Berliner Schloss
Letzte Ausfahrt Agora
Grundsteinlegung soll im Frühsommer 2013 sein, noch vor der Bundestagswahl. Der künftige Veranstaltungsbereich rings um den Eosanderhof, die sogenannte Agora, hat jetzt mit dem Schweizer Martin Heller einen Projektleiter bekommen.
Wenn je ein Kulturprojekt eine Wiederauferstehung nötig hatte, war es das Berliner Schloss. Vor sechs Monaten, nach den Sparbeschlüssen des Bundeskabinetts, stand alles in Frage: der Zeitplan, die äußere Gestalt des Schlosses, sogar der Wiederaufbau selbst. Mit der Verschiebung des Baubeginns auf das Jahr 2014 hatte sich die Regierungskoalition von der Verantwortung für das Vorhaben losgesagt. Das Schloss schien einer jener Ballastkörper zu sein, die man in harten Zeiten über Bord wirft, um das Staatsschiff für die Tagespolitik flott zu bekommen.
Und nun, langsam und tröpfchenweise, kehrt alles wieder zurück. Schon im übernächsten Jahr sollen vorbereitende Maßnahmen am Fundament stattfinden; die Grundsteinlegung, teilte der Kulturstaatsminister gestern mit, werde im Frühsommer 2013 sein, noch vor der Bundestagswahl. Zwar wurde die Eröffnung der Humboldt-Box in aller Stille auf das kommende Frühjahr verschoben; aber auch hier gehen, wie der Spaziergänger Unter den Linden bezeugen kann, die Bauarbeiten am Westrand des Schlossplatzes gut voran.
Bloß keine vorauseilende Euphorie
Ist also alles im Lot beim „Schloss der Republik“, wie es die Berliner Kunsthistorikerin und Stadtplanerin Gabi Dolff-Bonekämper gern nennen würde? Diesen Eindruck möchten die Verantwortlichen des Bundes und der Preußenstiftung jetzt offenbar erwecken. Aber man muss nur die Computersimulationen der federführenden „Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum“ mit den Kostenrechnungen des Bundesbauministeriums vergleichen, um von vorauseilender Euphorie augenblicklich geheilt zu sein. Auch am Widerspruch zwischen der äußeren Gestalt und der inneren Idee des Gebäudes hat sich nichts geändert. Die Anwälte eines Weltkulturenmuseums im Schloss nennen diesen Widerspruch fruchtbar. Möge er ihnen nicht als furchtbarer wiederbegegnen.
Als programmatisches Scharnier zwischen den Barockfassaden und den ethnologischen Objekten im Inneren ist der Veranstaltungsbereich rings um den Eosanderhof vorgesehen, die sogenannte Agora. In einigen Köpfen der Berliner Kulturszene hat der Agora-Begriff mittlerweile eine solche Ausdehnung angenommen, dass er alle anderen Probleme des Schlossbaus verdrängt. Das Humboldtforum würde so zum Kulturzentrum mit angeschlossener Museumssammlung. Um die Vision in eine realistische Form zu bringen, drängt Kulturstaatsminister Neumann seit langem auf die Berufung eines Programmplaners für die Agora. Am Montag konnte er seinen Kandidaten präsentieren.
Martin Heller, der jetzt als „Projektleiter“ für den künftigen Wechselbetrieb im Schloss formiert, hat als künstlerischer Direktor der Schweizer Expo 02 und Intendant der europäischen Kulturhauptstadt Linz bewiesen, dass er zwischen den Ansprüchen der Politik und der Kultur vermitteln kann. Der ihm beigegebene Beraterkreis, dem neben bekannten Gesichtern – Wolf Lepenies, Klaus-Dieter Lehmann, Hortensia Völckers, Jürgen Flimm, Bernd Scherer – auch die frühere Leiterin des Göteborger Museum of World Culture, Jette Sandahl, der Kulturwissenschaftler Arjun Appadurai und der einstige documenta-Kurator Okwui Enwezor angehören, wirkt ebenfalls gut aufgestellt.
Parzinger hat sich vorerst gegen Neumann durchgesetzt
Der Pferdefuß des Verfahrens liegt darin, dass der Züricher Kulturmanager und sein Ratgeberteam an dem Großprojekt, das sie vorbereiten sollen, womöglich gar nicht beteiligt sein werden. Bis 2013 muss Heller ein Gestaltungskonzept vorlegen, zwischendurch soll er seine Ideen auf Kulturveranstaltungen vorstellen, anschließend aber, so scheint es, fällt die Hoheit über die Agora wieder an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zurück. Damit hat sich deren Präsident Hermann Parzinger vorerst gegen Neumann durchgesetzt. Denn natürlich droht den immer noch vagen Plänen der Preußenstiftung zur musealen Innengestaltung des Schlosses durch einen allzu feuerköpfigen Agora-Manager unliebsame Konkurrenz. Deshalb musste es in Parzingers Interesse sein, Hellers Engagement zu befristen. Auch „Intendant“ darf der Schweizer keinesfalls heißen. Seine Berufung ist nur das jüngste Provisorium in der mit Vorläufigkeiten gepflasterten Geschichte dieses Projekts.
Unterdessen ist eine hartnäckige Illusion der Schlossplaner, der unter dem früheren Bundesbauminister Tiefensee erstellte Kostenrahmen, ohne Aufsehen zerplatzt. Vergangene Woche stellten die Teilnehmer einer Expertentagung, zu der die „Stiftung Berliner Schloss“ im Frühjahr eingeladen hatte, ihre Ergebnisse in zehn Thesen vor. Das Bauwerk, so lautet eine, müsse „in höchstmöglicher Qualität“ und „historischer Materialität“ ausgeführt werden – oder eben lieber nicht. Eine Billigversion, wie sie das bisher geplante Budget erzwänge, wäre ein unabsehbares Debakel. Das wussten wir bereits. Jetzt weiß es auch die Politik.
FAZ am 27.Mai 2011, Text von Andreas Kilb