Ein Schloss, egal warum

Ein Schloss, egal warum  

Eine Abstimmung mit den Füßen ist es, ein Volksentscheid. Was soll mit Berlins Mitte passieren? Dreimal ging es in dieser Woche darum, mit höchst unterschiedlichem Zulauf. Am Montag, zu inhaltlichen Fragen des Humboldt-Forums, kamen knapp vierzig Interessenten, die meisten von ihnen Museumsleute oder sonst wie beteiligt. Am Dienstag, zum Bürgerforum Historische Mitte, waren immerhin 150 Bewegte in der Marienkirche dabei und verabschiedeten Resolutionen, ein Hauch von „Stuttgart 21“ lag in der Luft: Das ist unsere Stadt, wir wollen mitbestimmen. Am Mittwoch aber, als Architekt Franco Stella seine überarbeiteten Planungen zum Schlossplatz vorstellt, muss die Veranstaltung kurzfristig ins Audimax der Humboldt-Universität verlegt werden, so groß ist der Andrang.

Die Bilanz ist klar. Inhaltliche Ausgestaltung: null Interesse. Und Franco Stella und die Rekonstruktion des Hohenzollernschlosses: Noch immer der große Renner in der Berliner Stadtdebatte. Wir bauen uns ein Schloss, egal warum. So lautet das Fazit der Diskussionen, seit vielen Jahren schon. Schloss oder nicht Schloss, das ist die Frage, die eigentlich längst entschieden ist und noch immer die Gemüter erhitzt. Was mit dem Gebäude aber passieren soll, wie es schließlich genutzt wird, erscheint dagegen nebensächlich. Mindestens 550 Millionen Euro Baukosten, nur damit zur Achse Unter den Linden wieder eine Barockfassade steht? Das ist fast ein Fall für den Rechnungshof: die Errichtung eines millionenteuren Gebäudes ohne Bedarf oder öffentlichem Interesse an der Nutzung. Leben am Schlossplatz sieht anders aus.

Warum gelingt es den Humboldt- Freunden nicht, mit ihren Ideen ähnliche Erregungszustände zu generieren? Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung, wünscht sich mehr Streit und Leidenschaft, gerne auch Widerstand – nur so wird ein Projekt populär. Populär aber ist das Humboldt-Forum noch immer nicht. Die Diskussion verharrt im internen Kreis, wo sich zwar Museumsleute aus aller Welt für die Vision einer neuartigen Kultur-Plattform begeistern, doch die Öffentlichkeit lässt das Thema kalt.

Wie auch anders? Die Ausstellung, die sinnlich vorführt, was für eine Sogkraft eine neue Weltsicht entfalten kann, warum wir ein Forum der Weltkulturen brauchen, steht noch aus. Kein Wunder, dass das Misstrauen gegenüber den kulturpolitisch hochtönenden Träumen von Zukunft und Globalität auf dem Schlossplatz bestehen bleibt. Bislang sind es Kopfgeburten, für die Schublade ersonnen.

Der Tagesspiegel am 25.Mai 201, Text von Christina Tilmann