Höllensturz in der Volkskammer

Höllensturz in der Volkskammer

Heikles Thema, heikler Ort: Im Palast der Republik beschäftigen sich 25 Künstler mit dem Phänomen Tod

Parsifal ist raus. Nun ist der Tod eingezogen in den Palast der Republik im Herzen Berlins. „Tod“ heißt das Ausstellungsmotto der Fraktale IV: ein heikles Thema, ein heikler Ort. Palastgegner werden ohnehin nicht hingehen, weil sie diesen ideologisch besetzten DDR-Monsterbau nicht noch künstlerisch aufgewertet sehen möchten. Aus der Perspektive des Kunstbetrachters allerdings kann man eines feststellen: Gerade für die bildende Kunst könnte es in der Mitte der Stadt keinen besseren Ort geben für solch ein temporäres Projekt, das den Übergang, das Verschwinden, das Gestern und Heute, die Erinnerung zum Thema macht. Der ruinöse Palast selbst – dem in den nächsten Monaten die Abrißbirne droht – ist Architektur gewordene Metapher eines untergegangen Staates, der in einigen Köpfen ewig nicht sterben mag. Diese Ausstellung generiert also im Subtext die politische Geschichte des Palastes immer auch mit.

In der ehemaligen Volkskammer kommt es zDer Spannungsbogen zum White Cube. Facettenreich die Arbeiten: perfide, witzig, spielerisch. Benjamin Bergmanns zeigt seine zehn Meter hohe um brachialen Höllensturz. Hier sind die monumentalen, raumgreifenden Arbeiten installiert. Bunjee-Abschußrampe: „Und eines Tages will ich es wissen“. Ist Todessehnsucht etwas Schönes? Die gegenwärtigste, politischste gleichwohl grausamste Arbeit stammt von Boris Nieslony. Der 60jährige hat Fotos von Opfern von Massakern an Stahlleinen aufgezogen. Furchtbar zugerichtet, verstümmelt und zerschossen. Leichentücher bilden den Hintergrund.

Mit dem Tod ist es so eine Sache. Das Thema ist unpopulär, archaisch und zugleich pathetisch aufgeladen. Sich daran zu wagen, ist ein Verdienst. Die Auswahl subjektiv. Zwei Jahrtausende, so hat Philippe Aries in seiner „Geschichte des Todes“ recherchiert, war die Einstellung zum Tod nahezu unverändert. Er war ein vertrauter Begleiter. In unsere moderne Gesellschaft mag er nicht recht passen. Er wird gezähmt. Im Palast der Republik zwinkert er uns zu. Nicht die schlechteste Art, ihm zu begegnen, oder?

Berliner Morgenpost, 14.09.2005