Ethnologische Selbstzerfleischung
Zu dem in der FAZ vom 12. Januar von dem Vorsitzenden der Ethnologischen Gesellschaft und Lehrstuhlinhaber der völkerkundlichen Fakultät an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gemachten heftigen Vorwürfen zur Planung des Humboldtforums nimmt der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nun in einer Leserzuschrift in der FAZ am 15.1.2011 unmissverständlich Stellung. (Siehe hierzu auch unseren Pressedienst mit eigenem Kommentar auf dieser Webseite)
„Völkerkunde ist ein kleines Fach geblieben, das über keine nennenswerte Lobby verfügt“, schrieb Karl-Heinz Kohl am 12.01. in der FAZ. Wenn man seinen Artikel liest, dann versteht man auch, warum das so ist. Die Art und Weise, wie er die Direktorin des Berliner Ethnologischen Museums auch persönlich attackiert und dabei das gesamte Projekt Humboldt-Forum und die große Chance für die Ethnologie diskreditiert, sind unwürdig und unerträglich. Entgegen Kohls Darstellung hat sich Frau König von Anfang an um die Konzeption des Humboldt-Forums intensiv gekümmert und die Zwischenergebnisse der Fachöffentlichkeit bekannt gemacht.
Liest man den Artikel genauer, so findet man auch manch Erstaunliches. So soll den Berliner Ethnologen etwa die ästhetische Kraft ihrer Objekte nicht klar sein, weil sie angeblich nur die Kontexte ihres Gebrauchs im Sinne hätten. Die Ausstellungen des Berliner Museums, die die künstlerischen Qualitäten der Objekte betonen (z. B. „Kunst aus Afrika“, „Neuirland“ „Benin“) und – auf mehreren Kontinenten gezeigt – hunderttausende Besucher angezogen haben, lässt Kohl unerwähnt. Es verwundert aber auch sehr, wenn ausgerechnet ein Ethnologe die Tatsache negiert, dass mit den Exponaten auch ungemein viel und Spannendes über fremde Kulturen und andere Gesellschaften erzählt werden kann. Gegen die reine Re-Ästhetisierung und Re-Exotisierung, für das sich das Pariser Quai Branly entschieden hatte und das Kohl als leuchtendes Beispiel für Berlin propagiert, hat sich vor zwei Jahren schon Wolf Lepenies mit Recht vehement gewandt.
Die Fachwelt ist sich mittlerweile längst einig, dass diese Form der Präsentation außereuropäischer Kulturen kein Muster für das Humboldt-Forum sein kann. Wir wollen hier einen Schritt weiter gehen. Dass nun angeblich auch noch die Agora im Humboldt-Forum vom Ethnologischen Museum verantwortet werden soll, ist neu; zeigt aber, wie wenig Kollege Kohl über das Projekt wirklich weiß. Vielleicht hätte er unserer Einladung zu dem von ihm erwähnten und vehement kritisierten Workshop vor einem Jahr folgen sollen, um diese Wissenslücken zu schließen.
„Starrsinn, Selbstüberschätzung und mangelnde Bereitschaft zur Kooperation“ wirft der Frankfurter Ethnologe einer Einrichtung vor, die zu diesem Projekt mit renommierten Wissenschaftlern aus aller Welt kooperiert. Freilich, dieses internationale Advisory Board hat einen Schönheitsfehler: Es verzichtet auf den in Ausstellungsbelangen kaum erfahrenen Kollegen Kohl.
Hermann Parzinger