Mitte soll alt aussehen
Bürgerforum fordert Baustopp im historischen Berliner Stadtkern. Schlossstiftung stellt ihre Pläne vor
Berlin – Die Rekonstruktion des Berliner Schlosses, die Mauern des gotischen Rathauses, die Grabungen am Petriplatz und der Entwurf für die Bebauung von Alt-Cölln – Berlin schickt sich an, die historische Mitte der Stadt zu entdecken und zu entwickeln. Aber schon der Umgang mit den ersten Funden – der Petrikirche und dem gotischen Rathaus zum Beispiel – zeigen: Die geborgenen Gemäuer unter der Erde bieten ebenso viel Sprengstoff wie die Frage, wie viel Geschichte braucht, wie viel Geschichte will sich Berlin leisten.
Die Berliner stimmen dieser Tage darüber mit den Füßen ab: Die Vorstellung der Pläne für die Rekonstruktion des Schlosses musste wegen des großen Andranges von Kronprinzenpalais in das Audimax der Humboldt-Universität verlegt werden. Und schon ein Tag zuvor ging es beim Bürgerforum in der Marienkirche hoch her. Das Forum haben der Stadthistoriker Benedikt Goebel und der Publizist Klaus Hartung ins Leben gerufen, und es mobilisierte in kürzester Zeit Hunderte. Sie fordern: Erst graben, dann planen – denn zuerst müsste der Berliner Untergrund, der noch weitere aufschlussreiche Funde verspricht, umfassend erforscht werden, dann könne man sich Gedanken über U-Bahn-, Straßenbahn- und Bebauungsplanung machen.
Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus: Die Rathausbrücke, deren seitliche Beton-Rampen gerade entstehen, werden wie Mauern vor dem Nikolaiviertel emporragen. Oder das neue Shoppingcenter, dessen Baugenehmigung der Senat vor kurzem beschloss: Das haben zwar die Stararchitekten Sauerbruch & Hutton für den C&A-Konzern am Alexanderplatz entworfen. Doch der 38 Meter hohe Koloss ragt quer zum historischen Stadtgrundriss in die Höhe. Die aus Sicht des Forums aber zurzeit am stärksten umkämpfte Baustelle der Stadt liegt direkt vor dem Roten Rathaus: Der Bahnhof „Berliner Rathaus“ der Linie U5 soll just dort entstehen, wo man auf die Tuchhalle des alten gotischen Rathauses gestoßen ist. Ein Ansinnen, dass vom Forum strikt abgelehnt wird.
Doch Vertreter der BVG erläuterten am Dienstag, warum Umplanungen, die die Gesamterhaltung der historischen Funde ermöglichten, aus technischen Gründen nicht möglich sind: Der Tunnel vom Alexanderplatz ist zu weit vorgebaut, ein Verschwenken der Gleise nicht möglich, die Höhe auch vorgegeben, und die Kosten laufen ohnehin schon aus dem Ruder. U-Bahnhof-Architekt Oliver Collignon ist zwar fasziniert von den historischen Funden und auch durchaus bereit, umzuplanen und ein „archäologisches Fenster“ einzurichten, das den Blick auf die Funde ermöglicht. Doch von Vorgaben für Fluchtwege und Brandschutz ist auch er nicht frei. Und Manfred Kühne, der Vertreter der Senatsverwaltung, plädiert angesichts der Erfahrungen am Petriplatz, wo nach den überraschenden Funden für viel Geld umgeplant werden musste, für Geduld und langen Atem: Die Grabungen und der Umgang mit den Funden sei eine Diskussion, die sich Monate, wenn nicht Jahre hinziehen könnte.
Nicht nur mehr Zeit, sondern ein „Moratorium“ für die historische Stadt fordert das Bürgerforums, also keine Planungen und keinen Neubauten im Bereich der alten Bürgerdoppelstadt Berlin und Cölln. Der Bereich zwischen Spreekanal und S-Bahn-Trasse, das alte Herz der Stadt, müsse als besonderes Planungs- und Sanierungsgebiet anerkannt und systematisch erforscht werden. Am Petriplatz soll auf den Grundmauern der alten Lateinschule zudem ein archäologisches Besucherzentrum entstehen, um dem großen öffentlichen Interesse an den Grabungen zu begegnen. Auch eine Idee für die alten Gemäuer bringen die Bürger ins Spiel: Warum diese Halle nicht nutzen, für Empfänge des Bürgermeisters, als Ausstellungsraum über die historische Stadtmitte oder auch als Infobox für die BVG? Architekt Klaus Maier stellte eine Simulation vor, wie man auf den historischen Mauern mit einer leichten Stahlkonstruktion den alten Halleneindruck wiedergeben könnte.