Der Baubeginn für das Berliner Stadtschloss wurde zwar verschoben. Die so genannte „Humboldt-Box“, die über das Mammut-Projekt informieren soll, feierte dennoch am 8. Juli 2010 Richtfest. Bis Ende des Jahres soll der Fünf-Millionen-Bau fertig sein. Doch wofür eigentlich? Als Drohung?
Dieser Tage gleicht Berlins Mitte einer Touristen-Hochburg: In Scharen schlendern Hauptstadtbesucher an Dom, Altem Museum und Kunsthalle entlang. Eine kleine Verschnaufpause bei sommerlichen Temperaturen bietet die grüne Brache auf dem Schlossplatz. Was hier einmal entstehen soll, zeigt ein riesiges Plakat, das an einem Rohbau am Rande des Areals hängt: Auf großen Bahnen wird die barocke Fassade des so genannten „Humboldt-Forums“ simuliert, des Berliner Stadtschlosses, das an dieser Stelle wieder aufgebaut werden soll.
Das Bauen geht weiter
Die Attrappe wird noch einige Zeit herhalten müssen, um den Besuchern einen Eindruck von dem Mammut-Projekt zu verschaffen: Im Zuge der Sparpläne der Bundesregierung wurde im Juni diesen Jahres beschlossen, den Baubeginn um drei Jahre auf 2014 zu verschieben.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die Arbeiten am historisch bedeutsamen Platz ruhen: Die BVG baut weiterhin am geplanten U-Bahnhof Museumsinsel und auch hinter den Stoffbahnen mit der aufgedruckten Fassade wird weiter gewerkelt – hier entsteht die Humboldt Box, die nun Richtfest feiert. Der fünfstöckige Bau mit seinen 3.000 Quadratmetern Fläche soll ab Ende diesen Jahres mit Ausstellungen und Veranstaltungen über die künftige Nutzung des Schlosses informieren.
Baustellengucken ohne Baustelle
Die lichte Glaskonstruktion mit der ungewöhnlichen markanten Form wird zudem eine Aussichtsterrasse auf dem Dach erhalten, von der aus sich Besucher den benachbarten Baufortschritt ansehen könnten – wenn denn der Bau des Stadtschlosses wie geplant im kommenden Jahr begonnen hätte. Durch die Verzögerung kommt nun aber auch die Finanzierung für die etwa fünf Millionen Euro teure Humboldt Box ins Wanken: Diese sollte einen Teil ihrer Einnahmen durch Werbeplakate am Bauzaun des Schlosses generieren. Doch jener Bauzaun wird nun erst mal auf sich warten lassen.
Diese Schwierigkeiten scheinen fast schon symptomatisch für das Projekt Berliner Stadtschloss: Die Rekonstruktion der historischen Fassade ist heftig umstritten, über den ganzen Wiederaufbau wird seit Beginn quer durch die Republik diskutiert – auch wenn der Bundestag 2002 mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt hatte. Der nun geplante Beginn der Arbeiten 2014 fällt in eine neue Legislaturperiode. Möglich, dass sich das Meinungsbild bis dahin erneut ändert und das Schloss endgültig den Sparzwängen zum Opfer fällt. Dann wäre die Humboldt-Box gar nicht nötig gewesen, das Richtfest würde in der Rückschau wie eine absurde Fußnote wirken.
Die Diskussionen halten an
Wie es mit dem Schlossbau weitergeht, ist unklar: Zwar beteuern etwa Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) oder auch Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos), dass der Aufschub keine Aufgabe des auf 550 Millionen Euro geschätzten Wiederaufbaus sei. Kritiker fordern allerdings, die Verzögerung als Anlass für ein erneutes Nachdenken über das gesamte Projekt zu nehmen.
So sprach sich etwa die Vorsitzende des Kulturausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus, Alice Ströver (Bündnis 90/Die Grünen), für eine neue Debatte über die Zukunft des Schlosses aus. Andere Stimmen bemängeln, dass der Aufschub keine wirklichen Einsparungen bringe. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, erklärte etwa, dass die für den Bau vorgesehen Mittel in den nächsten Haushaltsjahren zwar nicht eingesetzt würden. Bereits geschlossene Verträge – etwa mit den Mitarbeitern der Stiftung und den Architekten – müssten aber dennoch erfüllt werden. Außerdem sei nun eine aufwändige Sanierung der Museen der Ethnologischen Sammlung in Dahlem notwendig, da diese nicht zum geplanten Zeitpunkt in das Humboldt-Forum ziehen könnten.
„Ort der Weltkulturen“ oder Touristen-Spektakel?
Auch in den Medien und der Bevölkerung ist das Echo auf den Beschluss zum Aufschub geteilt: Die einen sehen darin ein falsches Signal an Spender, die Geld für den Wiederaufbau gegeben hatten. Andere fürchten, dass das Schloss zu einem reinen Spektakel für Touristen wird – obwohl es von den Planern, etwa mit der Beherbergung der Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst, der Berliner Zentral- und Landesbibliothek und der wissenschaftsgeschichtlichen Sammlungen der HU Berlin, als „Ort der Weltkulturen“ konzipiert wurde.
Die grundsätzliche Debatte um die Bebauung auf diesem historischen Gelände hat durch den Beschluss jedenfalls noch einmal Auftrieb bekommen. Da überdeckt die neu entbrannte Diskussion fast schon das Richtfest für die Humboldt-Box: Wann werden Besucher tatsächlich Bauarbeiten von der Aussichtsterrasse beobachten können? 2013, 2014, noch später oder vielleicht gar nicht? Für die Firma, die die Humboldt-Box baut, ist das bei aller neuen Ungewissheit für die Finanzierung fast schon unerheblich: 50 Jahre könne die Box wohl halten, ließ sie wissen
RBB-online, 12.7.2010