Ich habe für das Berliner Schloss gestimmt

Die Mitte der Hauptstadt

von Hans Joachim Otto

Der Schlossplatz in Berlin ist ein Ödland. Das sticht schmerzlich ins Auge, gerade im Vergleich zur Museumsinsel, die in den letzten Dekaden vervollständigt wurde. Die Wiedereröffnung des Neuen Museums und seine hohe Wertschätzung bei Berlinern und Besuchern machen deutlich, was auf dem Schlossplatz fehlt. Dabei sollte eigentlich alles klar sein. Nach langer intensiver Debatte wurde im Sommer vor acht Jahren vom Bundestag mit großer Mehrheit fraktionsübergreifend beschlossen, das Berliner Schloss aufzubauen. Denn: Der Prachtboulevard Unter den Linden mit dem Brandenburger Tor am Pariser Platz im Westen und der Museumsinsel und dem Schlossplatz im Osten bleibt ohne das Schloss unvollständig. Diese Achse bildet die historische Mitte Berlins.

Das Stadtschloss bewegt: Zahlreiche Bürger spenden und wollen spenden. Es ist eine Bewegung entstanden, die weit über Berlin und Deutschland hinausreicht. Es ist wie bei der Dresdner Frauenkirche: Die Menschen wollen an historischen Orten Gebäude mit einer Seele und nicht das x-te verglaste Einkaufszentrum. Das bürgerschaftliche Engagement setzt ein Zeichen: Das Schloss entsteht aus einem bürgerlichen, einem demokratischen Geist und bildet damit eine klare Absage an alle Diktaturen, die in der Vergangenheit diesen Ort vereinnahmt hatten. Dieser Impuls von Freiheit und Weltoffenheit findet seine Entsprechung im Humboldt-Forum, das im Schloss eingerichtet werden soll. Es bereichert die Museumsinsel mit einer beeindruckenden Sammlung außereuropäischer Kulturwerke und bietet darüber hinaus ein Forum für Kunst, Wissenschaft und neue Ideen.

Die Bürgerbewegung für das Berliner Schloss ist Ausdruck einer tief verwurzelten Sehnsucht der Menschen nach Identifikationsmöglichkeiten. Nicht nur in Berlin oder Dresden, auch in München, Warschau, St. Petersburg oder Moskau wurden Stücke „gestohlener“ Geschichte zurückgegeben. Das bewegende Schicksal des Schlosses eignet sich hervorragend für eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Geschichte.

Das Berliner Schloss schließt eine städtebauliche Lücke, es komplettiert ein international bedeutsames Ensemble, und es ist ein Symbol der Bürgergesellschaft geworden. Diese drei Argumente haben mich in der Vergangenheit überzeugt, mich für den Wiederaufbau einzusetzen. Sie haben nichts an Gültigkeit verloren.

Hans-Joachim Otto, FDP, ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

Die Welt, Gastkommentar, 17.8.2010