Schloss der Republik
Es geht los: Die Stiftung Berliner Schloss stellt zehn Thesen vor
Die Rekonstruktion des Berliner Schlosses ist noch immer das unpopulärste unter den großen Kulturunternehmungen der Republik. Als Sparvorgaben in diesem Jahr eine Verzögerung des Baubeginns erzwangen, glaubten manche die Stunde gekommen, das ungeliebte Projekt endgültig zu verabschieden. Die Bundesstiftung Berliner Schloss – Humboldtforum nutzte die Zeit vernünftigerweise für Vorbereitungen. Schließlich war die Baustelle lange mit Elan beschworen worden statt mit Sachverstand. Das soll sich ändern.
Im Frühjahr trafen sich Macher, Unterstützer, Skeptiker, Gegner und Kenner des Vorhabens in der beinahe zu schön gelegenen Villa Vigoni am Comer See. Die Ergebnisse der Expertentagung können sich sehen lassen. In dieser Woche stellte sie der Herr der Preußischen Schlösser, Hartmut Dorgerloh, in der Berliner Humboldt-Universität vor: zehn Thesen zur Rekonstruktion des Berliner Schlosses. Sie sind – aus kunsthistorischer Sicht formuliert – eine Arbeitsgrundlage, um über das Wie zu beraten.
Der Ort stehe nicht allein für Staatsautorität, sondern auch für Welterkundung und Aufklärung. ‚Seine zukünftige Funktion soll auch an die Idee des Volkshauses anknüpfen und einen Ort für alle Kulturen der Welt schaffen.‘ These zwei fordert, die historischen Schlosskeller im westlichen Bereich in den Neubau einzubeziehen und sichtbar zu machen. Ebenso sollen erhaltene Fragmente wiederverwendet werden, durch Wiedereinbau am ‚historischen Ort‘, museale Präsentation oder ’sachgerechte Lagerung‘. These vier fordert Anstrengung, ist gegen Billiges und Surrogate gerichtet: ‚Die Fassadenrekonstruktionen müssen nach bestem Wissen und Vermögen in höchst möglicher Qualität, historischer Materialität und Ausführung/Technik durchgeführt werden.‘ Von formalen Reduktionen wird abgeraten, eine ‚Schlossbauhütte‘ soll her.
Moderne Teile sollen modern aussehen; Treppenhäuser, Durchgänge, Innenportale gehören zur Rekonstruktionsaufgabe, auch in den Obergeschossen sollen historische Grundrisse berücksichtigt werden. Ebenso sprach man sich für die Kuppel aus, auch die Möglichkeit der Rekonstruktion wichtiger Raumfolgen dürfe nicht verbaut werden. Aber es sei auch Raum ‚für zeitgenössische künstlerische Gestaltungen‘ vorzusehen. ‚Das Bauwerk‘, heißt es abschließend, ’soll in seinen Bauabschnitten in optimierter zeitlicher Abfolge und jeweils in sich stimmig realisiert werden.‘
Mit diesen Thesen liegt erstmals eine Arbeitsgrundlage vor, die es ermöglicht, die polemischen Energien dem Projekt dienstbar zu machen. In den kommenden Jahren werden Gründungsarbeiten durchgeführt, Mitte 2011 soll die Infobox eröffnet werden. Trotz Einsparungen geht es ordentlich voran, besser also ohne diese, möchte man meinen. Als Name für das seltsame Gebilde schlug die Kunsthistorikerin Gabi Dolff-Bonekämper ‚Schloss der Republik‘ vor. Auf geht“s.
Süddeutsche Zeitung, 18.12.2010