Das letzte Schloss des Kaisers
Von Andreas Heimann
Am 27. Januar 2009 jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag Kaiser Wilhelms II. Nach seiner Abdankung ging er nach Holland ins Exil. Dort wohnte er mehr als 20 Jahre lang im Haus Doorn, das seit 1953 ein Museum ist.
Wer Haus Doorn sieht, muss zugeben: Doch, der Kaiser hatte Geschmack. Das Schloss in der niederländischen Provinz Utrecht liegt in einem weitläufigen Park. Eine Brücke führt über einen Graben voller Seerosen zu einer großen Freitreppe am Haupteingang. Und auch die Einrichtung ist vom Feinsten. Mehr als 20 Jahre hat Wilhelm II. hier gewohnt, nach seinem Abgang ins Exil 1918. Jahrzehntelang hat er hier Holz gehackt, ist Verschwörungstheorien nachgegangen und hat darauf gehofft, man würde ihn als Kaiser zurück nach Deutschland rufen, was bekanntlich nicht geschah.
Heute ist Haus Doorn ein bemerkenswertes Museum, das an das letzte Kapitel im Leben des letzten deutschen Kaisers erinnert, der vor gut 90 Jahren (am 9. November 1918) auf den Thron verzichtete und dessen Geburtstag sich am 27. Januar 2009 zum 150. Mal jährt.
In den Geschichtsbüchern wird das Leben von Wilhelm II. nach der Revolution 1918 meistens nicht mehr erwähnt. Viele Deutsche wissen deshalb gar nicht, dass er mehr als ein Viertel seines Lebens in Doorn verbracht hat. Ganz freiwillig war das nicht: Als er zum Abdanken gezwungen wurde, hielt sich Wilhelm II. noch in seinem Hauptquartier in Belgien auf. Nach Berlin zurückzukehren war schon wegen der Revolutionäre kaum möglich, von denen viele nicht gut auf den Monarchen zu sprechen waren. Am 10. November 1918 morgens vor Sonnenaufgang floh er klammheimlich Richtung Holland und bat um Asyl.
Auch wegen der Verwandtschaftsbeziehungen zum niederländischen Königshaus stimmte die Regierung zu. Im August 1919 kaufte Wilhelm II. „Huis Doorn“ für 500 000 Gulden und gab eine große Sanierung in Auftrag: Zentralheizung und neue Badezimmer mit Warmwasseranschlüssen ließ er einbauen, neue Fußböden, Kamine und Doppelfenster. Licht- und Telefonleitungen wurden modernisiert, der Park erhielt eine Beleuchtung – Exil ist nur noch halb so schlimm, wenn man nicht sparen muss. Und das musste er nicht: Die Berliner Regierung überwies dem Ex-Monarchen Millionenbeträge für den „standesgemäßen Unterhalt“.
Haus Doorn brachte alle Voraussetzung dafür mit. Noch heute wirkt es behaglich und gleichzeitig eindrucksvoll. Besucher betreten das Gelände durch das Torgebäude, das der Ex-Kaiser im Stil der holländischen Renaissance bauen ließ: mit Türmchen, Treppengiebeln, Holzfensterläden und Sprossenfenstern. Darin untergebracht waren das Wachpersonal, die Wohnung des Hofmarschalls und mehrere Gästezimmer mit klingenden Namen wie „Friedrich der Große“ oder „Fürstenwohnung“.
Auf dem Weg durch den Park steht in direkter Linie vor dem Schloss eine Marmorbüste des Ex-Kaisers, mit akkuratem Scheitel und dem markanten Zwirbelbart. Die Besichtigung des Gebäudes, in dem Wilhelm II. bis zu seinem Tod 1941 lebte, ist nur im Rahmen von Führungen möglich. Sie finden auch in deutscher Sprache statt.
Haus Doorn wurde schon unmittelbar nach dem Tod des Ex-Kaisers zum Museum. Die Räume sind zum Teil noch exakt so eingerichtet wie zu seinen Zeiten. Gemälde, Teppiche, kostbares Mobiliar und Geschirr der Königlich Preußischen Porzellan-Manufaktur wurden aus dem Stadtschloss in Berlin, aus Schloss Bellevue und aus dem Neuen Palais in Potsdam angeliefert. Insgesamt wurden 59 Eisenbahnwaggons gefüllt.
Schon in der Eingangshalle, in der der Ex-Kaiser morgens bei der täglichen Andacht das Gebet zu sprechen pflegte, gibt es einiges davon zu sehen: Porträts des „Großen Kurfürsten“ etwa und seiner holländischen Gattin Luise Henriette, die an die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Oraniern und Hohenzollern erinnern sollten.
Der größte Raum des Hauses ist der Speisesaal. Auf der festlich gedeckten Tafel stehen Teller, Gläser und Karaffen, Salzstreuer und zwei Rokoko-Kandelaber. Sogar das Silberbesteck liegt bereit. Die Gabel des Kaisers hatte nur drei Zinken, denn Wilhelm II. war am linken Arm behindert und hatte Mühe mit herkömmlichem Esswerkzeug. Fleisch ließ er sich deshalb schon zerkleinert servieren.
Zwei Marmorbüsten stehen in den Ecken – die eine von Wilhelms Großvater Wilhelm I., die andere von dessen Mutter Königin Luise. Gobelins, Meißener Porzellan und Marmor gibt es auch in anderen Räumen noch zu sehen und im Rauchsalon auch die wertvolle Sammlung von Schnupftabakdosen aus dem Besitz Friedrichs des Großen, den Wilhelm bewunderte – nicht nur für diese Exponate.
Auch eine ganze Reihe Fotos aus des Kaisers privatem Besitz werden in Haus Doorn gezeigt, darunter Kinderbilder des kleinen Wilhelm, als er noch keine Pläne hatte, die deutsche Flotte hochzurüsten oder Russland zu bekriegen. Eine Vitrine zeigt seine Uniformen, die Wilhelm auch in hohem Alter zum Teil noch anlegte, zusammen mit allerlei Orden, an denen er zeitlebens hing. Selbst sein Säbel und ein Schottenrock aus des Kaisers Kleiderschrank sind hier zu sehen.
Wilhelms ganz private Seite wird in Doorn nicht ausgespart: Die Bibliothek und das Arbeitszimmer, in dem er täglich Zeitung und die Post las, sind ebenso zu besichtigen wie die Schlafräume oder das Badezimmer mit Waschtisch und Geschirr sowie das blau und gold glasierte und in einem Schrank verborgene Toilettenbecken.
Im Keller war die Küche untergebracht. Noch immer stehen die Schränke voller Tassen und Teller, Kannen und Eierbecher, die Regale voller Töpfe und Pfannen, Weinflaschen und Gläser mit Eingemachtem. Der große Ofen sieht aus, als sollte er gleich befeuert werden. Das alles wirkt, als könnte der Kaiser jeden Tag wieder einziehen – dabei ist er schon mehr als sechs Jahrzehnte tot. Begraben liegt er im Mausoleum im Schlossgarten – unter dem Rasen davor ruhen seine Hunde.
Anreise: Haus Doorn ist über die niederländische Autobahn A 12 (Ausfahrt Driebergen-Zeist) zu erreichen. Mit der Bahn fährt man über Amsterdam Zuid oder Arnheim nach Driebergen-Zeist (www.bahn.de). Von dort geht es weiter mit dem Bus (www.lijn50.nl).
Öffnungszeiten: Das Museum ist im Winter (15. November bis 14. März) mittwochs, samstags und sonntags jeweils von 13 bis 17 Uhr geöffnet.
Die Welt, 28.12.2008