Kulturgüter
Regierung beharrt auf Neubau des Berliner Schlosses
Plädoyer für das Berliner Humboldtforum: Staatsminister
Neumann hat den geplanten Wiederaufbau des Berliner Schlosses für mehr als 550
Millionen Euro vehement verteidigt.
„Natürlich ist das viel Geld“, sagte Kulturstaatsminister Bernd
Neumann (CDU) in Berlin, „aber bei einem Haushalt von einigen Hundert
Milliarden muss eine Kulturnation wie Deutschland in der Lage sein, ein solches
Projekt über mehrere Jahre zu stemmen. Ich halte das für vertretbar“.
Neumann warb für mehr private Spendenbereitschaft. Zugleich räumte er ein,
dass die Rekonstruktion der Hohenzollern-Residenz die Menschen nicht so
emotional berührt wie der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche. Für das 2005
abgeschlossene Projekt in der Sachsen-Metropole waren weltweit rund 115
Millionen Euro an Spendengeldern zusammengekommen.
„Das ist nicht vergleichbar, weil die Frauenkirche als Symbol gegen
Krieg und Zerstörung eine ganz andere emotionale Bedeutung hatte“, sagte
der Staatsminister. „Dieses Gefühl wird man nur schwer erreichen können.
Aber ich glaube, wenn das Schloss einmal steht – und es wird stehen – dann wird
es auch eine große Faszination ausüben und ein weiterer architektonischer und kultureller
Höhepunkt der Hauptstadt sein.“
Die Bundesregierung hatte den eigentlich für dieses Jahr geplanten Baubeginn
im vergangenen Sommer aus Spargründen um drei Jahre verschoben. Erster
Spatenstich soll nun 2013 sein, ehe 2014 die eigentlichen Arbeiten beginnen.
Bis 2018/2019 ist die Eröffnung geplant. Unter dem Namen Humboldtforum soll
hinter den rekonstruierten Schlossfassaden ein modernes Kommunikations- und
Museumszentrum entstehen.
Der Bundestag hatte sich 2002 nach jahrelanger Diskussion für diese Lösung
ausgesprochen. Er stehe nach wie vor voll hinter dem Beschluss, so Neumann. In
dieser Lücke im Herzen Berlins, gegenüber dem Dom und der Museumsinsel, solle
der Wiederaufbau des Schlosses mit seinen historischen Fassaden erfolgen. Die
einstige Preußen-Residenz war zu DDR-Zeiten gesprengt und durch den Palast der
Republik ersetzt worden.
Für das Projekt sind Baukosten von 552 Millionen Euro veranschlagt. 440
Millionen trägt der Bund, 32 Millionen die Stadt. Die restlichen 80 Millionen
sollen durch Spenden hereinkommen. Mögliche Kostensteigerungen – so Neumann –
dürften nicht zu Lasten anderer Kultureinrichtungen gehen. „Das ist
sichergestellt, denn die Mittel für den Wiederaufbau des Stadtschlosses sind
nicht im Kulturhaushalt, sondern im Haushalt des Bauministeriums
angesiedelt.“
Als eine Etappe auf dem Weg zum Berliner Schloss soll am 30. Juni laut dem
Förderverein die Humboldt-Box offenen, ein Infozentrum über das geplante
Schloss mit dem darin vorgesehenen Humboldtforum. Die Humboldt-Box stellt vor,
wie Universität, Bibliothek und Museen das Haus als Kultur- und
Veranstaltungszentrum nutzen wollen. Eine ähnliche Box war während der
Bauarbeiten am Potsdamer Platz ein Besuchermagnet.
Fördervereinschef Wilhelm von Boddien erwartet, dass nach Öffnung des
Infozentrums mehr Spenden für die Schlossfassaden fließen. Er rechnet mit
300.000 Besuchern im Jahr. Wie viel Eintritt die Box kosten wird, ist demnach
noch offen. Auf dem Dach soll es ein Restaurant geben.
Ein wichtiger Schritt für das Schloss sei auch, wenn der Haushaltsausschuss
des Bundestages im Sommer über eine Freigabe der Baumittel entscheide, so der
Förderverein. „Dann platzt der Knoten“, hofft von Boddien. Derzeit
lasse der Spendenfluss zu wünschen übrig, weil die Öffentlichkeit verunsichert
sei. 2010 hatte der Bund aus Spargründen das Projekt verschoben.
Von Boddien zeigt sich optimistisch und vergleicht die Situation auch mit
der Frauenkirche in Dresden. Dort seien die Spenden auch geflossen, als zu
erkennen war, wie der Bau voranschreitet. In der Humboldt-Box will der
Förderverein einen Spendenautomaten aufstellen. Bis jetzt seien rund 15
Millionen Euro Spenden eingegangen. Der Verein will 80 Millionen Euro
zusammentragen. © Stephanie Pilick/dpa
Zeit online am 24.4.2011