Der Neubau des Berliner Schlosses ist ein Wunder
Jahrelang erschien ein Wiederaufbau des Berliner Schlosses utopisch. Denn viele Berliner wussten nichts mehr von ihrem Schloss. Doch ab März rollen die Bagger.
Dass das Berliner Schloss in die Mitte der deutschen Hauptstadt zurückkehrt, grenzt an ein Wunder. Schon allein deshalb, weil wir wieder wie selbstverständlich von Berlin als der deutschen Hauptstadt sprechen, nachdem es vier Jahrzehnte durch eine Mauer geteilt war, von der alle dachten, sie werde zu unseren Lebzeiten nicht mehr überwunden.
Es grenzt aber vor allem deshalb an ein Wunder, weil das Berliner Schloss nach seinem Abriss Jahrzehnte aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden war. Weil es nur noch wenige Berliner gab, die das Barockbauwerk aus eigener Anschauung kannten, und weil sich in den nachwachsenden Generationen kaum jemand fand, der sich für dessen Geschichte interessiert hätte.
Zunächst war der Wiederaufbau unbezahlbar
Die Hälfte der heutigen Hauptstädter kam erst nach der Wiedervereinigung in die Stadt, und die meisten dieser Neubürger wussten nichts von dem Bauwerk oder seiner Bedeutung für die Stadtwerdung und Gestalt Berlins. Als sich nach dem Fall der Mauer die ersten Stimmen regten, die für einen Wiederaufbau der Hohenzollernresidenz plädierten, mussten die Bürger erst einmal nachlesen und nachschauen, was genau das eigentlich war, dieses Berliner Schloss.
Dabei wirkte die Idee eines Wiederaufbaus auf die einen wie ein Witz, weil es sich bei dem alten Schloss doch nur um einen „dunklen Kasten“ gehandelt habe und eine Rekonstruktion sowieso ein Anachronismus an der Schwelle zum 21. Jahrhundert sei – das frisch vereinte Land habe andere Sorgen.
Und die anderen, die die Bedeutung dieses größten Barockbaus in Norddeutschland erkannten und sich für die Idee des Wiederaufbaus begeistern konnten, hielten sie am Ende doch für unrealisierbar, für eine schöne Utopie.
Fast alle Fachleute hatten das Publikum ja auch darüber belehrt, dass aus der Idee nichts werden könne. Es fänden sich fast keine Bauteile mehr, und das Bauwerk sei kaum dokumentiert, hieß es. Ein Wiederaufbau lasse sich nicht bezahlen, und selbst wenn, fänden sich heute keine Handwerker mehr mit den erforderlichen Kenntnissen. Und auch wenn man sie fände, könnten sie nicht einmal annähernd die Wirkung erzielen, die von Schlüters Barockbau ausging.
Aber die Idee eines Wiederaufbaus wuchs und wuchs und nahm immer deutlicher Gestalt an. Und je mehr die Berliner vom früheren Schloss hörten und sahen, desto größer wurde ihre Zuneigung zu dem gewaltigen Komplex, der einst die Hauptstadt dominiert hatte.
Aus einem kleinen Kreis engagierter Kunstfreunde wurde eine stetig zunehmende Bewegung von interessierten Bürgern, die die Geschichte ihrer Stadt neu entdeckten. Es wurden historische Messbilder und alte Aufmaßpläne gefunden, es wurde nach Überresten geforscht und Aufklärung betrieben über all das, was dieses Schloss einst ausmachte, als Kunstwerk und als herausragendes Denkmal preußischer und deutscher Geschichte.
Zahlreiche Architekten reichten Entwürfe ein
Und dann entstand im Sommer 1993 vor aller Augen jene Fata Morgana, die den Stimmungsumschwung zugunsten des Wiederaufbaus einleitete: die Attrappe der Barockfassaden, in Originalgröße von einer französischen Künstlerin auf Leinwand gemalt. Dagegen sah der asbestverseuchte Palast der Republik alt aus.
Doch damit war noch nichts entschieden. Namhafte und weniger bekannte Architekten veröffentlichten gefragt und ungefragt zahlreiche Alternativentwürfe für einen Neubau, und der Streit darüber wuchs sich zu einer der längsten und größten architektonischen wie kulturpolitischen Debatten des Landes aus.
Drei Bundeskanzler haben sich mit der Zukunft der historischen Mitte Berlins befasst, neun Bauminister und vier Kulturstaatsminister; in Berlin drei Regierende Bürgermeister, vier Bausenatoren und sieben Kultursenatoren. Schließlich tagte eine Internationale Expertenkommission, die den äußerlichen Wiederaufbau des Schlosses empfahl, mit den drei barocken Fassaden und dem Schlüterhof, als Haus der Weltkulturen, der Künste und Wissenschaften unter dem Namen Humboldt-Forum.
590 Millionen Euro für den Neubau
Kostenvoranschlag
Der Bundestag hatte 2007 verbindlich festgelegt, dass die Kosten für den Neubau des Berliner Schlosses nicht mehr als 552 Millionen Euro betragen sollen. 440 Millionen davon sollte der Bund übernehmen, 32 Millionen das Land Berlin, 80 Millionen sollten durch Spenden hereinkommen. Doch der Kostenrahmen war nicht zu halten. Einer der Gründe dafür war der im Juni 2010 von der schwarz-gelben Bundesregierung aus Spargründen gefasste Beschluss, den Baubeginn um zwei Jahre zu verschieben. Aufgrund der achtprozentigen Kostensteigerungen im Baugewerbe seit 2007 soll das Prestigeprojekt mit Beschluss vom Juli 2011 sogar 590 Millionen Euro kosten.
Mehrkosten
Laut Prüfergebnis des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) bleiben die reinen Baukosten zwar knapp unter der Marke von 552 Millionen Euro. Jedoch kommen unter anderem noch 30 Millionen für die Risikovorsorge dazu, knapp zwei Millionen für die wirtschaftliche Energieversorgung durch Erdwärme. Auch die Auflagen des Denkmalschutzes führen zu Mehrkosten.
„Bauliche Optionen“
Nicht enthalten sind „bauliche Optionen“ über 28,5 Millionen Euro. Dazu gehören ein Dachcafé (3,3 Millionen Euro), die Rekonstruktion der Kuppel (15 Millionen Euro) und der Schlossportale für 10,2 Millionen Euro. Diese sollen – genauso wie die barocke Schlossfassade – durch private Spender finanziert werden. Wilhelm von Boddien, Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss, zeigt sich zuversichtlich: Von den 80 Millionen Euro für die historische Hülle seien bereits 19 Millionen eingesammelt.
Und im Sommer 2002 stimmte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit für diese Empfehlung. Die Abgeordneten wollten es bei den Fassaden nicht einmal auf einen Architektenwettbewerb ankommen lassen, sie wollten die schlütersche Pracht – zum Entsetzen der meisten Architekten und Denkmalpfleger. Die Bundestagsentscheidung war ein Fanal, das – wie sich zeigen sollte – einer Zeitströmung entsprach. 2005 wurde in Dresden die wieder aufgebaute Frauenkirche geweiht, und in ihrem Schatten wachsen nun die im Zweiten Weltkrieg ebenfalls zerstörten Altstadtquartiere wieder heran.
Seit 2007 steht in Braunschweig die äußere Gestalt des niedergelegten Welfenschlosses wieder, in Potsdam wird gerade das abgetragene Stadtschloss als Landtag Brandenburgs äußerlich rekonstruiert, wenige Hundert Meter davon entfernt soll die einst gesprengte Garnisonkirche folgen. In Frankfurt am Main wurde das abgerissene Palais von Thurn und Taxis neu aufgebaut, Teile der zerstörten Altstadt sollen ebenfalls wiedererstehen. Und in Hannover wird das zerstörte Schloss Herrenhausen äußerlich rekonstruiert.
Franco Stella gewann den Architektenwettbewerb
Wie das neue Berliner Schloss aussehen wird, steht seit dem 28. November 2008 fest. An jenem Tag wurde der Sieger des Architektenwettbewerbs verkündet: Franco Stella aus Vicenza gewann mit einem Entwurf, der Schlüter großen Respekt zollt, der das barocke Äußere mit einem neuen Innenleben verknüpft und der auch den Wiederaufbau der Kuppel vorsieht.
Kurz nach der Bekanntgabe ermittelten zwei repräsentative Umfragen unabhängig voneinander, dass rund 60 Prozent der Berliner glauben, der Wiederaufbau des Schlosses sei gut für die Stadt. Von denen, die Franco Stellas Entwurf kannten, fanden ihn 60 Prozent überzeugend.
Bemerkenswert ist dabei, dass die Zustimmung zum Schloss in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen am höchsten war. Aus der einst utopisch anmutenden Idee einer kleinen Minderheit ist ein Projekt geworden, das auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens ruht.
Die größte Herausforderung aber steht noch bevor: das neue Berliner Schloss tatsächlich zu bauen. Franco Stella konnte zwei renommierte deutsche Architekturbüros als Partner für die Feinplanung und Ausführung des Bauwerks gewinnen: Hilmer & Sattler und Albrecht aus München sowie von Gerkan, Marg und Partner aus Hamburg. Seinen Siegerentwurf hat Stella an einigen Stellen verändert oder weiter detailliert.
Obwohl die Bundesregierung den Baubeginn auf 2014 verschob, gingen die Planungen weiter. Viele Elemente des einstigen barocken Bauschmucks sind bereits in Sandstein gehauen, in Berlin-Spandau wurde eine Schlossbauhütte eingerichtet. Seit Juni 2011 informiert die Humboldt-Box direkt neben dem künftigen Bauplatz über das Projekt – in den ersten 50 Tagen zählte man bereits 100.000 Besucher.
Und im Juli 2011 gab der Haushaltsausschuss des Bundestages die Mittel frei. Nach dem jüngsten Zeitplan soll im März die Vorbereitung des Bauplatzes beginnen. Weil unter dem Humboldt-Forum einmal der Tunnel der verlängerten U-Bahn-Linie 5 verlaufen wird, muss noch vor dem Schlossbau das Erdreich verdichtet und verfestigt werden. 2013 könnten Angela Merkel und Klaus Wowereit den Grundstein legen.
2018 soll das Schloss bezugsfertig sein
Ob das neue Berliner Schloss/Humboldt-Forum die Erwartungen erfüllt, wird sich frühestens 2018 zeigen, wenn es bezugsfertig sein soll. Die Eröffnung wäre dann im Jahre 2019. Vielleicht dauert es auch noch etwas länger, bis der Fassadenschmuck komplett ist und das letzte Ausstellungsstück an seinem Platz steht.
Nach 500 Jahren Schloss-Geschichte und mehr als 20 Jahren Schloss-Debatte ließe sich auch damit leben. Dass das Schloss aber eines Tages wieder da stehen wird – das bleibt ein Wunder.
Die Welt, 3.1.2012
Schade,dass es erst 2013 losgeht.Aber die Hauptsache ist der Bau überhaupt.
Es wäre wünschenswert,ebenfalls über die Bebauung desMarx-Engels -Forums nach alten Vorlagen
nachzudenken.Wie sich der Platz momentan präsentiert, ist eine Schande für die Mitte der Hauptstadt.
Die historische aber leider auch die vergessene Mitte Berlins muß aus nationalem Interesse
wieder hergestellt werden.
Schade,dass es erst 2013 losgeht.Aber die Hauptsache ist der Bau überhaupt.
Es wäre wünschenswert,ebenfalls über die Bebauung desMarx-Engels -Forums nach alten Vorlagen
nachzudenken.Wie sich der Platz momentan präsentiert, ist eine Schande für die Mitte der Hauptstadt.
Die historische aber leider auch die vergessene Mitte Berlins muß aus nationalem Interesse
wieder hergestellt werden.