Der Ethnologie droht Unglück???

Neuer Streit um das Konzept des Humboldtforums

Als Kulturstaatsminister Bernd Neumann kürzlich den Schweizer Kulturmanager Martin Heller zum Projektleiter für ein Beraterteam für das Humboldt-Forum des Berliner Schloss-Baus berief, wurde die Nachricht weithin begrüßt. Anstelle vager Ideen sollte ein belastbares Konzept her. Zu wolkig waren den Beobachtern bisherige Überlegungen erschienen, so etwa die experimentell wirkende Ausstellung „Anders zur Welt kommen“ im Alten Museum von 2009.Wenn die illustre Expertengruppe ihren Auftrag ernst nimmt, dann wird sie sich mit einer Intervention des Frankfurter Ethnologen Karl-Heinz Kohl auseinandersetzen müssen, der in FAZ vom Mittwoch die Leitung des Ethnologischen Museums in Berlin heftig kritisierte. „Was den Beitrag der Ethnologie anbelangt“, schreibt Kohl, „stellt sich die bald neunjährige Geschichte des Humboldt-Forums als eine einzige Abfolge von Desastern dar.“

Die Ethnologie verspielt ihre größte Chance“ ist der Beitrag überschrieben. Der Leiterin des Ethnologischen Museums, Viola König, wirft Kohl vor, mit ihrer Aufgabe überfordert zu sein. Es seien zwei verschiedene Dinge, die Artefakte eines der größten ethnologischen Museen der Welt kompetent zu betreuen und Ideen für eine zeitgemäße Präsentation im Humboldt-Forum zu entwickeln. Hervorragende Kustoden seien nicht notwendig auch begabte Gestalter und Planer. Es wäre vernünftiger gewesen, so Kohl, „ihnen diese Last gar nicht erst aufzubürden, sondern rechtzeitig eine Leitung für das Gesamtkonzept einzusetzen.“

Das Berater-Team um Martin Heller stellt für Kohl denn auch eine nur unzureichende Reaktion auf das Planungsdilemma dar. Es befinde sich kein einziger Ethnologe in der Expertengruppe, bedauerte er gegenüber der Berliner Zeitung. Ethnologische Expertise ist nach Ansicht Kohls in der gesamten Planungszeit zu wenig berücksichtigt worden. So sei auf einer Konferenz von Fachvertretern im Januar 2010 die Redezeit derart knapp bemessen worden, dass man sich kaum darüber verständigen konnte, wer überhaupt zu Wort kommen dürfe.

Dabei hat Kohl, Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Völkerkunde, bereits vor einiger Zeit einen Vorschlag für die Präsentation ethnologischer Sammlungen im Humboldt-Forum zur Debatte gestellt. In der Zeitschrift Merkur (Mai 2009) hatte er einen reflexiven Umgang mit dem häufig erhobenen Vorwurf des Euro- oder Ethnozentrismus skizziert, in dem Wege und Irrwege der Ethnologie ausgestellt werden könnten. Kohl entwickelt darin die Idee eines Museums außereuropäischer Kulturen. An dem Ort, an dem man sich kritisch mit dem Preußentum auseinanderzusetzen habe, könnte auch eine nicht minder kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Fachs Völkerkunde Platz finden.

Kohls nun vehement vorgetragene Sorge ist mehr als die Enttäuschung eines an den Planungen nicht beteiligten Professors. Es wäre ein Unglück für die Ethnologie, schreibt Kohl, „würde diese einmalige Chance durch Starrsinn, Selbstüberschätzung und mangelnde Bereitschaft zur Kooperation vertan werden.“

Berliner Zeitung / Frankfurter Rundschau 13.01.2011

Kommentar des Fördervereins:

Warum diese verfrühte Kritik? Prof. Dr. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat im vorigen Herbst einen ersten, vielversprechenden Rahmen für das Humboldtforum gesetzt, nachzulesen bei uns im „Berliner Extrablatt“, digital hier auf dieser Site. Den hat Prof. Kohl offensichtlich nicht gelesen, sonst würde er doch darauf eingegangen sein. Der Artikel wurde mit dem Extrablatt allen wichtigen Redaktionen damals zugestellt!

Lesen Sie selbst! Es scheint wieder einmal das typische Ritual abzulaufen: Man ist nicht beteiligt am Konzept, möglicherweise aus gutem Grunde, obwohl man doch so wichtig ist, man findet eine willige Redaktion, die ohne Gegenrecherche den angeblich so sachlichen Artikel ins Blatt nimmt – und schon rauscht es wieder im Blätterwald.

Wie war das noch? Das Humboldtforum soll 2019!!! (also erst in 8 Jahren) eröffnet werden – und schon können einige es wieder einmal nicht abwarten. Warum kann man in Deutschland eigentlich nicht mal eine Sache reifen lassen? Die Vergangenheit lehrt doch immer wieder: vorschnell vorgelegte Ergebnisse führen ebenfalls zum Skandal. Arbeitet man aber mit Hochdruck nicht öffentlich an Konzepten, führt dies auch zum Skandal.
Was haben wir bloß für eine unsägliche Kultur im Umgang miteinander entwickelt! In der Ruhe liegt die Kraft!
 

Ein Kommentar zu “Der Ethnologie droht Unglück???

  1. Blödsinn, jetzt wird konstruktiv über das inhaltliche Konzept des Humboldt-Forums diskutiert und das Ergebnis sollte man ruhig abwarten…

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