Das Gerede vom Betonsfcdhloss ist ein Schmarrn
Herr Minister, der Baustart für das Humboldt-Forum wird nach den Plänen der Regierung um mehrere Jahre verschoben. Das bedeutet, dass die maroden Museen in Dahlem weiter genutzt werden müssen. Der Sanierungsbedarf soll bei 200 Millionen Euro liegen. Wo ist da der Spareffekt?
Wir haben von Beginn an für den Standort Dahlem Gelder für unaufschiebbare Sanierungsmaßnahmen einkalkuliert. Es war ja von vornherein klar, dass angesichts des baulichen Zustandes der Gebäude auch für eine zeitlich begrenzte Aufrechterhaltung des Museumsbetriebes Kosten anfallen. Die Verschiebung des Baustarts für das Humboldt-Forum um 2 bis 3 Jahre wird aber nicht annähernd zu Kosten führen, die den in den nächsten 3 Haushaltsjahren durch die Verschiebung des Baustarts des Schlosses/Humboldt-Forums eingesparten Mitteln entspricht.
Wenn das Schloss tatsächlich aus Spargründen verschoben wird: Bürden Sie mit dem Baustart 2013 und damit noch vor den nächsten Wahlen das Finanzierungsproblem nicht einfach der kommenden Bundesregierung auf?
Erstens hoffe ich, dass wir auch die nächste Bundesregierung sind. Zweitens: Die Sparbeschlüsse der Bundesregierung entlasten zunächst die Haushalte in den Jahren 2011 bis 2013. Bis 2013 wird sich die derzeit schwierige Finanzsituation des Staates deutlich verbessert haben, so dass wir mehr Spielraum haben werden. Ein Baustart in 2013 ist ein kraftvolles Signal zur Umsetzung dieses bedeutenden kulturellen Vorhabens.
Würden Sie den Berlinern ein Schloss ohne die historischen Fassaden als schmucklosen Betonbau herstellen lassen, wenn die privaten Spenden ausbleiben?
Das ist natürlich Schmarrn. Um das Gerede von „Ramsauer will nackte Betonfassade“ aus der Welt zu räumen, hier einmal die harten Fakten: Die Architekten planen die Fassade als Tragwerk aus Stahlbeton mit einer Vorsatzwand aus Mauerwerk. Die wird wie das 1950 gesprengte Original verputzt sein. Die barocken Natursteinarbeiten und Schmuckelemente müssen schon aus konstruktiven Gründen bereits im Mauerwerk eingebaut werden. Die Fassade wird also von Anfang an historisch anmuten. Etwa ein Zehntel der barocken Fassadenelemente kann nachträglich angebracht werden. Darauf hatte ich hingewiesen, als ich gesagt habe, dass die Komplettierung der historischen Fassade auch Aufgabe späterer Generationen sein kann. Es ist schon interessant, was die Medien daraus gemacht haben, dass da eine schmucklose Betonfassade stehen wird.
Wenn das so ist: Wozu brauchen wir dann noch Spenden?
Der Beschluss des Bundestags ist eindeutig: für die Mehrkosten der historischen Natursteinfassade sind 80 Millionen Euro an privaten Spenden einzubringen. Förderverein und Stiftung leisten hier bereits sehr gute Arbeit. Ich bin sicher, dass sie die gewonnene Zeit gut nutzen werden, um für private Spenden zu werben, damit alles möglichst gleichzeitig fertig werden kann.
Wieso wurde in Ihrem Ressort bei den Investitionen einzig dieses Projekt auf die Sparliste gesetzt?
Die schwierige Finanzsituation des Staates zwingt uns auch dazu, so wichtige Projekte wie die Wiedererrichtung des Berliner Schlosses zu vertagen. Aber ich sage ganz klar: dieses Projekt ist lediglich um ein paar Jahre verschoben, nicht aufgehoben. Den Bau eines Schlosses zu einem Zeitpunkt in Angriff zu nehmen, an dem sich viele Bürgerinnen und Bürger mit schmerzlichen Sparbeschlüssen konfrontiert sehen, wäre kein gutes Signal.
Also ging es beim gesparten Schloss nur um eine symbolische Geste? Andere Großprojekte wie Stuttgart 21 oder der Bau der Autobahn 14 Magdeburg-Schwerin sind doch mindestens genau so umstritten und weit teurer als das Schloss.
Es ist doch keine symbolische Geste, wenn wir die besonders belasteten Haushalte 2011 und 2012 entlasten. Stuttgart 21 ist ein Projekt der DB AB, des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart. Der Bundesanteil für das Projekt Stuttgart 21 ist vertraglich verbindlich und bei 563,8 Millionen Euro gedeckelt. Das sind im übrigen die Finanzierungsmittel für eine notwendige Schienenanbindung, die auch ohne den Umbau des Hauptbahnhofs Stuttgart vom Kopf- zum Durchgangsbahnhof notwendig gewesen wäre. Und was die A 14 angeht: diese hat weiterhin hohe Priorität. Mit der A 14 soll die Anbindung des Raumes Magdeburg – Wittenberge – Schwerin an das deutsche Autobahnnetz einschließlich einer besseren Verbindung zu den nord- und ostdeutschen Häfen sowie die Anbindung an das transeuropäische Netz sichergestellt werden. Aus dem Verkehrshaushalt werden für die A 14, Magdeburg – Wittenberge – Schwerin zwar Gelder bereit gestellt, der Hauptteil der Kosten wird jedoch aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.
Warum spart sich der Bund nicht einfach die 500 Millionen Euro Wohnungsbauprämie im Jahr? Davon könnte man viele Schlösser bauen. Aber mit maximal 512 Euro jährlich Förderung wird doch kaum jemand dazu bewegt, sich in das Risiko eines Hausbaus zu stürzen?
In Deutschland werden jedes Jahr etwa drei Millionen Bausparverträge abgeschlossen. Fast zwei Drittel dieser Bausparer beantragen die Wohnungsbauprämie. Die Wohnungsbauprämie hilft vielen jungen Familien in die eigenen vier Wände. Die staatlichen Zuschüsse werden nur solchen Bausparern gewährt, die unterhalb einer gewissen Einkommensgrenze liegen. Für diese Menschen macht sich dieser Zuschuss sogar sehr bemerkbar. Die Wohnungsbauprämie ist ein wichtiges Instrument um die Eigentumsquote zu erhöhen. Das ist ein zutiefst sozialer Ansatz, und eine wichtige Altersvorsorge.
Der Sparbeschluss wird von einigen Ihrer Kollegen, so Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter, genutzt das inhaltliche Konzept des Humboldt-Forums in Frage zu stellen. Ist das der Einstieg in den Ausstieg?
Als verantwortlicher Minister sage ich: Es bleibt bei den Plänen. Wenn die zusätzliche Zeit dazu genutzt wird, an den Inhalten zu feilen, kann das nicht schaden. Klar ist aber: Das Konzept ist gut. Die Verbindung von Kunst, Kultur und Wissenschaften im Humboldt-Forum ist ein herausragendes Projekt.
50 Architekten sind derzeit mit den Vorplanungen für das Humboldt-Forum befasst. Sieht der mit Stella geschlossene Vertrag solche Bauverzögerungen vor oder kann das Büro jetzt auf Schadensersatz klagen?
Die Planer werden die vertraglich vereinbarte Entwurfs- und Genehmigungsplanung bis Anfang 2011 fertig stellen können. Dies entspricht genau dem bisher beauftragten Leistungsumfang. Die weiteren Planungsschritte müssen dann noch beauftragt werden. Zu Schadensersatzforderungen würde es nur kommen, falls der Bund die Verträge vorher kündigen würde und die beauftragte Entwurfs- und Genehmigungsplanung unterbrechen würde. Dies ist aber weder erforderlich, und schon gar nicht sinnvoll.
Da der Baustart nun verschoben ist, wird die Fläche noch Jahre leer stehen. Was sollte auf dem Gelände passieren?
Wir müssen jetzt darüber nachdenken, wie wir die Freifläche bis zum Baustart 2013 im Sinne des künftigen Humboldt-Forums nutzen können. Da sollte mehr passieren, als nur eine Liegewiese. Es sollten kulturelle Veranstaltungen stattfinden, die auf den Geist der späteren Nutzung einstimmen. Ich könnte mir zum Beispiel ein Shakespeare-Theater vorstellen, ähnlich dem GLOBE in London. Oder Kunstausstellungen und Diskussionen rund um die Kulturen der Welt, unter freiem Himmel, bis die Agora dafür Raum gibt. Die organisierten „Schneemänner“ vom letzten Winter haben gezeigt, was allein über das Internet an Ideen für den Platz möglich sind.
Und diese Zwischennutzung soll dann vermutlich Berlin zahlen?
Zunächst mal: den weitaus größten finanziellen Beitrag, nämlich 64 Prozent, für die Zwischennutzung des Geländes trägt der Bund. Das Gelände soll im übrigen noch dieses Jahr in den Besitz der Stiftung übergehen, die sicher sehr gute Ideen entwickeln wird.
Um die Sparvorgaben des Bundesfinanzministers zu erfüllen, haben Sie auch angekündigt, die Städtebauförderung zu halbieren. Gleichzeitig haben Sie ein neues Programm für die ländlichen Räume aufgelegt. Mögen Sie keine Metropolen?
Ich stehe zur Städtebauförderung. Das ist ein gutes und eingeübtes Instrument, mit denen wir gemeinsam mit den Ländern den Kommunen aller Größen helfen, ihre Aufgaben zu bewältigen. Ich stehe aber auch zur Schuldenbremse. Die Bundesregierung hat sich gemeinsam darauf verständigt, die Ausgaben um vier Milliarden zu senken. Das geht auch an der Städtebauförderung nicht vorbei. Wir werden jetzt gemeinsam mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden beraten, wie wir die Programme auf die wesentlichen und wichtigsten Ziele konzentrieren und effektiver machen können. Wir werden dort fördern, wo die Aufgaben am dringendsten sind, und wo die Förderung am besten wirkt. Ein Schwerpunkt wird die stärkere Förderung der kleinen und mittleren Gemeinden in den ländlichen Räumen sein. Diese Städte sind Ankerpunkte für eine ganze Region und stehen vor enormen Herausforderungen. Abwanderung, alternde Gesellschaft und wirtschaftliche Umbrüche gefährden das Funktionieren dieser Zentren. Wir werden deshalb noch gezielter diesen Gemeinden helfen. Dafür habe ich das neue Programm aufgelegt, das dieses Jahr mit 18 Millionen Euro startet.
Interview mit Isabell Jürgens
Berliner Morgenpost, 27.6.2010