„Originalgetreuer Schinkel oder doch moderne Fassade?“

10.08.2017  Deutschlandfunk Kultur

Bauakademie Berlin

Von Jochen Stöckelmann

Eigentlich soll die Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel mit historischer Fassade wieder aufgebaut werden. So wie das Berliner Stadtschloss, das sich in direkter Nachbarschaft befindet. Eine Privatinitiative regt Alternativen an – und präsentiert Entwürfe von Studenten.

Ulrich Müller: „Viele verschiedene Stimmen hat es ja gegeben, die gefordert haben noch einmal darüber nachzudenken, ob das wirklich die einzige Möglichkeit ist. Dazu zählen die Berliner Architektenkammer. Dazu zählen sicherlich auch unsere zehn Thesen, die deutschlandweit, auch international diskutiert wurden. Im Übrigen: nicht in der Berliner Presse.“

Zehn Thesen hat der Architekt und Kurator Ulrich Müller mit Kollegen formuliert, um Alternativen zu einer einfallslosen Fassaden-Kopie von Schinkels Bauakademie zumindest noch einmal ins Gespräch zu bringen: „Rekonstruktion oder Hybrid, also eine Mischung aus alter Fassade und neuem Inhalt. Oder ein komplett neues Gebäude.“

Vor allem soll eine Neue Bauakademie, so fordern Müller und die Autoren des Manifests, „universell sein wie Schinkel“, errichtet nach einem „ergebnisoffenen Wettbewerb“ und auf einem „intellektuellen Fundament“. Um dieses Nachdenken über den Inhalt, also Sinn und Zweck einer Bauakademie zu befördern, zeigt Ulrich Müller in der von ihm vor 11 Jahren gegründeten Architekturgalerie keine Entwürfe von bekannten Namen, sondern Studentenarbeiten. In der Ausstellung „Steal Schinkel“ in Zusammenarbeit mit der École polytechnique fédérale de Lausanne:

„Das ist ja das Schöne an diesen studentischen Arbeiten, dass sie Spielräume zeigen oder Möglichkeiten, die vielleicht so in der Realität nicht umgesetzt werden können. Aber es ist ja wichtig über den Tellerrand hinauszudenken.“

Spagat zwischen Museum und Forum für Architekturdebatte

Wer sollte dafür besser geeignet sein als Studenten aus dem fernen Lausanne? Unbelastet, mit nüchtern-distanziertem Blick konnten gerade sie sich dem besonderen Geist des Ortes, der künftigen Baustelle nähern. Nur die Original-Fundamente sind noch vorhanden:

„Dort haben sie historische Artefakte: Wo kommt unsere Architektur her, wie sind unsere Städte entstanden? Und genauso Ausstellungen, die aktuelle Problematik von Architektur und Städtebau verhandeln. Und das müssen wir natürlich machen. Und das müssen wir auch mitten in Berlin machen. Und ich finde diesen zentralen Ort neben dem Schloss wunderbar dafür.“

Der ideale Ort also für den notwendigen Spagat: einerseits Museum und Architekturarchiv, andererseits Plattform und Forum für den Austausch über das Bauen im 21. Jahrhundert. Eben dieser Herausforderung hat die Klasse von Professor Fröhlich aus Lausanne sich gestellt. Für eine erste Bestandsaufnahme wurden Modelle der Fassade rekonstruiert, dazu die Kubatur und die Gliederung im Innern: Sehr kleinteilig, kaum geeignet für heutige Anforderungen an Museen oder Kulturforen. Also sind Entwürfe entstanden, die mit viel Glas und Stahl, übereinander verschachtelten Kuben oder gestaffelten Geschossen auf den ersten Blick nichts mehr mit Schinkel zu tun haben. Die aber bei näherem Hinsehen seine Ideen aus dem 19. Jahrhundert übertragen, übersetzen in zeitgenössische Ausdrucksformen des digitalen Bauens. Denn:

„Wenn man die Bauakademie wirklich so wieder aufbauen, aufmauern würde wie man das seinerzeit getan hat – das wäre vielleicht ein wunderbares Kunstprojekt! Aber dann bitte ohne Heizung, ohne Fahrstuhl, ohne Brandmelder, ohne Dämmung.“

Mittels Internet eine Debatte in Gang gebracht

In Berlin darf, ja muss auch mal zugespitzt argumentiert werden, wenn es um Architektur und Städtebau geht. Anders ist die Debatte – wenn man sie überhaupt so nennen kann – nicht in Gang zu bringen. Immerhin hat es zur Bauakademie dann doch ein „Dialogverfahren“ gegeben, drei Runden mit Experten in der Regie der Bundesstiftung für Baukultur. Das reichte Ulrich Müller und seinen Mitstreitern nicht, sie lancierten ihr Manifest. Und per Facebook, im Internet haben sie es geschafft:

„Ohne Mittel, definitiv ohne Budget zumindest die Fachöffentlichkeit zu sensibilisieren wie es – und das muss man ganz klar sagen – der Bundesstiftung Baukultur eben in diesem Maße nicht gelungen ist. Wir haben die erste Veranstaltung dort besucht und waren überrascht, dass bei diesem immens wichtigen Thema so wenig Publikum da war.“

In diesen Tagen nun ist auch ein Ideenwettbewerb angekündigt worden, um grundsätzlich Aufgabe und Nutzung einer Bauakademie zu klären. Erst, wenn über den Inhalt entschieden ist, soll in einem Architektenwettbewerb die Form des Gebäudes festgelegt werden. Und auf dem Weg dorthin ist die Ausstellung in Ulrich Müllers Architekturgalerie ein erster Schritt:

„Wenn wir eine Berliner Hochschule oder Universität mit diesem Thema hier zeigen würden, oder einen Wettbewerb von Berliner Kollegen: Es würden sofort Lagerkämpfe ausbrechen. Insofern könnte vielleicht diese Ausstellung einen kleinen Beitrag dazu leisten, das etwas unverkrampfter anzugehen.“

 

Quelle: Deutschlandfunk Kultur, 10.08.2017

 

 

3 Kommentare zu “„Originalgetreuer Schinkel oder doch moderne Fassade?“

  1. Die Stadt steht voller hässlicher moderner Architektur, sei es aus DDR-Zeiten, sei es aus Nachwendezeiten. Ich habe nichts gegen die Moderne, aber in den letzten Jahren haben mich in Berlin nur sehr wenige moderne Gebäude überzeugt.

    Warum kann man hier nicht einfach mal den ursprünglichen Plan umsetzen und die formvollendete, in ihrer zeitlosen Architektur herausragende originale Schinkelsche Bauakademie wieder aufbauen. Hier, an der Keimzelle Berlins sollte man doch versuchen wenigstens ein bisschen des alten Berlins wiederherzustellen, gerade auch im Umfeld des wiederaufgebauten Schlosses (Humboldtforum).

    Wenn man sich in der Stadt modern einbringen möchte, bitte. Aber dann bitte einfallsreich und vor allem nicht an dieser Stelle!

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