Ein Gefäß der Nuegierde
Mitinitiator Bredekamp plädiert weiter für das Humboldt-Forum
Das Centre Pompidou in Paris, einer der größten Erfolge der Museumsgeschichte überhaupt, ist teils erbittert abgelehnt worden. Am Tag seiner Eröffnung schlug die Abwehr in Anerkennung und Begeisterung um. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Mehrheit der Berliner die Errichtung des Schlosses noch mit Skepsis betrachtet, so würde sich mit dem ersten Besuchstag derselbe Effekt wie in Paris ergeben. Die Schlange würde bis zum Brandenburger Tor reichen.
Die aus den Beständen der Humboldt-Universität zusammengestellte Austellung „Theatrum Naturae et Artis“ des Martin-Gropius-Baues zog vor zehn Jahren in wenigen Wochen knapp 100 000 Besucher an. Im Besucherbuch wurde immer wieder der Wunsch notiert, dass diese Schau eine Dauereinrichtung werden sollte. Auch unter dem Eindruck dieser Ausstellung hat die Schlosskommission im Jahre 2001 beschlossen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gemeinsam mit der Landesbibliothek und der Humboldt-Universität als Gestalter des Humboldt-Forums zu berufen. Es sollten die in Dahlem gesammelten Schätze außereuropäischer Kulturen mit dem modernen Vermittler von Buchwissen und den Zeugnissen der Universitätskultur zu einem einzigartigen Gefäß der Neugierde, des Wissens, des Sammelns und der Entfaltung neuer Fragestellungen vereint werden – als Modell einer wahrhaft globalen Kultur. Mit diesem Schritt hätte Deutschland die beste Seite seiner Geschichte in den Dienst der Arbeit an der Zukunft stellen können: die Ausbildung der Idee des Weltbürgers.
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Der Sparertrag der jetzt beschlossenen erneuten Zurückstellung ist allein schon angesichts des Sanierungsbedarfs der Museen in Dahlem nicht gegeben. Der symbolische Effekt, dass eine Regierung bereits zum zweiten mal von einem Beschluss des Bundestages abrückt, ist daher wohl eine beispiellose kulturelle Niederlage der Bundesrepublik. Die Idee des Humboldt-Forums ist an vielen Orten beachtet und diskutiert worden; im Verein mit der Museumsinsel hätte sich eine – dieser Superlativ ist hier am Platz – weltweit einzigartige Verdichtung der Kunst, des Glaubens und des Wissens mit dem Ziel ergeben, Antworten nicht zu repetieren, sondern Fragen neu zu stellen.
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Süddeutsche Zietung, 11.06.2010