Verzögerter Wettbewerb
Senat gefährdet Zeitplan fürs Schloss
Noch in diesem Jahr soll die Baugenehmigung für den 550 Millionen Euro
teuren Neubau des Stadtschlosses eingereicht werden. Und im nächsten Jahr
rollen die Bagger für vorbereitende Erdarbeiten an. Vorgespräche mit den
zuständigen Genehmigungsbehörden im Bezirk Mitte laufen bereits. In großen
Schritten rückt die Realisierung des spektakulären Projektes näher. Doch nun
bremst der Senat das Vorhaben aus. Der Wettbewerb zur Gestaltung der
Freiflächen an der geplanten Rekonstruktion des Hohenzollernbaus wurde
verschoben. Und das alarmiert den Bauherrn, die Stiftung „Berliner Schloss –
Humboldtforum“.
Stiftungsvorstand Manfred Rettig mahnt in einem Brief an Senatsbaudirektorin
Regula Lüscher eine kurzfristige Auslobung des Wettbewerbs an.
Rettig bestätigte dies auf Anfrage und sagte, dass „möglichst umgehend“ über
die Gestaltung der Freiflächen entschieden werden müsse, „damit das Projekt
sowohl für den Bund als auch für das Land wirtschaftlich bleibt“. Aus der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gab es bis Redaktionsschluss keine
Stellungnahme.
Eine Verschiebung des Zeitplans für die Fertigstellung des Stadtschlosses
will Rettig um jeden Preis verhindern. Der Mann hat als viel gelobter
Chefplaner des Regierungsumzuges einen Ruf zu verlieren. Er sagt: „Notfalls
müssen unsere Planungsansätze als Vorgaben für den Wettbewerb herangezogen
werden.“ Doch das will eigentlich niemand, nicht einmal die Stiftung
selbst: Denn dies würde den Spielraum für die Gestaltung der Freiflächen
durch die Landschaftsarchitekten einschränken. Auch würde dies neue Ideen und
Planungsansätze verhindern – oder eine kostspielige Überarbeitung der
Gebäudeentwürfe durch die Stiftung erfordern. Eben dies will Rettig aber mit
allen Mitteln verhindern.
Die Zeit drängt, denn auch die Vorgespräche mit dem Bezirk Mitte laufen
längst. Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) sagte auf Anfrage: „Wir brennen darauf,
die Baugenehmigung zu bearbeiten.“ Der Baustadtrat setzt einige seiner besten
Leute für das Projekt ein und stellt eine Bearbeitungszeit von gerade mal drei
Monaten in Aussicht.
Schon am 25. Mai soll die aktuelle Entwurfsplanung für das Stadtschloss im
Rahmen einer Forumsveranstaltung im Kronprinzenpalais der Öffentlichkeit zur
Diskussion gestellt werden. Damit zieht man gleichsam die Lehren aus dem Streit
um das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“. Sogar eine Anpassung der Pläne auf
Grundlage der „Anregungen aus der Bürgerschaft“ stellt Rettig in
Aussicht.
Viel Zeit will man aber auch dabei nicht verstreichen lassen, denn schon im
Juni sollen die Pläne dem Stiftungsrat unter Vorsitz des Staatssekretärs des
Bundesbauministeriums Rainer Bomba vorgelegt werden. So könnte man noch vor der
Sommerpause dem Haushaltsausschuss des Bundestages berichten.
Die Außengestaltung des Humboldtforums ist deshalb so wichtig, weil nicht
nur Zufahrten und Zugänge zum Schloss mit Straßen und Wegen verbunden werden
müssen, sondern auch die Terrassen für die Cafés und Restaurants in dem Neubau.
Die Planungen sehen diese sowohl an der zum Lustgarten und zu den Linden
orientierten nördlichen Front des Gebäudes vor als auch an der östlichen, zur
Spree gehenden Schlossfassade. Dort sind die Planer besonders gefordert, weil
das Erdgeschoss des Schlosses weit oberhalb der Kaimauern liegt. Diese
Höhendifferenz muss mit Treppen und Rampen überwunden und Stützwände eingebaut
werden, damit Besucher vom Schloss ans Ufer und zurück gelangen können.
Spätestens, wenn im kommenden Jahr die vorbereitenden Erdarbeiten beginnen,
müssen alle Entscheidungen gefallen sein, weil auch die Ausschreibungen für die
Vergabe der Bauaufträge dann laufen. Die Grundsteinlegung für das Großprojekt
soll im Jahr 2013 stattfinden.
Keinen Einfluss auf die Schloss-Planungen wird die Verzögerung beim Bau der
U-Bahnlinie U5 haben. Sie verbindet den Alexanderplatz mit dem Brandenburger
Tor mit Stationen am Schlossplatz und dem Roten Rathaus, wo archäologische
Funde zu Umplanungen zwangen. Der unterirdische Bahnhof am Schlossplatz werde
erst nach Durchfahrt der Tunnelbohrmaschine im Jahr 2014 errichtet.
Der Tagesspiegel am 30.3.2011