Die Uffizien Berlins
Das Stadtschloss in der Hauptstadt rückt langsam näher
Braucht Berlin noch ein Schloss? Lange wurde darüber gestritten. Doch das Projekt gewinnt an Fahrt: Architekt Franco Stella hat jetzt die abgespeckte Version vorgestellt.
Ein Besuchermagnet soll es werden, ein Ort der deutschen Identitätsstiftung und Selbstfindung: Als Franco Stella am Mittwochabend seine Pläne für den Wiederaufbau des Stadtschlosses präsentiert, gerät er in der Humboldt-Universität ins Schwärmen. Der Italiener, von deutschen Fachleuten gerne bespöttelt, spricht wohl vielen Menschen aus der Seele. „Das Schloss lag nicht in Berlin, das Schloss war Berlin“, zitiert Stella den Verleger Wolf Jobst Siedler – und hat von Beginn an das Publikum auf seiner Seite.
Bis zum Baubeginn werden noch mindestens zwei Jahre ins Land gehen. Lange hatte man über Für und Wider einer wiederaufgebauten Hohenzollernresidenz debattiert, die Bundesregierung legte aus Spargründen den auf 552 Millionen Euro geschätzten Bau auf Eis. Die Kosten waren 2007 errechnet worden. Nach Schätzungen werden sie die 600 Millionen übersteigen. Der Bund trägt 440 Millionen Euro, 32 Millionen das Land Berlin, die restlichen 80 Millionen sollen durch Spenden hereinkommen.
Am 8. Juni will die Stiftung das Projekt absegnen, dann wird es den Haushältern im Bundestag und anschließend den Baubehörden zur Genehmigung vorgelegt. Baubeginn soll 2014 sein, 2018 sollen die Nutzer einziehen.
Einem Vorwurf begegnet Stella mit Vehemenz: Die Barockfassade an drei der vier Schloss-Seiten werde „keine Attrappe“ sein. 60 Zentimeter dickes Mauerwerk soll die Figuren und Verzierungen tragen – genau so, wie es der preußische Baumeister Andreas Schlüter konzipiert hatte. Gegen die moderne Beton-Lochfassade an der Ostseite, die Stella „Belvedere“ nennt, regt sich nur leiser Unmut im Saal. Im Inneren werden Teile des Schlüterhofs ihre barocke Gestalt zurückerhalten. Im Humboldtforum sollen die Sammlungen außereuropäischer Kulturen der Berliner Museen, die Humboldt-Universität und die Berliner Landesbibliothek ihren Platz haben.
Restaurant in der Kuppel
Zum Herzstück des Schlosses wird die sogenannte Agora gehören, ein Raum für Veranstaltungen und Kongresse, der im einstigen Eosanderhof unterkommen soll. Vorgesehen ist auch der Wiederaufbau der Schlosskuppel, die aber aus Kostengründen nicht die Originalverzierungen tragen wird. Auch die Kellerreste sollen erhalten werden, einige sollen zugänglich sein. Ein Korridor, Forum genannt, soll durch das Schloss einen Durchgang in Nord-Süd-Richtung ermöglichen, die „künftigen Uffizien von Berlin“.
Immer wieder bemüht Stella die Klassiker, stellt etwa die Agora hinter dem Haupteingang als Theater dar, wo Manfred Rettig, Chef der Stiftung Schloss-Humboldtforum, lieber von einem Veranstaltungssaal spricht.
In der Kuppel über dem Haupteingang soll es ein Restaurant geben, fast genau an jenem Ort, wo im abgerissenen „Palast der Republik“ der untergegangenen DDR die Gaststätte stand. Hierher könnten Paare, die einst in „Erichs Lampenladen“ – eine satirische Anspielung auf DDR-Staatschef Erich Honecker – ihre Heirat feierten, zu ihrem Hochzeitstag kommen. Das Schloss war im Krieg beschädigt und in der DDR 1950 gesprengt worden. In den 70er Jahren entstand an dem Ort der „Palast der Republik“, in dem die DDR-Volkskammer ihren Sitz hatte.
Frankfurter Neue Presse am 27.Mai 2011, Text von Esteban Engel (dpa)