Boddien will 80 Millionen für das Stadtschloss sammeln
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unterstützt den Verein mit Benefizkonzert
Von Volker Tarnow
Am Anfang die obligatorische Entwarnung: den Hohenfriedberger Marsch wird es nicht geben! Auf dieses Paradestück, angeblich komponiert von Friedrich II. höchstderoselbst, müssen Preußenschwärmer am 25. November verzichten, wenn das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) sein Benefizkonzert zugunsten des wieder zu errichtenden Stadtschlosses gibt. Auch wird Loriot alias Opa Hoppenstedt wohl kaum durchs Konzerthaus marschieren, einen Militaristenrhythmus auf den unbelehrbaren Lippen.
Nein, an Preußens Gloria will niemand anknüpfen, weder musikalisch noch ironisch. Das Programm ist über jeden lokalpatriotischen Verdacht erhaben: erst singt Dänemarks Helden-Bariton Bo Skovhus schwedische und deutsche Lieder von Sibelius, dann dirigiert Marek Janowski die im Rheingau entstandene 3. Symphonie des von Hamburg nach Wien emigrierten Johannes Brahms.
Auftakt der Zusammenarbeit
Ein ganz normales Konzert also? Nicht ganz. „Wir haben dieses Programm mit Bedacht gewählt“, sagt Wilhelm von Boddien, der vor 16 Jahren seine Initiative zum Wiederaufbau des Hohenzollern-Schlosses startete. Auch er ist Hanseat, allerdings mit mecklenburgischen Wurzeln. „Brahms‘ 3. Symphonie, dazu ein großartiger Sänger, dieser Auftakt wird das Publikum begeistern – und unserer Zusammenarbeit einen guten Start geben.“ Und der Aktion hoffentlich noch mehr Aufmerksamkeit. Denn 80 Millionen Euro will von Boddiens Förderverein für die Rekonstruktion der Barockfassaden einsammeln.
In dieser Situation kommt ihm eine Initiative des RSB-Orchestervorstands Jörg Lehmann gerade recht. Lehmann ist biographisch eng mit dem Ort des Geschehens verbunden. „Eine indirekte Beziehung zwischen dem RSB und dem Berliner Stadtschloss gibt es eigentlich schon länger“, berichtet der Posaunist aus Eisenhüttenstadt. „Das Orchester spielte von 1976 bis 1989 jeweils zum Jahreswechsel Beethovens Neunte im Palast der Republik. Also am Ort des gesprengten Schlosses.“ Lehmann hat die Rekonstruktion der Dresdner Frauenkirche hautnah miterlebt – eines von vielen Argumenten, die für eine neue alte Hohenzollernburg sprechen. „Der Stadt Berlin ging mit dem Abriss 1950 nicht nur ein historisches Gebäude, sondern ein erheblicher Teil seiner Geschichte verloren“, beklagt Lehmann.
Pro Ticket vier Euro fürs Schloss
Seine Kollegen im Orchester sind jedenfalls begeistert von den Benefizkonzerten, bei denen pro Ticket 4 Euro für den Förderverein abgezweigt werden. Auch Chefdirigent Marek Janowski zieht mit. Das 1923 gegründete RSB, Deutschlands ältestes Rundfunkorchester, ist zweifellos der beste Promoter in dieser Sache: es ist das einzige Orchester der Stadt, das keinen aufdringlichen Ost- oder Westmief mehr verstreut; es hat in den letzten fünf Jahren einen erstaunlichen künstlerischen Höhenflug genommen; und es zeigte bereits mehrmals Flagge, zuletzt 2005 bei der Hundertjahrfeier des Doms und 2006 mit einer Neuauflage der Schlüterhof-Konzerte, die es schon vor dem Krieg gegeben hat – mangels Schloss neuerdings im Zeughaus veranstaltet.
Ein Ort der Aufklärung
Jetzt gibt es eine Perspektive, dass diese Konzerte wieder am alten Ort stattfinden können. Boddien will nicht ausschließen, die Musik stärker in das Nutzungskonzept einzubinden. Er verweist auf das geplante Humboldt-Forum als einen Ort der Aufklärung: „Schinkel hat mit dem Alten Museum nicht zufällig baulich die Agora von Athen zitiert, den Markt der Demokratie und des Austauschs. Schloss und Museumsinsel nehmen nun die Gedanken der Aufklärung wieder auf: im Zentrum Berlins wird die Freistätte für Kunst und Wissenschaft endlich verwirklicht.“
Die Benefizkonzerte, da sind sich die Beteiligten einig, werden das gemeinsame Anliegen auch über die Saison 2007/08 hinaus verkünden. Und dabei vielleicht sogar etwas von der größtenteils im märkischen Archivsand verschütteten Berliner Musikgeschichte freilegen. Das musikalische Preußen hat der Welt mehr hinterlassen als den Hohenfriedberger. Es gibt hier noch immer unendlich viel zu entdecken, zu gestalten. Die Ideen liegen auf der Straße, pardon, auf dem Schlossplatz. Man muss sie nur aufheben.
Benefizkonzert
am 25.11. um 16 Uhr im Konzerthaus am Gendarmenmarkt
Berliner Morgenpost, 21.11.2007