirklich losgeht. Verschärft die Vertagung diese Probleme?
Parzinger: Natürlich, wer spenden möchte, wird sich das jetzt zweimal überlegen. Erst wenn die Bauarbeiten beginnen, haben all jene, die um Spenden werben, eine echte Chance, dies auch erfolgreich zu tun.
RM: Glauben Sie, dass die Verschiebung mit der historisierenden Gestaltung des Humboldt-Forums zu tun hat?
Parzinger: Die Verschiebung hat mit äußerer Form und Inhalt gar nichts zu tun. Stattdessen wollte man vielmehr eines der größten Sparpakete in der Geschichte der Bundesrepublik mit der Verschiebung des Baubeginns von einem symbolträchtigen Zeichen begleitet wissen. Ich kann das zwar verstehen, doch hätte man die Folgen und Nebenwirkungen bedenken müssen.
RM: Das Forum soll ein „vitaler Ort“ sein. Worauf setzen Sie dabei besonders?
Parzinger: Der Agora, dem Veranstaltungsbereich im Erdgeschoss, wird zentrale Bedeutung zukommen: Hier soll der „Volkshausgedanke“ des Palastes der Republik in der neuen Nutzung weiterleben. Doch das Humboldt-Forum muss auch insgesamt ein Ort werden, der alle Teile der Gesellschaft anzieht. So wird die Bibliothek andere Menschen ins Haus locken als die Ausstellungsbereiche. Die Kulturen dieser Welt sollen in der Agora in der ganzen Vielfalt ihrer Ausdrucksformen – Theater, Film, Musik, bildende Kunst – erlebbar werden. Und natürlich muss die Agora auch ein Ort wichtiger gesellschaftlicher Debatten sein. In der Agora wird die Brücke von den historischen Sammlungen zu den Problemen und Herausforderungen der Gegenwart zu schlagen sein.
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Rheinischer Merkur, 24.06.2010