Stadtplanung
Humboldt-Forum: Landesbibliothek soll draußen bleiben
Die Legislaturperiode liegt in den letzten Zügen, der Wahlkampf hat nicht nur in den Köpfen der Politiker längst begonnen. In der rot-roten Regierungskoalition erkennt man das auch daran, dass sich die Partner inhaltlich ein bisschen voneinander absetzen möchten.
Frei nach dem Motto: Wir haben jetzt eine paar Jahre nett miteinander regiert, aber eigentlich unterscheiden wir uns doch.
Das konnte man gestern im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses beobachten. Zentraler Diskussionspunkt war die Zukunft der Stadt- und Landesbibliothek (ZLB). Die ist auf zwei große Standorte verteilt: Zur ZLB gehören die Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg und das Haus an der Breiten Straße in Mitte. Die Unterbringung der Bücher ist nicht optimal, gut in Erinnerung noch ein Fototermin mit Kulturstaatssekretär André Schmitz, der gemeinsam mit Generaldirektorin Claudia Lux und zahlreichen Eimern im Lesesaal posierte. Das Wasser tropfte von der Decke. Besser kann man Sanierungsbedarf kaum illustrieren.
Aber die Regierungskoalition, die kulturelle Bildung als Schwerpunktthema ansieht, möchte einen Schritt weiter gehen: Ein zentraler Neubau soll her, der Standort ist bereits gefunden: Am Rande des ehemaligen Flughafenareals Tempelhof soll für 270 Millionen Euro gebaut werden. Die SPD hat das auch schon in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wünscht sich etwas „architektonisch Bedeutendes“, also bloß keinen Zweckbau aus dem Kasten. Schließlich soll die öffentliche Investition eine Ankerfunktion übernehmen, der SPD schwebt in Tempelhof ein Bildungsquartier mit U- und S-Bahnanschluss vor.
Die Opposition hat nichts gegen einen zentralen Standort, hält aber die Investitionssumme für überhöht. Alice Ströver (Grüne) mahnt ein Konzept an und erinnert an die künftigen Betriebskosten, die erfahrungsgemäß nach oben schnellen je größer ein Bauvorhaben ausfällt. Michael Braun (CDU) weist darauf hin, dass die Summe von 270 Millionen ein „Totschlagargument“ sei. Das sei finanziell in den nächsten Jahren gar nicht „zu stemmen“. Oliver Schruoffeneger (Grüne) erinnert an die günstigeren Bibliotheksbauten der Technischen (47 Mio. Euro) und der Humboldt Universität (75 Mio. Euro).
Auf die Suche nach Einsparmöglichkeiten fordert die Linkspartei einen Verzicht auf das mit 20 Millionen Euro veranschlagte Bibliotheks-Schaufenster im künftigen Humboldt-Forum – und rückt damit vom Koalitionspartner ab. „Wenn der Neubau kommt, verzichten Sie bitte auf die Zweigstelle Schlossplatz 1“, sagt Wolfgang Brauer (Linke) zur anwesenden ZLB-Generaldirektorin Claudia Lux. Das sehen die drei Oppositionsparteien auch so. Wowereit verteidigt die Pläne fürs Humboldt-Forum. Offenbar weniger, weil er das Konzept, das auch gestern eher im Dunklen blieb, überzeugend findet, sondern aus politischen Gründen: Der Bund, der den Großteil der Kosten für das Humboldt-Forum in Gestalt des Stadtschlosses übernimmt, dränge, dass Berlin „in Vorleistung geht“. Nicht gerade ein schlagendes Argument für eine 20-Millionen-Investition.
Berliner Morgenpost am 17. Mai 2011