Denkpause für Prestigeobjekt

Denkpause für Prestigeobjekt

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Ein neuer Geist in alter Umhüllung

Auch das Konsortium der Kulturmanager, die im wiederzuerrichtenden Hohenzollernschloss ein „Humboldt-Forum“ betreiben wollen, ist auf die Bilbao-Lehre eingeschworen. Allerdings versprechen sie den Bilbao-Effekt in der Variante der idealistischen Umkehrung: Nichts darf auf die Hülle ankommen, dafür wird der Inhalt kühn und aufsehenerregend sein, eine Welt der Wunder. Wie Gehrys Bauten den Eindruck erwecken, ein zu Scherzen aufgelegter Weltbaumeister habe sich Aluminiumspielzeug zurechtgebogen, so schiebt das „Humboldt-Forum“ Institutionen ineinander, die keine gemeinsame Sache verbindet: die ethnologischen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die wissenschaftshistorische Sammlung der Humboldt-Universität und die Landesbibliothek.

Als für die Schlossidee noch geworben werden musste, gingen die Mietinteressenten ein Zweckbündnis ein. Der prosaische Sinn der Wohngemeinschaft wird verdeckt, indem man dem Publikum vorgaukelt, hier könne etwas Unerhörtes und nie Dagewesenes entstehen. Neue Methoden der Wissensproduktion verheißen die Begriffsalchimisten, neue Formen des Dialogs, den Morgen einer neuen Aufklärung: Billiger macht man’s wohl nicht. Dass das Schloss in seiner alten Gestalt wiederersteht, soll dadurch kompensiert werden, dass im Innern nur Neues gemacht wird.

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Zeit zum Denken

Das „Humboldt-Forum“ war eine Idee von Klaus-Dieter Lehmann, dem Vorgänger Parzingers. Unklugerweise hat Parzinger, ein weltweit angesehener Fachmann für das Nomadenvolk der Skythen, dieses Erbe zu seiner persönlichen Sache gemacht. Er hat sich darauf festgelegt, dass ein Abschied vom Humboldt-Etikett ein Akt des Provinzialismus wäre, ein Verrat Berlins an den Völkern der Welt. Der Einsicht, dass ein Prestigeprojekt großsprecherisch und weltfremd war, steht unter Managern die Angst vor dem Gesichtsverlust im Weg. Oft hilft nur die Zeit.

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sucht einen neuen Ort für ihre Gemäldegalerie. Fürstliche Auftraggeber und Kulturtouristen aus aller Welt haben in der europäischen Malerei einen höchsten Ausdruck der Möglichkeiten des Menschen bewundert. Dass die Stiftung das Königsschloss gegenüber der Museumsinsel als Tagungszirkuszelt nutzen will, passt nicht in eine Zeit, die wiederentdeckt, dass die erste Aufgabe der Kulturpolitik die Bewahrung der Bestände ist. Das Neue geschieht schon von selbst. Der Baustopp schafft Zeit zum Denken. Was soll ins Berliner Schloss? Das ist eine Frage der Verteilung der preußischen Sammlungen in der Mitte Berlins.

F.A.Z, 24.06.2010