„Niemand hat die Absicht, kein Denkmal zu bauen“

25.01.2017    Der Tagesspiegel

 

Am Mittwoch tagte der Kulturausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus – nicht öffentlich. Einziges Thema: Das geplante Einheitsdenkmal vor dem Humboldt-Forum.

Von Christiane Peitz

Mit der Demokratie ist es in der Kultur hierzulande manchmal nicht weit her, jedenfalls seitdem die CDU hier federführend ist. Dass der Bundeskulturausschuss, bei dem an diesem Mittwoch das Aufregerthema Berliner Einheitsdenkmal verhandelt wurde, nicht öffentlich tagt regt viele auf. Der Ausschuss-Vorsitzende Siegmund Ehrmann (SPD) äußert Unmut darüber, dass die Christdemokraten auf den Ausschluss der Öffentlichkeit beharren. Die Linken und die Bündnisgrünen äußern die gleiche Kritik. „Kulturpolitik ist keine Geheimsache!“, so der Kulturrat.

Dabei gibt es beim Berliner Einheits- und Freiheitsdenkmal gerade nichts Wichtigeres als Öffentlichkeit und Debatte. 2007 beschlossen, 2011 mit dem Siegerentwurf von Sasha Waltz und Johannes Millas „Einheitswippe“ in die nächste Phase gelangt, 2016 vom Haushaltsausschuss mit Finanzstopp belegt, droht die Idee, im Schatten des Humboldt-Forums an die friedliche Revolution zu erinnern, im politischen Debakel zu enden.

Die Experten sagen: Parlamentsbeschlüsse sind bindend

„Manchmal brauchen Dinge einen längeren Reifungsprozess. Es ist nicht falsch, die Diskussion nochmals zu führen“, meint Rüdiger Kruse, der als kulturpolitischer Sprecher der CDU der Sitzung als Gast beiwohnte. Kulturstaatsministerin Monika Grütters plädiert ohnehin für einen Neustart der Diskussion, auch um den Standort. Burkhard Blienert, für die SPD im Kulturausschuss, begrüßt es, dass nun ein „ breiter Diskussionsprozess, Transparenz und Öffentlichkeit“ eingesetzt hat. Leider sei es „in der Vergangenheit zu oft geschehen, dass Kulturprojekte wegen unzureichender finanzieller und baulicher Planung sowie mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz zu scheitern drohten“.

Ulle Schauws von den Grünen sieht das anders. Von der Sitzung berichtet sie, dass alle dort aufgetretenen Experten – darunter die Historiker Christoph Stölzl und Gabi Dolff-Bonekämper, Olaf Weißbach für die Robert-Havemann-Gesellschaft und Denkmalsbefürworter Wolfgang Thierse – sich für das geplante Denkmal aussprachen, am vorgesehenen Standort neben dem Schloss. Man solle die Experten ernst nehmen. Bei aller Notwendigkeit der Einbindung der Bevölkerung und einer „transparenten Klärung des gesamten Verfahrens“ gehe es nicht an, dass über Jahre gereifte Parlamentsbeschlüsse ausgehebelt werden. Die Auftragsvergabe an Künstler und Architekten müsse verbindlich sein. Eine Demokratie, die die eigenen parlamentarischen Prozesse nicht ernst nimmt, mache sich unglaubwürdig. Daran erinnerte im Ausschuss auch Bundestagspräsident Norbert Lammert: Parlamentsbeschlüsse sind bindend.

Will heißen: Niemand hat die Absicht, kein Einheitsdenkmal zu bauen. Auch Sigrid Hupach, kulturpolitische Sprechern der Linken, betont die Notwendigkeit einer breiten öffentlichen Akzeptanz. Es könne nicht sein, dass „ein Haushaltsausschuss nach Gutsherrenart entscheidet, was in Berlin gebaut werden soll oder nicht“. Burkhard Blienert betont nach dem Ende der Anhörung, dass der Widerspruch zwischen Parlaments- und Haushaltsausschuss-Beschluss zügig aufgelöst werden müsse. Auch das ist die Demokratie sich schuldig. Dass Empathie und Herzblut bei der Würdigung des Bürgereinsatzes für Einheit und Freiheit 1989 im Spiel sind, versteht sich von selbst. Und dass das Lebenselixier einer Demokratie die Kontroverse ist. Auch die Kontroverse um Denkmäler.

 

Quelle: Der Tagesspiegel, 25.01.2017

 

 

26 Kommentare zu “„Niemand hat die Absicht, kein Denkmal zu bauen“

  1. „Bei aller Notwendigkeit der Einbindung der Bevölkerung…“ – dennoch: „Man solle die Experten ernst nehmen.“ 

    Schade, dass sich diese so genannten Experten einen Dreck um die Mehrheitsmeinung der Bürger scheren. Tolle Demokratie! 

    Die Schlossumgebung sollte der Souverän des Volkes nicht irgendwelchen Experten überlassen. Er sollte hier selbst entscheiden. Zu diesem Thema ist dringend eine Volksabstimmung notwendig. – Die „Experten“ werden es mit Sicherheit vergeigen.

  2. UweKaden Eine Volksabstimmung ist nicht nötig. Nur Vernunft und Verständnis. Dies geht aber den Entscheidern ab. Menschen, die ’89 des „Volkes Stimme“ waren oder sich dazu erhoben, sind auf das Niveau berufspolitischer Schwätzer gesunken. Das ist Schade, ja es tut geradezu weh, wie ein undemokratisch zustande gekommener Beschluss – wer zum Teufel hatte den Berliner Senat zu einem solchen Denkmal ermächtigt? –  notfalls unter Ausschluß der Öffentlichkeit, also undemokratisch, durchgesetzt werden soll. Die Revolution, richtig genannt, Wende, lässt grüßen. Eine Rückbesinnung scheint notwendig. Stellt das Ding in Leipzig auf. Die Leute dort haben es sich verdient.

  3. Der Kulturausschuss sagt: „Niemand hat die Absicht, kein Denkmal zu bauen“. Vielleicht kann dieses Hoffnung einer  Wiederherstellung des Historisches Nationaldenkmal sein. Sigrid Hupach, Linke, ruft Haushaltasschuss „der Gutsherrenart“.  Das sind die ganze Volke, die entscheden was vor dem Schloss gebaut sein. Das ist Demokratie!

  4. In der Demokratie eines Rechtsstaates sind die Politiker gewählt worden um an Volkes statt zu entscheiden. Herr Thierse und die anderen sind also rechtmäßig berufen worden zu entscheiden.  Wenn diese Politiker aus ideologischen oder sonstigen Gründen eine Fehlentscheidung treffen, ist dann auch der Wähler schuld? Vermutlich ja, wegen der Mehrheit, die die Politiker an die Macht brachte. Wenn also Herr Thierse und die anderen die Wippe bauen lassen, müssen wir das hinnehmen.  Wie die meisten Kommentatoren auf dieser Website zöge ich aus den hier immer wieder genannten Gründen eine weitgehende Wiederherstellung des alten Schlossumfeldes (inkl. Nationaldenkmal) vor. Aber ich hänge vielleicht altem Denken an — ästhetisch, geschichtlich, politisch, ähnlich den Menschen in anderen Völkern und Ländern. Hierzulande ist manches anders — Normalität und Kontinuität wie bei den anderen sind hier nicht erlaubt. Stilbrüche und Geschichtsbrüche und anderes sind gewollt  — und nicht nur von Politikern, selbsternannten Intellektuellen usw. , sondern auch von einem großen Teil der heutigen Wähler. Immerhin, wer die Wippe-Befürworter nicht gewählt hat, kann hinterher lachen.  Wer da jedoch mit entscheidet könnte sich fragen, wie das Ergebnis von der Bevölkerung und der Welt angenommen wird, wenn es ihm/ihr nicht egal ist — solches liegt eben in deren Verantwortung.

  5. Baut das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal wieder auf. Für die Freunde der Einheitswippe findet sich bestimmt in der Nachbarschaft ein besseres Plätzchen um die Wippe aufzustellen.

  6. Die Mehrheit der Berliner ist definitiv für die Wiederherstellung der Kollonaden ob mit oder ohne Kaiserdenkmal,genauso wie für die Rossbändiger und die Rückholung des Neptunbrunnens und zuguterletzt auch die Oranierfürsten,was aber die „Experten“ überhaupt nicht tangiert!!! Aber was von Demokratie salbadern das tun sie.

  7. Als Konzession an die politisch/kulturelle Linke wird doch schon eine moderne, also relativ hässliche Ostfassade erichtet. Wenn darüber hinaus der Blick auf das Eosander-Portal durch die Thierse-Wippe beeinträchtigt werden soll, geht das in meinen Augen zu weit. Beste Lösung: Kolonnaden + Kaiserdenkmal. Zweitbeste Lösung: Nur die Kolonnaden. Drittbeste Lösung: Der Blick bleibt völlig frei.

  8. Welchen Grund gibt’s dafür, also für Historisierung? Man muss nicht ganz Preußen wieder aufbauen, sondern nach Notwendigkeit und Bedürfniss. Ich bin ja kein Gegner von historischen Gebäuden, aber die Mischung macht eben auch den Unterschied. Fängt man einmal an, hört man nicht mehr auf – sehe das monotone Potsdam! 🙁

  9. Das ganz allgemeine Problem was wir in Deutschland mit Rekonstruktion bzw. Wiederaufbau haben ist das diese sogenannten“ Expertenkommisionen,Jurys und Fachausschüsse“ oder was es sonst noch gibt,die darüber mitentscheiden dürfen,im allgemeinen Linksgrün68er versifft sind.In Berlin kommt noch erschwerend R2g dazu.Meine persönliche Einschätzung ist das die Bauakademie kommen wird,sie ist unvorbelastet,die Kollonaden könnten kommen(???).Für das Kaiserdenkmal sehe ich schwarz bei R2g.Hoffe ich werde eines besseren belehrt werden!!!

  10. Potsdam ist nicht monoton. Ich habe noch nie eine Stadt mit solchen Stilbrüchen gesehen. Üblicherweise stehen Gebäude im Stil des Hotels Mercure oder der Fachhochschule außerhalb einer Stadt (Plattenbausiedlung) – nicht so in Potsdam.

  11. Wippe ? Sowas bescheuertes!
    Ich bin für Kaiserdenkmal und Kolonaden! Weil s einfach zu unserer Geschichte gehört! Was bitte soll so eine Wippe???
    Vielleicht laufen dann die Linken und Grünen darauf hin und her und versuchen, ein „Gleichgewicht “ zu bekommen?
    Total weltfremd alles…

  12. Auch ich bin für die Kolonnaden und das historische Schloßumfeld. Es geht doch um die Wiederherstellung eines Stadtgefühl’s in meinen Augen. Mit ehemaligem Staatsratsgeäude, den ( in meinen Augen tragischen ) Neubauten um die Friedrichswerdersche Kirche und der ganzen Gestaltung des Raumes vor dem Roten Rathaus ( der eigentlichen Altstadt) gibt es doch reichlich Berliner Baugeschichte! Meiner Heimat würde einfach ein geschlossenes Ensembles historischer Bauten ( wie in Paris, Rom, London, auch wenn mir iklar ist, dass Berlin dank Adolf Nazi stark zerstört wurde) gut stehen und auch Stadtentwicklung fühlbar und erlebbar machen. Leider gibt es in Berlin schon reichlich moderne Architektur der langweiligen, monotonen Sorte! Da hat uns sogar Hamburg was voraus ? Und wenn ich beobachte, was im Kiez der ehemaligen Petrikirche/ Spittelmarkt ( dem alten Cölln) gebaut wird und wurde, gibt es wenig Hoffnung auf interessante, die Vorgängerbauten respektierende oder gar zitierende moderne Gebäude! Dann lieber Rekonstruktionen! Die erfreuen den Betrachter und lassen ihn genauer hinschauen!!!

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